selbiges stärker machen, anhalten und hemmen und uns selbst durch diesen Kunstgriff so gar das Leben nehmen (h). Wenn dieses nicht so leicht und gemein ist, seinem verdrüs- lichen Leben auf solche Weise ein Ende zu machen, so macht die Aengstlichkeit dieses Verbrechen seltner (i), weil uns solche bei Verhaltung des Atems überfällt, und un- sern Willen nötigt, der gegenwärtigen Beschwerlichkeit, die uns unerträglich fällt, abzuhelfen. Wer diese Be- schwerlichkeit nicht achten wollte, ist von seinem Atem Herr, so wie von seinem Leben; es ist aber möglich, und es haben es einige wirklich gethan.
Folglich holen alle Sterbliche und alle Thiere, kraft ihres Willens, Atem; und es benimmt hier die Gewon- heit, oder die Notwendigkeit, der Gewalt nichts, und man kann hier keine unsichtbare Bauart des Zwerchfelles mit ins Spiel bringen.
Wir können alle, und wir können jederzeit die Werk- zeuge des Atemholens nach unserm Belieben regieren.
Wir sehen das Herz, dessen Geschäfte mit der Lunge so nahe verknüpft ist, nicht, ob wir gleich das Schlagen desselben fülen. Kein einziger Mensch hat jemals durch seine Anstrengung das Schlagen desselben hemmen, oder, wenn es matt geklopft, verstärken können. Es trägt hierzu nichts bei, daß wir das Herz nicht sehen, indem wir weder das männliche Glied nach Willkür regieren, noch diejeni- gen Personen, denen das Gedärme aus einer Wunde, oder dem verkerten Mastdarm, vorgefallen, dieses Gedärme kraft ihres Willens verengern, oder erweitern können, und ich habe selbst gesehen, daß an einer Frauensperson we- nigstens zwo Ellen Gedärme durch den Hintern vorgesun- (k)
ken
(h)[Spaltenumbruch]pag. 252. GALEN. de mot. musc. L. II. c. 6.
(i)CIGNA diss. n. 3.
(k)[Spaltenumbruch]L. IV. pag. 480. seqq. vide clar. GAUBIUM in der akade- mischen Rede anni 1747. SCHREI- BER almag. pag. 104.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
ſelbiges ſtaͤrker machen, anhalten und hemmen und uns ſelbſt durch dieſen Kunſtgriff ſo gar das Leben nehmen (h). Wenn dieſes nicht ſo leicht und gemein iſt, ſeinem verdruͤs- lichen Leben auf ſolche Weiſe ein Ende zu machen, ſo macht die Aengſtlichkeit dieſes Verbrechen ſeltner (i), weil uns ſolche bei Verhaltung des Atems uͤberfaͤllt, und un- ſern Willen noͤtigt, der gegenwaͤrtigen Beſchwerlichkeit, die uns unertraͤglich faͤllt, abzuhelfen. Wer dieſe Be- ſchwerlichkeit nicht achten wollte, iſt von ſeinem Atem Herr, ſo wie von ſeinem Leben; es iſt aber moͤglich, und es haben es einige wirklich gethan.
Folglich holen alle Sterbliche und alle Thiere, kraft ihres Willens, Atem; und es benimmt hier die Gewon- heit, oder die Notwendigkeit, der Gewalt nichts, und man kann hier keine unſichtbare Bauart des Zwerchfelles mit ins Spiel bringen.
Wir koͤnnen alle, und wir koͤnnen jederzeit die Werk- zeuge des Atemholens nach unſerm Belieben regieren.
Wir ſehen das Herz, deſſen Geſchaͤfte mit der Lunge ſo nahe verknuͤpft iſt, nicht, ob wir gleich das Schlagen deſſelben fuͤlen. Kein einziger Menſch hat jemals durch ſeine Anſtrengung das Schlagen deſſelben hemmen, oder, wenn es matt geklopft, verſtaͤrken koͤnnen. Es traͤgt hierzu nichts bei, daß wir das Herz nicht ſehen, indem wir weder das maͤnnliche Glied nach Willkuͤr regieren, noch diejeni- gen Perſonen, denen das Gedaͤrme aus einer Wunde, oder dem verkerten Maſtdarm, vorgefallen, dieſes Gedaͤrme kraft ihres Willens verengern, oder erweitern koͤnnen, und ich habe ſelbſt geſehen, daß an einer Frauensperſon we- nigſtens zwo Ellen Gedaͤrme durch den Hintern vorgeſun- (k)
ken
(h)[Spaltenumbruch]pag. 252. GALEN. de mot. muſc. L. II. c. 6.
(i)CIGNA diſſ. n. 3.
(k)[Spaltenumbruch]L. IV. pag. 480. ſeqq. vide clar. GAUBIUM in der akade- miſchen Rede anni 1747. SCHREI- BER almag. pag. 104.
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Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
ſelbiges ſtaͤrker machen, anhalten und hemmen und uns
ſelbſt durch dieſen Kunſtgriff ſo gar das Leben nehmen (h).
Wenn dieſes nicht ſo leicht und gemein iſt, ſeinem verdruͤs-
lichen Leben auf ſolche Weiſe ein Ende zu machen, ſo
macht die Aengſtlichkeit dieſes Verbrechen ſeltner (i), weil
uns ſolche bei Verhaltung des Atems uͤberfaͤllt, und un-
ſern Willen noͤtigt, der gegenwaͤrtigen Beſchwerlichkeit,
die uns unertraͤglich faͤllt, abzuhelfen. Wer dieſe Be-
ſchwerlichkeit nicht achten wollte, iſt von ſeinem Atem
Herr, ſo wie von ſeinem Leben; es iſt aber moͤglich, und
es haben es einige wirklich gethan.
Folglich holen alle Sterbliche und alle Thiere, kraft
ihres Willens, Atem; und es benimmt hier die Gewon-
heit, oder die Notwendigkeit, der Gewalt nichts, und
man kann hier keine unſichtbare Bauart des Zwerchfelles
mit ins Spiel bringen.
Wir koͤnnen alle, und wir koͤnnen jederzeit die Werk-
zeuge des Atemholens nach unſerm Belieben regieren.
Wir ſehen das Herz, deſſen Geſchaͤfte mit der Lunge
ſo nahe verknuͤpft iſt, nicht, ob wir gleich das Schlagen
deſſelben fuͤlen. Kein einziger Menſch hat jemals durch ſeine
Anſtrengung das Schlagen deſſelben hemmen, oder, wenn
es matt geklopft, verſtaͤrken koͤnnen. Es traͤgt hierzu
nichts bei, daß wir das Herz nicht ſehen, indem wir weder
das maͤnnliche Glied nach Willkuͤr regieren, noch diejeni-
gen Perſonen, denen das Gedaͤrme aus einer Wunde,
oder dem verkerten Maſtdarm, vorgefallen, dieſes Gedaͤrme
kraft ihres Willens verengern, oder erweitern koͤnnen, und
ich habe ſelbſt geſehen, daß an einer Frauensperſon we-
nigſtens zwo Ellen Gedaͤrme durch den Hintern vorgeſun-
ken
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(h)
pag. 252. GALEN. de
mot. muſc. L. II. c. 6.
(i) CIGNA diſſ. n. 3.
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L. IV. pag. 480. ſeqq. vide
clar. GAUBIUM in der akade-
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/156>, abgerufen am 21.11.2024.
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