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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Das Gehör. XV. Buch.

Eine mit Schnee bedekkte Glokke (a) zittert, aber
klingt nicht, und ein mit Oel bestrichner Bogen (b)
macht zwar, wenn er eine Saite anstreicht daß solche
schwingen muß, aber nicht, daß sie klingen kan, weil sie
von dem weichen Streifstosse die Grundstoffe nicht in
ein Zittren bringt.

Ob wir gleich hier einige Dinge voraussezzen, welche
wir nachgehends erweisen wollen, so gehöret doch noch
ein anderer Versuch hieher, welcher zeiget, daß alle
Grundtheile eines klingenden Körpers, und nicht die
Oberfläche allein, das ihrige zum Schalle mit beitra-
gen. Damit ein Cilinder die Octave vom Thone eines
andern Cilinders von sich gebe, so muß derselbe nicht
noch einmal, sondern achtmal grösser seyn, und diese
Beschaffenheit hat es auch mit den Glokken und Cilin-
dern (c). Es müssen nämlich achtmal mehr Grundthei-
le zittren, wenn die Oktave des erstern gedoppelt sein
soll (d).

Es lässet sich das Zittren in den kleinsten Theilchen
leicht an den Fingern, und an einem nach Spirallinien
geschnittnen Glase (e) einfinden, und es erregt, wie ge-
sagt worden, an Gefässen voller Wasser, die gemeldete
Wellen (f) von denen man angemerkt hat, daß sie nicht
vom Umkreise gegen den Mittelpunkt gehen, wie von
einer einfachen Erweiterung des Glases geschehen müste,
sondern daß zugleich das ganze Wasser schwanke (g).

Weil also die Theilchen der sehr klingenden Körper
leichtlich von einander los lassen, so lassen sie sich auch

leicht-
(a) [Spaltenumbruch] ROUHAULT, num. 17.
MUSSCHENBROECK, n.
1413.
(b) MUSSCHENBROECK, n.
1409.
(c) MERSENN, harmon. L. I.
artic. II. p.
267. Die Negers
gebrauchen zur Musik hölzerne
Cilinder. LIGON, barbad. p. 49.
(d) [Spaltenumbruch] CARRE, mem. de l' acad.
1709. p.
58. 59.
(e) BOYLE, languid. and
unheeded motion.
(f) p. 250.
(g) BARTOLI, p. 140. 141.
Das Gehoͤr. XV. Buch.

Eine mit Schnee bedekkte Glokke (a) zittert, aber
klingt nicht, und ein mit Oel beſtrichner Bogen (b)
macht zwar, wenn er eine Saite anſtreicht daß ſolche
ſchwingen muß, aber nicht, daß ſie klingen kan, weil ſie
von dem weichen Streifſtoſſe die Grundſtoffe nicht in
ein Zittren bringt.

Ob wir gleich hier einige Dinge vorausſezzen, welche
wir nachgehends erweiſen wollen, ſo gehoͤret doch noch
ein anderer Verſuch hieher, welcher zeiget, daß alle
Grundtheile eines klingenden Koͤrpers, und nicht die
Oberflaͤche allein, das ihrige zum Schalle mit beitra-
gen. Damit ein Cilinder die Octave vom Thone eines
andern Cilinders von ſich gebe, ſo muß derſelbe nicht
noch einmal, ſondern achtmal groͤſſer ſeyn, und dieſe
Beſchaffenheit hat es auch mit den Glokken und Cilin-
dern (c). Es muͤſſen naͤmlich achtmal mehr Grundthei-
le zittren, wenn die Oktave des erſtern gedoppelt ſein
ſoll (d).

Es laͤſſet ſich das Zittren in den kleinſten Theilchen
leicht an den Fingern, und an einem nach Spirallinien
geſchnittnen Glaſe (e) einfinden, und es erregt, wie ge-
ſagt worden, an Gefaͤſſen voller Waſſer, die gemeldete
Wellen (f) von denen man angemerkt hat, daß ſie nicht
vom Umkreiſe gegen den Mittelpunkt gehen, wie von
einer einfachen Erweiterung des Glaſes geſchehen muͤſte,
ſondern daß zugleich das ganze Waſſer ſchwanke (g).

Weil alſo die Theilchen der ſehr klingenden Koͤrper
leichtlich von einander los laſſen, ſo laſſen ſie ſich auch

leicht-
(a) [Spaltenumbruch] ROUHAULT, num. 17.
MUSSCHENBROECK, n.
1413.
(b) MUSSCHENBROECK, n.
1409.
(c) MERSENN, harmon. L. I.
artic. II. p.
267. Die Negers
gebrauchen zur Muſik hoͤlzerne
Cilinder. LIGON, barbad. p. 49.
(d) [Spaltenumbruch] CARRE, mem. de l’ acad.
1709. p.
58. 59.
(e) BOYLE, languid. and
unheeded motion.
(f) p. 250.
(g) BARTOLI, p. 140. 141.
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[620/0638] Das Gehoͤr. XV. Buch. Eine mit Schnee bedekkte Glokke (a) zittert, aber klingt nicht, und ein mit Oel beſtrichner Bogen (b) macht zwar, wenn er eine Saite anſtreicht daß ſolche ſchwingen muß, aber nicht, daß ſie klingen kan, weil ſie von dem weichen Streifſtoſſe die Grundſtoffe nicht in ein Zittren bringt. Ob wir gleich hier einige Dinge vorausſezzen, welche wir nachgehends erweiſen wollen, ſo gehoͤret doch noch ein anderer Verſuch hieher, welcher zeiget, daß alle Grundtheile eines klingenden Koͤrpers, und nicht die Oberflaͤche allein, das ihrige zum Schalle mit beitra- gen. Damit ein Cilinder die Octave vom Thone eines andern Cilinders von ſich gebe, ſo muß derſelbe nicht noch einmal, ſondern achtmal groͤſſer ſeyn, und dieſe Beſchaffenheit hat es auch mit den Glokken und Cilin- dern (c). Es muͤſſen naͤmlich achtmal mehr Grundthei- le zittren, wenn die Oktave des erſtern gedoppelt ſein ſoll (d). Es laͤſſet ſich das Zittren in den kleinſten Theilchen leicht an den Fingern, und an einem nach Spirallinien geſchnittnen Glaſe (e) einfinden, und es erregt, wie ge- ſagt worden, an Gefaͤſſen voller Waſſer, die gemeldete Wellen (f) von denen man angemerkt hat, daß ſie nicht vom Umkreiſe gegen den Mittelpunkt gehen, wie von einer einfachen Erweiterung des Glaſes geſchehen muͤſte, ſondern daß zugleich das ganze Waſſer ſchwanke (g). Weil alſo die Theilchen der ſehr klingenden Koͤrper leichtlich von einander los laſſen, ſo laſſen ſie ſich auch leicht- (a) ROUHAULT, num. 17. MUSSCHENBROECK, n. 1413. (b) MUSSCHENBROECK, n. 1409. (c) MERSENN, harmon. L. I. artic. II. p. 267. Die Negers gebrauchen zur Muſik hoͤlzerne Cilinder. LIGON, barbad. p. 49. (d) CARRE, mem. de l’ acad. 1709. p. 58. 59. (e) BOYLE, languid. and unheeded motion. (f) p. 250. (g) BARTOLI, p. 140. 141.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/638>, abgerufen am 22.11.2024.