Hier antwortet man ebenfalls, daß die Seele Ein- drükke, welche sich einander gar zu ähnlich sind, nicht zu unterscheiden vermag; und daß zwei Ohren einander so gleich und ähnlich sind, daß auch das Maas der halb- zirklichen Kanäle (b) an beiden Seiten einerlei Grös- se hat.
Einige haben sich hier einer in der That feinen ana- tomischen Anmerkung bedient, und die Vereinigung der Gehörnerven in der Schreibefeder (c) dazu ange- wandt, wovon bereits die alten Zergliederer Erwä- nung thun (d).
Nun besizzen zwar die Ohren ungleiche Kräste (d*), und es haben berühmte Männer aus dieser Ungleich- heit (e) den Unterscheid eines nicht musikalischen Ohres, und einer falschen Stimme hergeleitet. Und so gewiß ist es auch, daß die meisten Menschen auf dem einen Ohre recht hören, auf dem andern aber fast taub sind. Allein diese Menschen vernehmen doch mit ihren unglei- chen Ohren nur einen einzigen Thon.
Und doch scheinet es hinreichend zu sein, daß ein klingender Körper durch beide Ohren, die Bebungen in gleichmäßiger Anzahl in den festen Theilen beider Ohren hervorbringt: und auf solche Art entstehen gleichmäßige Thöne, und die Seele kann die schwachen nicht unter- scheiden, so bald sie von den starken lebhaft gerührt wird. Durch diese Gründe sehe ich mich von neuem darinnen bestätiget, daß nicht unsere Nerven, denn die- se sind in dem einen Ohre oftmahls zärter, im andern hingegen callöser, sondern die festen Theile des innern Ohres von dem Thone zu beben veranlasset werden.
§. 12.
(b)[Spaltenumbruch]Idem p. 140. 141.
(c)Fascic. VII. tab. 3.
(d)G. a ZERBIS anat. p. 135.
(d*)VAN DER MONDE art. [Spaltenumbruch]
de perfectioner l' espece humaine II. p. 383.
(e)BUFFON Hist. natur. T. III. p. 345.
III. Abſchnitt. Werkzeug.
Hier antwortet man ebenfalls, daß die Seele Ein- druͤkke, welche ſich einander gar zu aͤhnlich ſind, nicht zu unterſcheiden vermag; und daß zwei Ohren einander ſo gleich und aͤhnlich ſind, daß auch das Maas der halb- zirklichen Kanaͤle (b) an beiden Seiten einerlei Groͤſ- ſe hat.
Einige haben ſich hier einer in der That feinen ana- tomiſchen Anmerkung bedient, und die Vereinigung der Gehoͤrnerven in der Schreibefeder (c) dazu ange- wandt, wovon bereits die alten Zergliederer Erwaͤ- nung thun (d).
Nun beſizzen zwar die Ohren ungleiche Kraͤſte (d*), und es haben beruͤhmte Maͤnner aus dieſer Ungleich- heit (e) den Unterſcheid eines nicht muſikaliſchen Ohres, und einer falſchen Stimme hergeleitet. Und ſo gewiß iſt es auch, daß die meiſten Menſchen auf dem einen Ohre recht hoͤren, auf dem andern aber faſt taub ſind. Allein dieſe Menſchen vernehmen doch mit ihren unglei- chen Ohren nur einen einzigen Thon.
Und doch ſcheinet es hinreichend zu ſein, daß ein klingender Koͤrper durch beide Ohren, die Bebungen in gleichmaͤßiger Anzahl in den feſten Theilen beider Ohren hervorbringt: und auf ſolche Art entſtehen gleichmaͤßige Thoͤne, und die Seele kann die ſchwachen nicht unter- ſcheiden, ſo bald ſie von den ſtarken lebhaft geruͤhrt wird. Durch dieſe Gruͤnde ſehe ich mich von neuem darinnen beſtaͤtiget, daß nicht unſere Nerven, denn die- ſe ſind in dem einen Ohre oftmahls zaͤrter, im andern hingegen calloͤſer, ſondern die feſten Theile des innern Ohres von dem Thone zu beben veranlaſſet werden.
§. 12.
(b)[Spaltenumbruch]Idem p. 140. 141.
(c)Faſcic. VII. tab. 3.
(d)G. a ZERBIS anat. p. 135.
(d*)VAN DER MONDE art. [Spaltenumbruch]
de perfectioner l’ eſpéce humaine II. p. 383.
(e)BUFFON Hiſt. natur. T. III. p. 345.
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III. Abſchnitt. Werkzeug.
Hier antwortet man ebenfalls, daß die Seele Ein-
druͤkke, welche ſich einander gar zu aͤhnlich ſind, nicht
zu unterſcheiden vermag; und daß zwei Ohren einander
ſo gleich und aͤhnlich ſind, daß auch das Maas der halb-
zirklichen Kanaͤle (b) an beiden Seiten einerlei Groͤſ-
ſe hat.
Einige haben ſich hier einer in der That feinen ana-
tomiſchen Anmerkung bedient, und die Vereinigung
der Gehoͤrnerven in der Schreibefeder (c) dazu ange-
wandt, wovon bereits die alten Zergliederer Erwaͤ-
nung thun (d).
Nun beſizzen zwar die Ohren ungleiche Kraͤſte (d*),
und es haben beruͤhmte Maͤnner aus dieſer Ungleich-
heit (e) den Unterſcheid eines nicht muſikaliſchen Ohres,
und einer falſchen Stimme hergeleitet. Und ſo gewiß
iſt es auch, daß die meiſten Menſchen auf dem einen
Ohre recht hoͤren, auf dem andern aber faſt taub ſind.
Allein dieſe Menſchen vernehmen doch mit ihren unglei-
chen Ohren nur einen einzigen Thon.
Und doch ſcheinet es hinreichend zu ſein, daß ein
klingender Koͤrper durch beide Ohren, die Bebungen in
gleichmaͤßiger Anzahl in den feſten Theilen beider Ohren
hervorbringt: und auf ſolche Art entſtehen gleichmaͤßige
Thoͤne, und die Seele kann die ſchwachen nicht unter-
ſcheiden, ſo bald ſie von den ſtarken lebhaft geruͤhrt
wird. Durch dieſe Gruͤnde ſehe ich mich von neuem
darinnen beſtaͤtiget, daß nicht unſere Nerven, denn die-
ſe ſind in dem einen Ohre oftmahls zaͤrter, im andern
hingegen calloͤſer, ſondern die feſten Theile des innern
Ohres von dem Thone zu beben veranlaſſet werden.
§. 12.
(b)
Idem p. 140. 141.
(c) Faſcic. VII. tab. 3.
(d) G. a ZERBIS anat. p. 135.
(d*) VAN DER MONDE art.
de perfectioner l’ eſpéce humaine
II. p. 383.
(e) BUFFON Hiſt. natur. T.
III. p. 345.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/717>, abgerufen am 22.11.2024.
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