Doch es verändert sich, so sagen berümte Männer (p), das Schlagen des Herzens, nach den Gemütsbewegun- gen der Seele; nun hat die Seele über die Gemütsbewe- gungen, und folglich auch über das Herz, Gewalt.
Hiervon ist ein Theil wahr, und ein Theil falsch. Es ist gewis, daß das Schlagen des Herzens von scharfem Weingeiste, von Gift, und von der Jdee eines mir ge- genwärtigen Misvergnügens, sehr heftig werde. Doch es ist darum nicht wahr, daß diese Veränderungen will- kürlich sind, oder daß das Herz im Zorne, auf Befel der Seele schlagen soll.
Es hängt gar nicht von dem Willen ab, unberauscht zu bleiben, wenn man zu viel Wein getrunken; es hängt vom Willen nicht ab, in einer geruhigen Gemütsfassung zu verharren, wenn wir Dinge, die unsrer Ehre zuwider sind, für ein Uebel ansehen, welches wir unverdienter Weise leiden.
Es stand in unserm Belieben, keinen Wein zu trinken, und dasjenige für kein grosses Uebel zu halten, was man wider unsre Ehre vornahm, und wir könnten dieses Uebel dadurch niederschlagen, daß wir es mit demjenigen Uebel vergleichen, welches die Erfahrung, oder die Religion, als eine Folge des Zorns angiebt.
Wenn die Nerven einmal, entweder von den Wein- dünsten, oder von der Empfindung eines erlittnen Un- rechts, in Bewegung gesezzt worden, so hat die Seele keine freie Gewalt mehr, dem Herzen das schnelle Schla- gen zu verbieten, dergleichen ein gesunder und ruhiger Mensch hat. Wir können freylich verhindern, daß in uns keine Leidenschaften entstehen, allein, sind sie schon
ent-
(p)SAUVAGES loc. cit.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
§. 7. Andre Einwuͤrfe.
Doch es veraͤndert ſich, ſo ſagen beruͤmte Maͤnner (p), das Schlagen des Herzens, nach den Gemuͤtsbewegun- gen der Seele; nun hat die Seele uͤber die Gemuͤtsbewe- gungen, und folglich auch uͤber das Herz, Gewalt.
Hiervon iſt ein Theil wahr, und ein Theil falſch. Es iſt gewis, daß das Schlagen des Herzens von ſcharfem Weingeiſte, von Gift, und von der Jdee eines mir ge- genwaͤrtigen Misvergnuͤgens, ſehr heftig werde. Doch es iſt darum nicht wahr, daß dieſe Veraͤnderungen will- kuͤrlich ſind, oder daß das Herz im Zorne, auf Befel der Seele ſchlagen ſoll.
Es haͤngt gar nicht von dem Willen ab, unberauſcht zu bleiben, wenn man zu viel Wein getrunken; es haͤngt vom Willen nicht ab, in einer geruhigen Gemuͤtsfaſſung zu verharren, wenn wir Dinge, die unſrer Ehre zuwider ſind, fuͤr ein Uebel anſehen, welches wir unverdienter Weiſe leiden.
Es ſtand in unſerm Belieben, keinen Wein zu trinken, und dasjenige fuͤr kein groſſes Uebel zu halten, was man wider unſre Ehre vornahm, und wir koͤnnten dieſes Uebel dadurch niederſchlagen, daß wir es mit demjenigen Uebel vergleichen, welches die Erfahrung, oder die Religion, als eine Folge des Zorns angiebt.
Wenn die Nerven einmal, entweder von den Wein- duͤnſten, oder von der Empfindung eines erlittnen Un- rechts, in Bewegung geſezzt worden, ſo hat die Seele keine freie Gewalt mehr, dem Herzen das ſchnelle Schla- gen zu verbieten, dergleichen ein geſunder und ruhiger Menſch hat. Wir koͤnnen freylich verhindern, daß in uns keine Leidenſchaften entſtehen, allein, ſind ſie ſchon
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(p)SAUVAGES loc. cit.
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Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
§. 7.
Andre Einwuͤrfe.
Doch es veraͤndert ſich, ſo ſagen beruͤmte Maͤnner (p),
das Schlagen des Herzens, nach den Gemuͤtsbewegun-
gen der Seele; nun hat die Seele uͤber die Gemuͤtsbewe-
gungen, und folglich auch uͤber das Herz, Gewalt.
Hiervon iſt ein Theil wahr, und ein Theil falſch. Es
iſt gewis, daß das Schlagen des Herzens von ſcharfem
Weingeiſte, von Gift, und von der Jdee eines mir ge-
genwaͤrtigen Misvergnuͤgens, ſehr heftig werde. Doch
es iſt darum nicht wahr, daß dieſe Veraͤnderungen will-
kuͤrlich ſind, oder daß das Herz im Zorne, auf Befel der
Seele ſchlagen ſoll.
Es haͤngt gar nicht von dem Willen ab, unberauſcht
zu bleiben, wenn man zu viel Wein getrunken; es haͤngt
vom Willen nicht ab, in einer geruhigen Gemuͤtsfaſſung
zu verharren, wenn wir Dinge, die unſrer Ehre zuwider
ſind, fuͤr ein Uebel anſehen, welches wir unverdienter
Weiſe leiden.
Es ſtand in unſerm Belieben, keinen Wein zu trinken,
und dasjenige fuͤr kein groſſes Uebel zu halten, was man
wider unſre Ehre vornahm, und wir koͤnnten dieſes Uebel
dadurch niederſchlagen, daß wir es mit demjenigen Uebel
vergleichen, welches die Erfahrung, oder die Religion,
als eine Folge des Zorns angiebt.
Wenn die Nerven einmal, entweder von den Wein-
duͤnſten, oder von der Empfindung eines erlittnen Un-
rechts, in Bewegung geſezzt worden, ſo hat die Seele
keine freie Gewalt mehr, dem Herzen das ſchnelle Schla-
gen zu verbieten, dergleichen ein geſunder und ruhiger
Menſch hat. Wir koͤnnen freylich verhindern, daß in
uns keine Leidenſchaften entſtehen, allein, ſind ſie ſchon
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(p) SAUVAGES loc. cit.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/158>, abgerufen am 21.11.2024.
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