läst sich dieser Vorfall gar nicht auf die Art erklären, daß man glauben könnte, der Muskel bekomme von der Zer- störung des Gegenmuskels eine neue Kraft. Man siehet deutlich, da noch beide Gegenmuskeln unverlezzt und ganz waren, daß ein jeder derselben das Glied auf seine Seite gezogen hat, und daß sich diese von der Natur abgemess- ne Kräfte, einander zerstört haben (z), um ein Gleichge- wicht herauszubringen. Da nun also die eine Kraft ver- nichtet ist, so mus diejenige nothwendig allein spielen, welche allein noch da ist. Und daher kömmt es denn auch, weil fast überall die Muskelbieger stärker, als die Ausstrekker sind (z*), und die Gelenke merentheils etwas wenig gebogen sind (a), daß sich die Knochen gegen die Seite hin krümmen (b), wo sie die überwichtige Stärke der Biegemuskeln hinzieht, daher werden sie zuerst weich, und gehorchen also der Gewalt der Muskeln. Daher krümmen sich die Gliedmaaßen in der Lämung, welche die Kraft der Nerven zerstört und die angeborne Kraft ohne Verlezzung übrig läst, nach der Weise der gewönli- schen Biegung (b*).
§. 5.
(z)[Spaltenumbruch]
Es nannte dieses schon mo- tum tonicum selbst der GALE- NUS, de motu musc. T. I. p. 625. et. und dessen fleissiger Leser RIOLANUS.
(z*) Am Ellbogen der Hand, Schienbein. RIOLANVS, p. 363. und den meisten Schenkel- gelenken. Jn der colica pictonum werden die Ausstrekker der Hand unnüzzlich, und es ziehen sich die Beugemuskeln mehr und mehr zu- sammen. Journal med. 1762. WATSON electr. der Hals bog sich in einer Lähmung zu einem sehr spizzen Winkel. com. litt. nor. 1737.
(a)[Spaltenumbruch]BORELL. prop. 129.
(b)PETIT mal des os T. II. p. 503. Mem. de l'Acad. 1722. p. 31. GOOCH faits. PROT- TENIUS. act. HAFN. V. I. III. obs. 24. COURTIAL des os- p. 43. MERY Mem. de l'Acad. 1706. HILDAN. L. VI. obs. 74. Der Körper wurde davon bis auf 62 Zoll verkleinert. GOOCH erzählt dieses; und dergleichen hat auch MERY. PROTTE- NIUS. SPON. voy. de Dalmat. T. II. p. 293.
(b*)de hemi- plegia. des HAIS.
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
laͤſt ſich dieſer Vorfall gar nicht auf die Art erklaͤren, daß man glauben koͤnnte, der Muſkel bekomme von der Zer- ſtoͤrung des Gegenmuſkels eine neue Kraft. Man ſiehet deutlich, da noch beide Gegenmuſkeln unverlezzt und ganz waren, daß ein jeder derſelben das Glied auf ſeine Seite gezogen hat, und daß ſich dieſe von der Natur abgemeſſ- ne Kraͤfte, einander zerſtoͤrt haben (z), um ein Gleichge- wicht herauszubringen. Da nun alſo die eine Kraft ver- nichtet iſt, ſo mus diejenige nothwendig allein ſpielen, welche allein noch da iſt. Und daher koͤmmt es denn auch, weil faſt uͤberall die Muſkelbieger ſtaͤrker, als die Ausſtrekker ſind (z*), und die Gelenke merentheils etwas wenig gebogen ſind (a), daß ſich die Knochen gegen die Seite hin kruͤmmen (b), wo ſie die uͤberwichtige Staͤrke der Biegemuſkeln hinzieht, daher werden ſie zuerſt weich, und gehorchen alſo der Gewalt der Muſkeln. Daher kruͤmmen ſich die Gliedmaaßen in der Laͤmung, welche die Kraft der Nerven zerſtoͤrt und die angeborne Kraft ohne Verlezzung uͤbrig laͤſt, nach der Weiſe der gewoͤnli- ſchen Biegung (b*).
§. 5.
(z)[Spaltenumbruch]
Es nannte dieſes ſchon mo- tum tonicum ſelbſt der GALE- NUS, de motu muſc. T. I. p. 625. et. und deſſen fleiſſiger Leſer RIOLANUS.
(z*) Am Ellbogen der Hand, Schienbein. RIOLANVS, p. 363. und den meiſten Schenkel- gelenken. Jn der colica pictonum werden die Ausſtrekker der Hand unnuͤzzlich, und es ziehen ſich die Beugemuſkeln mehr und mehr zu- ſammen. Journal med. 1762. WATSON electr. der Hals bog ſich in einer Laͤhmung zu einem ſehr ſpizzen Winkel. com. litt. nor. 1737.
(a)[Spaltenumbruch]BORELL. prop. 129.
(b)PETIT mal des os T. II. p. 503. Mem. de l’Acad. 1722. p. 31. GOOCH faits. PROT- TENIUS. act. HAFN. V. I. III. obſ. 24. COURTIAL des os- p. 43. MERY Mem. de l’Acad. 1706. HILDAN. L. VI. obſ. 74. Der Koͤrper wurde davon bis auf 62 Zoll verkleinert. GOOCH erzaͤhlt dieſes; und dergleichen hat auch MERY. PROTTE- NIUS. SPON. voy. de Dalmat. T. II. p. 293.
(b*)de hemi- plegia. des HAIS.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0031"n="13"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">II.</hi> Abſchnitt. Erſcheinungen.</hi></fw><lb/>
laͤſt ſich dieſer Vorfall gar nicht auf die Art erklaͤren, daß<lb/>
man glauben koͤnnte, der Muſkel bekomme von der Zer-<lb/>ſtoͤrung des Gegenmuſkels eine neue Kraft. Man ſiehet<lb/>
deutlich, da noch beide Gegenmuſkeln unverlezzt und ganz<lb/>
waren, daß ein jeder derſelben das Glied auf ſeine Seite<lb/>
gezogen hat, und daß ſich dieſe von der Natur abgemeſſ-<lb/>
ne Kraͤfte, einander zerſtoͤrt haben <noteplace="foot"n="(z)"><cb/>
Es nannte dieſes ſchon <hirendition="#aq">mo-<lb/>
tum tonicum</hi>ſelbſt der <hirendition="#aq"><hirendition="#g">GALE-<lb/>
NUS,</hi> de motu muſc. T. I. p.<lb/>
625. et.</hi> und deſſen fleiſſiger Leſer<lb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">RIOLANUS.</hi></hi></note>, um ein Gleichge-<lb/>
wicht herauszubringen. Da nun alſo die eine Kraft ver-<lb/>
nichtet iſt, ſo mus diejenige nothwendig allein ſpielen,<lb/>
welche allein noch da iſt. Und daher koͤmmt es denn<lb/>
auch, weil faſt uͤberall die Muſkelbieger ſtaͤrker, als die<lb/>
Ausſtrekker ſind <noteplace="foot"n="(z*)">Am Ellbogen der Hand,<lb/>
Schienbein. <hirendition="#aq"><hirendition="#g">RIOLANVS,</hi> p.</hi><lb/>
363. und den meiſten Schenkel-<lb/>
gelenken. Jn der <hirendition="#aq">colica pictonum</hi><lb/>
werden die Ausſtrekker der Hand<lb/>
unnuͤzzlich, und es ziehen ſich die<lb/>
Beugemuſkeln mehr und mehr zu-<lb/>ſammen. <hirendition="#aq">Journal med. 1762.<lb/><hirendition="#g">WATSON</hi> electr.</hi> der Hals bog<lb/>ſich in einer Laͤhmung zu einem<lb/>ſehr ſpizzen Winkel. <hirendition="#aq">com. litt. nor.</hi><lb/>
1737.</note>, und die Gelenke merentheils etwas<lb/>
wenig gebogen ſind <noteplace="foot"n="(a)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">BORELL.</hi> prop.</hi> 129.</note>, daß ſich die Knochen gegen die<lb/>
Seite hin kruͤmmen <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">PETIT</hi> mal des os T. II.<lb/>
p. 503. Mem. de l’Acad. 1722.<lb/>
p. 31. <hirendition="#g">GOOCH</hi> faits. <hirendition="#g">PROT-<lb/>
TENIUS.</hi> act. HAFN. V. I. III.<lb/>
obſ. 24. <hirendition="#g">COURTIAL</hi> des os-<lb/>
p. 43. <hirendition="#g">MERY</hi> Mem. de l’Acad.<lb/>
1706. <hirendition="#g">HILDAN.</hi> L. VI. obſ.</hi> 74.<lb/>
Der Koͤrper wurde davon bis auf<lb/>
62 Zoll verkleinert. <hirendition="#aq"><hirendition="#g">GOOCH</hi></hi><lb/>
erzaͤhlt dieſes; und dergleichen<lb/>
hat auch <hirendition="#aq"><hirendition="#g">MERY. PROTTE-<lb/>
NIUS. SPON.</hi> voy. de Dalmat.<lb/>
T. II. p.</hi> 293.</note>, wo ſie die uͤberwichtige Staͤrke<lb/>
der Biegemuſkeln hinzieht, daher werden ſie zuerſt weich,<lb/>
und gehorchen alſo der Gewalt der Muſkeln. Daher<lb/>
kruͤmmen ſich die Gliedmaaßen in der Laͤmung, welche<lb/>
die Kraft der Nerven zerſtoͤrt und die angeborne Kraft<lb/>
ohne Verlezzung uͤbrig laͤſt, nach der Weiſe der gewoͤnli-<lb/>ſchen Biegung <noteplace="foot"n="(b*)"><hirendition="#aq">de hemi-<lb/>
plegia. des <hirendition="#g">HAIS.</hi></hi></note>.</p></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 5.</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[13/0031]
II. Abſchnitt. Erſcheinungen.
laͤſt ſich dieſer Vorfall gar nicht auf die Art erklaͤren, daß
man glauben koͤnnte, der Muſkel bekomme von der Zer-
ſtoͤrung des Gegenmuſkels eine neue Kraft. Man ſiehet
deutlich, da noch beide Gegenmuſkeln unverlezzt und ganz
waren, daß ein jeder derſelben das Glied auf ſeine Seite
gezogen hat, und daß ſich dieſe von der Natur abgemeſſ-
ne Kraͤfte, einander zerſtoͤrt haben (z), um ein Gleichge-
wicht herauszubringen. Da nun alſo die eine Kraft ver-
nichtet iſt, ſo mus diejenige nothwendig allein ſpielen,
welche allein noch da iſt. Und daher koͤmmt es denn
auch, weil faſt uͤberall die Muſkelbieger ſtaͤrker, als die
Ausſtrekker ſind (z*), und die Gelenke merentheils etwas
wenig gebogen ſind (a), daß ſich die Knochen gegen die
Seite hin kruͤmmen (b), wo ſie die uͤberwichtige Staͤrke
der Biegemuſkeln hinzieht, daher werden ſie zuerſt weich,
und gehorchen alſo der Gewalt der Muſkeln. Daher
kruͤmmen ſich die Gliedmaaßen in der Laͤmung, welche
die Kraft der Nerven zerſtoͤrt und die angeborne Kraft
ohne Verlezzung uͤbrig laͤſt, nach der Weiſe der gewoͤnli-
ſchen Biegung (b*).
§. 5.
(z)
Es nannte dieſes ſchon mo-
tum tonicum ſelbſt der GALE-
NUS, de motu muſc. T. I. p.
625. et. und deſſen fleiſſiger Leſer
RIOLANUS.
(z*) Am Ellbogen der Hand,
Schienbein. RIOLANVS, p.
363. und den meiſten Schenkel-
gelenken. Jn der colica pictonum
werden die Ausſtrekker der Hand
unnuͤzzlich, und es ziehen ſich die
Beugemuſkeln mehr und mehr zu-
ſammen. Journal med. 1762.
WATSON electr. der Hals bog
ſich in einer Laͤhmung zu einem
ſehr ſpizzen Winkel. com. litt. nor.
1737.
(a)
BORELL. prop. 129.
(b) PETIT mal des os T. II.
p. 503. Mem. de l’Acad. 1722.
p. 31. GOOCH faits. PROT-
TENIUS. act. HAFN. V. I. III.
obſ. 24. COURTIAL des os-
p. 43. MERY Mem. de l’Acad.
1706. HILDAN. L. VI. obſ. 74.
Der Koͤrper wurde davon bis auf
62 Zoll verkleinert. GOOCH
erzaͤhlt dieſes; und dergleichen
hat auch MERY. PROTTE-
NIUS. SPON. voy. de Dalmat.
T. II. p. 293.
(b*) de hemi-
plegia. des HAIS.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/31>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.