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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Thierische Bewegung. XI. Buch.
hin kehrt, beweglicher, welches sich gegen die äusserste
Gliedmaßen wendet.

Nun kann des einen Muskels Ende auf unzäliche
Weise durch andre weit entlegne Muskeln fester, oder be-
weglicher gemacht werden, daß also überhaupt die Kräfte
fast des ganzen Körpers mit einander harmoniren, und sich
wechselsweise einander helfen oder im Wege stehen.

So müste der Deltamuskel, wenn er am sizzenden und
ruhigen Menschen die Schulter in die Höhe hebt, zugleich
das Schulterblat und das Schlüsselbein niederziehen, in-
dem beide Theile beweglich sind. Solchergestalt würde
dieser starke Muskel aber, da die Schulter mit dem
Schulterblate vergliedert ist, gar nicht wirken, es würde
das Aufheben das Niederdrükken aufheben, und so
umgekehrt.

So oft wir also die Schulter aufheben wollen, müs-
sen wir das Schulterblat und Schlüsselbein anhalten, daß
sie nicht niedergehen, damit dasjenige Ende unbeweglich
gemacht werde, mit welchem der Deltamuskel an diesem
Knochen feste sizzt. Folglich mus man zugleich den He-
ber des Schulterblates, den Rautenmuskel, den tischför-
migen und einige ungleich dreiseitige mit zusammenziehen
oder verkürzen.

Diese Muskeln aber kommen von den verschiednen
Halswirbelbeinen her, die auch selbst beweglich sind,
und sich beugen lassen. Würden sich aber diese Wir-
belbeine von den angefürten Muskeln beugen lassen,
so würden sie diesem Fleische keinen festen Punkt verschaf-
fen, da solches doch dem Deltamuskel helfen müste,
und es würde folglich auch der Deltamuskel an den Kno-
chen, in welche dieses Fleisch eingefugt ist, keinen festen

Grund

Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
hin kehrt, beweglicher, welches ſich gegen die aͤuſſerſte
Gliedmaßen wendet.

Nun kann des einen Muſkels Ende auf unzaͤliche
Weiſe durch andre weit entlegne Muſkeln feſter, oder be-
weglicher gemacht werden, daß alſo uͤberhaupt die Kraͤfte
faſt des ganzen Koͤrpers mit einander harmoniren, und ſich
wechſelsweiſe einander helfen oder im Wege ſtehen.

So muͤſte der Deltamuſkel, wenn er am ſizzenden und
ruhigen Menſchen die Schulter in die Hoͤhe hebt, zugleich
das Schulterblat und das Schluͤſſelbein niederziehen, in-
dem beide Theile beweglich ſind. Solchergeſtalt wuͤrde
dieſer ſtarke Muſkel aber, da die Schulter mit dem
Schulterblate vergliedert iſt, gar nicht wirken, es wuͤrde
das Aufheben das Niederdruͤkken aufheben, und ſo
umgekehrt.

So oft wir alſo die Schulter aufheben wollen, muͤſ-
ſen wir das Schulterblat und Schluͤſſelbein anhalten, daß
ſie nicht niedergehen, damit dasjenige Ende unbeweglich
gemacht werde, mit welchem der Deltamuſkel an dieſem
Knochen feſte ſizzt. Folglich mus man zugleich den He-
ber des Schulterblates, den Rautenmuſkel, den tiſchfoͤr-
migen und einige ungleich dreiſeitige mit zuſammenziehen
oder verkuͤrzen.

Dieſe Muſkeln aber kommen von den verſchiednen
Halswirbelbeinen her, die auch ſelbſt beweglich ſind,
und ſich beugen laſſen. Wuͤrden ſich aber dieſe Wir-
belbeine von den angefuͤrten Muſkeln beugen laſſen,
ſo wuͤrden ſie dieſem Fleiſche keinen feſten Punkt verſchaf-
fen, da ſolches doch dem Deltamuſkel helfen muͤſte,
und es wuͤrde folglich auch der Deltamuſkel an den Kno-
chen, in welche dieſes Fleiſch eingefugt iſt, keinen feſten

Grund
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[116/0134] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. hin kehrt, beweglicher, welches ſich gegen die aͤuſſerſte Gliedmaßen wendet. Nun kann des einen Muſkels Ende auf unzaͤliche Weiſe durch andre weit entlegne Muſkeln feſter, oder be- weglicher gemacht werden, daß alſo uͤberhaupt die Kraͤfte faſt des ganzen Koͤrpers mit einander harmoniren, und ſich wechſelsweiſe einander helfen oder im Wege ſtehen. So muͤſte der Deltamuſkel, wenn er am ſizzenden und ruhigen Menſchen die Schulter in die Hoͤhe hebt, zugleich das Schulterblat und das Schluͤſſelbein niederziehen, in- dem beide Theile beweglich ſind. Solchergeſtalt wuͤrde dieſer ſtarke Muſkel aber, da die Schulter mit dem Schulterblate vergliedert iſt, gar nicht wirken, es wuͤrde das Aufheben das Niederdruͤkken aufheben, und ſo umgekehrt. So oft wir alſo die Schulter aufheben wollen, muͤſ- ſen wir das Schulterblat und Schluͤſſelbein anhalten, daß ſie nicht niedergehen, damit dasjenige Ende unbeweglich gemacht werde, mit welchem der Deltamuſkel an dieſem Knochen feſte ſizzt. Folglich mus man zugleich den He- ber des Schulterblates, den Rautenmuſkel, den tiſchfoͤr- migen und einige ungleich dreiſeitige mit zuſammenziehen oder verkuͤrzen. Dieſe Muſkeln aber kommen von den verſchiednen Halswirbelbeinen her, die auch ſelbſt beweglich ſind, und ſich beugen laſſen. Wuͤrden ſich aber dieſe Wir- belbeine von den angefuͤrten Muſkeln beugen laſſen, ſo wuͤrden ſie dieſem Fleiſche keinen feſten Punkt verſchaf- fen, da ſolches doch dem Deltamuſkel helfen muͤſte, und es wuͤrde folglich auch der Deltamuſkel an den Kno- chen, in welche dieſes Fleiſch eingefugt iſt, keinen feſten Grund

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/134>, abgerufen am 21.11.2024.