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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Thierische Bewegung. XI. Buch.

Nun scheint die Ursache dieses gedoppelten Unterschie-
des in den festen Theilen zu stekken, weil in einem und
eben demselben Menschen, wenn er gleich noch so fremd-
artige Speisen geniesset, immer einerley Beschaffenheit da
ist, und nach schweren Krankheiten, und wenn sich der
Körper an seinen Säften erschöpft hat, eben die vorige
Mischung wieder einstellt. Es scheinen die Säfte, welche
die Gefässe unsers Körpers durchwandern, mehr Gäste,
als Theile von uns selbst zu sein. Folglich mus die Ur-
sache in dem Leime verborgen liegen.

Von dieser Sache läst sich nun die zwote und vor-
nämste Ursache der verschiednen Temperamenten herleiten.
Es scheint die Fähigkeit, heftige sinnliche Eindrükke, wel-
che sich mit einer Muskelstärke verbinden, das cholerische
Temperament auszumachen. Eben diese Fähigkeit, doch
bei einer schwachen Faser (c**), macht das hipochondrische
und histerische Temperament. Eine geringere Geschikk-
lichkeit, zu den Bewegungen des Leibes und der Seele,
aber mit Stärke verbunden, scheint das sangvinische, und
bei einer schwachen Faser, das phlegmatische Tempera-
ment hervorzubringen. Jch gebe hier von der Sache
blos die ersten Grundzüge, weil ich weis, wie nöthig es
sei, sie stükkweise durchzugehen, und ich gestehe es gern,
daß ein jeder Mensch in der Anlage des Reizbaren, seine
besondre Verbindung mit der Beweglichkeit des Nerven-
sistems habe.

§. 14.
Die Fortpflanzung des Reizes.

Es ist gewis, daß sich der Reiz von einer Faser zur
andern fortpflanzt, und daß sich das ganze Gedärme weit
und breit zusammenzieht, wenn gleich nur wenige Fasern

vom
(c**) [Spaltenumbruch] Von reizbaren Frauens-
versonen bey gespannter und loser
[Spaltenumbruch] Haut, handelt A. de HAEN
diffic. p.
141.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.

Nun ſcheint die Urſache dieſes gedoppelten Unterſchie-
des in den feſten Theilen zu ſtekken, weil in einem und
eben demſelben Menſchen, wenn er gleich noch ſo fremd-
artige Speiſen genieſſet, immer einerley Beſchaffenheit da
iſt, und nach ſchweren Krankheiten, und wenn ſich der
Koͤrper an ſeinen Saͤften erſchoͤpft hat, eben die vorige
Miſchung wieder einſtellt. Es ſcheinen die Saͤfte, welche
die Gefaͤſſe unſers Koͤrpers durchwandern, mehr Gaͤſte,
als Theile von uns ſelbſt zu ſein. Folglich mus die Ur-
ſache in dem Leime verborgen liegen.

Von dieſer Sache laͤſt ſich nun die zwote und vor-
naͤmſte Urſache der verſchiednen Temperamenten herleiten.
Es ſcheint die Faͤhigkeit, heftige ſinnliche Eindruͤkke, wel-
che ſich mit einer Muſkelſtaͤrke verbinden, das choleriſche
Temperament auszumachen. Eben dieſe Faͤhigkeit, doch
bei einer ſchwachen Faſer (c**), macht das hipochondriſche
und hiſteriſche Temperament. Eine geringere Geſchikk-
lichkeit, zu den Bewegungen des Leibes und der Seele,
aber mit Staͤrke verbunden, ſcheint das ſangviniſche, und
bei einer ſchwachen Faſer, das phlegmatiſche Tempera-
ment hervorzubringen. Jch gebe hier von der Sache
blos die erſten Grundzuͤge, weil ich weis, wie noͤthig es
ſei, ſie ſtuͤkkweiſe durchzugehen, und ich geſtehe es gern,
daß ein jeder Menſch in der Anlage des Reizbaren, ſeine
beſondre Verbindung mit der Beweglichkeit des Nerven-
ſiſtems habe.

§. 14.
Die Fortpflanzung des Reizes.

Es iſt gewis, daß ſich der Reiz von einer Faſer zur
andern fortpflanzt, und daß ſich das ganze Gedaͤrme weit
und breit zuſammenzieht, wenn gleich nur wenige Faſern

vom
(c**) [Spaltenumbruch] Von reizbaren Frauens-
verſonen bey geſpannter und loſer
[Spaltenumbruch] Haut, handelt A. de HAEN
diffic. p.
141.
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[44/0062] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. Nun ſcheint die Urſache dieſes gedoppelten Unterſchie- des in den feſten Theilen zu ſtekken, weil in einem und eben demſelben Menſchen, wenn er gleich noch ſo fremd- artige Speiſen genieſſet, immer einerley Beſchaffenheit da iſt, und nach ſchweren Krankheiten, und wenn ſich der Koͤrper an ſeinen Saͤften erſchoͤpft hat, eben die vorige Miſchung wieder einſtellt. Es ſcheinen die Saͤfte, welche die Gefaͤſſe unſers Koͤrpers durchwandern, mehr Gaͤſte, als Theile von uns ſelbſt zu ſein. Folglich mus die Ur- ſache in dem Leime verborgen liegen. Von dieſer Sache laͤſt ſich nun die zwote und vor- naͤmſte Urſache der verſchiednen Temperamenten herleiten. Es ſcheint die Faͤhigkeit, heftige ſinnliche Eindruͤkke, wel- che ſich mit einer Muſkelſtaͤrke verbinden, das choleriſche Temperament auszumachen. Eben dieſe Faͤhigkeit, doch bei einer ſchwachen Faſer (c**), macht das hipochondriſche und hiſteriſche Temperament. Eine geringere Geſchikk- lichkeit, zu den Bewegungen des Leibes und der Seele, aber mit Staͤrke verbunden, ſcheint das ſangviniſche, und bei einer ſchwachen Faſer, das phlegmatiſche Tempera- ment hervorzubringen. Jch gebe hier von der Sache blos die erſten Grundzuͤge, weil ich weis, wie noͤthig es ſei, ſie ſtuͤkkweiſe durchzugehen, und ich geſtehe es gern, daß ein jeder Menſch in der Anlage des Reizbaren, ſeine beſondre Verbindung mit der Beweglichkeit des Nerven- ſiſtems habe. §. 14. Die Fortpflanzung des Reizes. Es iſt gewis, daß ſich der Reiz von einer Faſer zur andern fortpflanzt, und daß ſich das ganze Gedaͤrme weit und breit zuſammenzieht, wenn gleich nur wenige Faſern vom (c**) Von reizbaren Frauens- verſonen bey geſpannter und loſer Haut, handelt A. de HAEN diffic. p. 141.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/62>, abgerufen am 21.11.2024.