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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Thierische Bewegung. XI. Buch.
und es verstattet unsre Unwissenheit dem berümten Manne
kein Recht, die Ursache der Bewegung auf die Seele zu
schieben, wenn wir selbige gleich nicht gekannt haben.

Was hat man denn nun damit gesagt, daß man der
Seele diese erregte Bewegungen zuschreiben will? Stahl
gestand es ehedem (b), es heisse dieses gar nichts gesagt;
und er habe leicht dieser ganzen Erklärung überhoben sein
können. Es bleibt hier nämlich noch immer, wie zuvor,
zu zeigen übrig, welches doch die phisische Ursache, und
nicht der metaphisische Wille sei, die in den Muskeln
Bewegungen verursache. Wenn man nämlich sagen
wollte, daß die Seele selbst in der Nähe, und, ohne eine
körperliche Ursache, in dem Muskel ein Zittern, eine
Härte, und Verkürzung hervorbringe, so würde man der
Seele in der That Eigenschaften des Körpers, als die
Ausdehnung, den Widerstand und die Härte beilegen.

Jch schreibe nicht der Seele diese Kräfte zu, sondern
ich sage nur, daß diese Eigenschaften auf Befel der Seele
hervorgebracht werden. Folglich mus es eine Materie
sein, von der sie herrüren. Dieses ist die gewönlichste
Formel ihres Geständnisses. Wenn diese Materie aber
zur Hervorbringung der Erweiterung, des Widerstandes,
und der Verkürzung des Muskels hinlänglich ist, was
lehren denn diese Herren über unsrer Erklärung wohl
anders, als daß sie noch zu einer hinlänglichen, gewissen,
und erwiesenen, und von ihnen erkannten Ursache, eine
zwote, unnötige hinzufügen, ohngeachtet schon die erste
hinlänglich ist; doch, sie würde gewis nicht hinlänglich
sein, sondern eine andre körperliche Kraft erfordern, wo-
fern diese erste körperliche Ursache nicht zulänglich wäre.

[Spaltenumbruch]

Es
der Bewegnngen im thierischen
Körper, GAUBIUS sermon.
1740.
(b) [Spaltenumbruch] Jn der Vorrede über des
JUNKERI Conspectum phy-
siolog.

Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
und es verſtattet unſre Unwiſſenheit dem beruͤmten Manne
kein Recht, die Urſache der Bewegung auf die Seele zu
ſchieben, wenn wir ſelbige gleich nicht gekannt haben.

Was hat man denn nun damit geſagt, daß man der
Seele dieſe erregte Bewegungen zuſchreiben will? Stahl
geſtand es ehedem (b), es heiſſe dieſes gar nichts geſagt;
und er habe leicht dieſer ganzen Erklaͤrung uͤberhoben ſein
koͤnnen. Es bleibt hier naͤmlich noch immer, wie zuvor,
zu zeigen uͤbrig, welches doch die phiſiſche Urſache, und
nicht der metaphiſiſche Wille ſei, die in den Muſkeln
Bewegungen verurſache. Wenn man naͤmlich ſagen
wollte, daß die Seele ſelbſt in der Naͤhe, und, ohne eine
koͤrperliche Urſache, in dem Muſkel ein Zittern, eine
Haͤrte, und Verkuͤrzung hervorbringe, ſo wuͤrde man der
Seele in der That Eigenſchaften des Koͤrpers, als die
Ausdehnung, den Widerſtand und die Haͤrte beilegen.

Jch ſchreibe nicht der Seele dieſe Kraͤfte zu, ſondern
ich ſage nur, daß dieſe Eigenſchaften auf Befel der Seele
hervorgebracht werden. Folglich mus es eine Materie
ſein, von der ſie herruͤren. Dieſes iſt die gewoͤnlichſte
Formel ihres Geſtaͤndniſſes. Wenn dieſe Materie aber
zur Hervorbringung der Erweiterung, des Widerſtandes,
und der Verkuͤrzung des Muſkels hinlaͤnglich iſt, was
lehren denn dieſe Herren uͤber unſrer Erklaͤrung wohl
anders, als daß ſie noch zu einer hinlaͤnglichen, gewiſſen,
und erwieſenen, und von ihnen erkannten Urſache, eine
zwote, unnoͤtige hinzufuͤgen, ohngeachtet ſchon die erſte
hinlaͤnglich iſt; doch, ſie wuͤrde gewis nicht hinlaͤnglich
ſein, ſondern eine andre koͤrperliche Kraft erfordern, wo-
fern dieſe erſte koͤrperliche Urſache nicht zulaͤnglich waͤre.

[Spaltenumbruch]

Es
der Bewegnngen im thieriſchen
Koͤrper, GAUBIUS ſermon.
1740.
(b) [Spaltenumbruch] Jn der Vorrede uͤber des
JUNKERI Conſpectum phy-
ſiolog.
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[152/0170] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. und es verſtattet unſre Unwiſſenheit dem beruͤmten Manne kein Recht, die Urſache der Bewegung auf die Seele zu ſchieben, wenn wir ſelbige gleich nicht gekannt haben. Was hat man denn nun damit geſagt, daß man der Seele dieſe erregte Bewegungen zuſchreiben will? Stahl geſtand es ehedem (b), es heiſſe dieſes gar nichts geſagt; und er habe leicht dieſer ganzen Erklaͤrung uͤberhoben ſein koͤnnen. Es bleibt hier naͤmlich noch immer, wie zuvor, zu zeigen uͤbrig, welches doch die phiſiſche Urſache, und nicht der metaphiſiſche Wille ſei, die in den Muſkeln Bewegungen verurſache. Wenn man naͤmlich ſagen wollte, daß die Seele ſelbſt in der Naͤhe, und, ohne eine koͤrperliche Urſache, in dem Muſkel ein Zittern, eine Haͤrte, und Verkuͤrzung hervorbringe, ſo wuͤrde man der Seele in der That Eigenſchaften des Koͤrpers, als die Ausdehnung, den Widerſtand und die Haͤrte beilegen. Jch ſchreibe nicht der Seele dieſe Kraͤfte zu, ſondern ich ſage nur, daß dieſe Eigenſchaften auf Befel der Seele hervorgebracht werden. Folglich mus es eine Materie ſein, von der ſie herruͤren. Dieſes iſt die gewoͤnlichſte Formel ihres Geſtaͤndniſſes. Wenn dieſe Materie aber zur Hervorbringung der Erweiterung, des Widerſtandes, und der Verkuͤrzung des Muſkels hinlaͤnglich iſt, was lehren denn dieſe Herren uͤber unſrer Erklaͤrung wohl anders, als daß ſie noch zu einer hinlaͤnglichen, gewiſſen, und erwieſenen, und von ihnen erkannten Urſache, eine zwote, unnoͤtige hinzufuͤgen, ohngeachtet ſchon die erſte hinlaͤnglich iſt; doch, ſie wuͤrde gewis nicht hinlaͤnglich ſein, ſondern eine andre koͤrperliche Kraft erfordern, wo- fern dieſe erſte koͤrperliche Urſache nicht zulaͤnglich waͤre. Es (a*) (b) Jn der Vorrede uͤber des JUNKERI Conſpectum phy- ſiolog. (a*) der Bewegnngen im thieriſchen Koͤrper, GAUBIUS ſermon. 1740.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/170>, abgerufen am 21.11.2024.