wiege ein Mensch 160 Pfunde: er nimmt schwerlich acht Pfunde Narung zu sich, denn dieses würde ein Exem- pel von seltsamer Gefräßigkeit sein, sondern es geniesset ein Mensch, innerhalb 24 Stunden, an Speise und Trank sechs Pfunde. Der Abgang an Urin sei z. E. 33 Unzen, an Kote gegen vier Unzen. Es müste dieser Mensch, weil er sechs Pfunde zu sich genommen, und drei verloren, nunmehr 163 Pfunde wägen; allein, er wiegt darum nicht mehr, als vorher, sondern blos seine vorige 160 Pfunde. Folglich sind die drei Pfunde, welche un- bewust verloren gegangen, das Maas der unmerklichen Ausdünstung. So rechnet Sanctorius, und so rechnen alle andre Schriftsteller.
Allein, man übertreibt hier die Vermehrung des Ausdünstens überhaupt. Es verlor nämlich der Mensch, ausser Kot und Urin, auch Speichel, den die, welche stark auswerfen, nicht in geringer Menge (g) von sich geben; ferner verliert man den Schleim der Luftröhre, der Nase, das Hauptfett und den Schweis; und ausser allem diesen noch die Ausdämpfung aus der Lunge. Wenn man die- ses betrachtet, so kann man jene drei Pfunde auf die Helfte reduciren. Die Lunge dünstet nämlich über ein Pfund aus (h), man wirft leichtlich, wenigstens wenn man schon bei Jahren ist, etliche Unzen Speichel aus, und an Unflat kann man ein halbes Quentchen rechnen (i).
Hingegen wird die Ausdünstung aus andern Ursachen wieder grösser, als man sie nach dem Obigen findet. Man weis, daß Pflanzen, Thiere und Menschen viele Dünste in sich ziehen, obgleich Niemand das Maas am Menschen bestimmt hat. Es sei, daß derselbe ein Pfund einatme: so mus dieses ganze Pfund durch die Ausdünstung wieder ersezzt worden sein; denn sonst würde diese Materie der
Schwe-
(g)[Spaltenumbruch]
Man sehe unterdessen Prae- lect. T. I.
(h)[Spaltenumbruch]L. VIII. BERGER p. 184.
(i)DODART p. 243.
Das Gefuͤhl. XII. Buch.
wiege ein Menſch 160 Pfunde: er nimmt ſchwerlich acht Pfunde Narung zu ſich, denn dieſes wuͤrde ein Exem- pel von ſeltſamer Gefraͤßigkeit ſein, ſondern es genieſſet ein Menſch, innerhalb 24 Stunden, an Speiſe und Trank ſechs Pfunde. Der Abgang an Urin ſei z. E. 33 Unzen, an Kote gegen vier Unzen. Es muͤſte dieſer Menſch, weil er ſechs Pfunde zu ſich genommen, und drei verloren, nunmehr 163 Pfunde waͤgen; allein, er wiegt darum nicht mehr, als vorher, ſondern blos ſeine vorige 160 Pfunde. Folglich ſind die drei Pfunde, welche un- bewuſt verloren gegangen, das Maas der unmerklichen Ausduͤnſtung. So rechnet Sanctorius, und ſo rechnen alle andre Schriftſteller.
Allein, man uͤbertreibt hier die Vermehrung des Ausduͤnſtens uͤberhaupt. Es verlor naͤmlich der Menſch, auſſer Kot und Urin, auch Speichel, den die, welche ſtark auswerfen, nicht in geringer Menge (g) von ſich geben; ferner verliert man den Schleim der Luftroͤhre, der Naſe, das Hauptfett und den Schweis; und auſſer allem dieſen noch die Ausdaͤmpfung aus der Lunge. Wenn man die- ſes betrachtet, ſo kann man jene drei Pfunde auf die Helfte reduciren. Die Lunge duͤnſtet naͤmlich uͤber ein Pfund aus (h), man wirft leichtlich, wenigſtens wenn man ſchon bei Jahren iſt, etliche Unzen Speichel aus, und an Unflat kann man ein halbes Quentchen rechnen (i).
Hingegen wird die Ausduͤnſtung aus andern Urſachen wieder groͤſſer, als man ſie nach dem Obigen findet. Man weis, daß Pflanzen, Thiere und Menſchen viele Duͤnſte in ſich ziehen, obgleich Niemand das Maas am Menſchen beſtimmt hat. Es ſei, daß derſelbe ein Pfund einatme: ſo mus dieſes ganze Pfund durch die Ausduͤnſtung wieder erſezzt worden ſein; denn ſonſt wuͤrde dieſe Materie der
Schwe-
(g)[Spaltenumbruch]
Man ſehe unterdeſſen Præ- lect. T. I.
(h)[Spaltenumbruch]L. VIII. BERGER p. 184.
(i)DODART p. 243.
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Das Gefuͤhl. XII. Buch.
wiege ein Menſch 160 Pfunde: er nimmt ſchwerlich
acht Pfunde Narung zu ſich, denn dieſes wuͤrde ein Exem-
pel von ſeltſamer Gefraͤßigkeit ſein, ſondern es genieſſet
ein Menſch, innerhalb 24 Stunden, an Speiſe und
Trank ſechs Pfunde. Der Abgang an Urin ſei z. E.
33 Unzen, an Kote gegen vier Unzen. Es muͤſte dieſer
Menſch, weil er ſechs Pfunde zu ſich genommen, und drei
verloren, nunmehr 163 Pfunde waͤgen; allein, er wiegt
darum nicht mehr, als vorher, ſondern blos ſeine vorige
160 Pfunde. Folglich ſind die drei Pfunde, welche un-
bewuſt verloren gegangen, das Maas der unmerklichen
Ausduͤnſtung. So rechnet Sanctorius, und ſo rechnen
alle andre Schriftſteller.
Allein, man uͤbertreibt hier die Vermehrung des
Ausduͤnſtens uͤberhaupt. Es verlor naͤmlich der Menſch,
auſſer Kot und Urin, auch Speichel, den die, welche ſtark
auswerfen, nicht in geringer Menge (g) von ſich geben;
ferner verliert man den Schleim der Luftroͤhre, der Naſe,
das Hauptfett und den Schweis; und auſſer allem dieſen
noch die Ausdaͤmpfung aus der Lunge. Wenn man die-
ſes betrachtet, ſo kann man jene drei Pfunde auf die Helfte
reduciren. Die Lunge duͤnſtet naͤmlich uͤber ein Pfund
aus (h), man wirft leichtlich, wenigſtens wenn man ſchon
bei Jahren iſt, etliche Unzen Speichel aus, und an Unflat
kann man ein halbes Quentchen rechnen (i).
Hingegen wird die Ausduͤnſtung aus andern Urſachen
wieder groͤſſer, als man ſie nach dem Obigen findet. Man
weis, daß Pflanzen, Thiere und Menſchen viele Duͤnſte
in ſich ziehen, obgleich Niemand das Maas am Menſchen
beſtimmt hat. Es ſei, daß derſelbe ein Pfund einatme:
ſo mus dieſes ganze Pfund durch die Ausduͤnſtung wieder
erſezzt worden ſein; denn ſonſt wuͤrde dieſe Materie der
Schwe-
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Man ſehe unterdeſſen Præ-
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(h)
L. VIII. BERGER p. 184.
(i) DODART p. 243.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/344>, abgerufen am 24.11.2024.
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