öhr den unermeßlichen Tempel des unerkannten Got- tes halb übersehen kann, und daß die Strahlen von so viel Sonnen (x), die so weit von uns entfernet sind, daß wir dieses mit keinen Zahlen ausdrükken können, und die so unendlich groß sind, wenn sie auf unsere Erdkugel fal- len, ohne alle Unbequemlichkeit, und ohne sich unterein- ander zu verwirren, durch ein so kleines Loch durchgehen können, welches nicht grösser, als der zehnte Theil einer Linie ist.
Wenn ich dieses oftermals betrachtete, was im Se- hen vorgeht, so blieb ich zwar furchtsam, konnte mich aber kaum halten zu behaupten, daß nicht das Licht vom Lichte durchdrungen werde. Man sezze denn, die Sache ist an sich selbst so einfach, daß man dieselbe ohne Erweiß annehmen kann, man sezze sage ich, in ein Ge- mach tausend Spiegel, so werden sich alle gegen überlie- gende Objecten auf der Oberfläche dieser Spiegel bald so, bald anders abmahlen, nachdem das Auge dessen, wel- cher in den Spiegeln sieht, eine andere Stellung hat. Diese Objecten gelangen in Gestalt der Pyramiden ins Auge, deren Spizze die Hornhaut des Zuschauers, und die ganze Oberfläche des Spiegels, die Basis ist. Man nehme nun, wo man will, und in allen Punkten des Gemachs, sehende Augen an, so werden alle diese ein Bild sehen, und ein jedes wird seine Pyramide empfan- gen, welche also nothwendigerweise ihren Weg durch die Luft bis zum Auge hin genommen haben muß. Nun müssen sich diese Pyramiden auf tausend und tausenderlei Art einander durchkreuzzen, so daß sich in dem Zimmer kein Punkt gedenken läst, durch welchen sich nicht hun- dert und wieder hundert, mehr oder weniger breite Py- ramiden bewegen solten. Und dennoch kömmt eine jede ohne Verwirrung, ohne Abweichungen gleich vollständig,
gleich
(x)[Spaltenumbruch]MUSSCHENBROECK pag. 460 Er zeigt an einem Exempel, daß die Strahlen, dünner als ein [Spaltenumbruch]
Haar sind, wie I. ad. 5. 000. 000. 000. 000. 000. oder zu 5000. Billionen.
Das Licht. XVI. Buch.
oͤhr den unermeßlichen Tempel des unerkannten Got- tes halb uͤberſehen kann, und daß die Strahlen von ſo viel Sonnen (x), die ſo weit von uns entfernet ſind, daß wir dieſes mit keinen Zahlen ausdruͤkken koͤnnen, und die ſo unendlich groß ſind, wenn ſie auf unſere Erdkugel fal- len, ohne alle Unbequemlichkeit, und ohne ſich unterein- ander zu verwirren, durch ein ſo kleines Loch durchgehen koͤnnen, welches nicht groͤſſer, als der zehnte Theil einer Linie iſt.
Wenn ich dieſes oftermals betrachtete, was im Se- hen vorgeht, ſo blieb ich zwar furchtſam, konnte mich aber kaum halten zu behaupten, daß nicht das Licht vom Lichte durchdrungen werde. Man ſezze denn, die Sache iſt an ſich ſelbſt ſo einfach, daß man dieſelbe ohne Erweiß annehmen kann, man ſezze ſage ich, in ein Ge- mach tauſend Spiegel, ſo werden ſich alle gegen uͤberlie- gende Objecten auf der Oberflaͤche dieſer Spiegel bald ſo, bald anders abmahlen, nachdem das Auge deſſen, wel- cher in den Spiegeln ſieht, eine andere Stellung hat. Dieſe Objecten gelangen in Geſtalt der Pyramiden ins Auge, deren Spizze die Hornhaut des Zuſchauers, und die ganze Oberflaͤche des Spiegels, die Baſis iſt. Man nehme nun, wo man will, und in allen Punkten des Gemachs, ſehende Augen an, ſo werden alle dieſe ein Bild ſehen, und ein jedes wird ſeine Pyramide empfan- gen, welche alſo nothwendigerweiſe ihren Weg durch die Luft bis zum Auge hin genommen haben muß. Nun muͤſſen ſich dieſe Pyramiden auf tauſend und tauſenderlei Art einander durchkreuzzen, ſo daß ſich in dem Zimmer kein Punkt gedenken laͤſt, durch welchen ſich nicht hun- dert und wieder hundert, mehr oder weniger breite Py- ramiden bewegen ſolten. Und dennoch koͤmmt eine jede ohne Verwirrung, ohne Abweichungen gleich vollſtaͤndig,
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(x)[Spaltenumbruch]MUSSCHENBROECK pag. 460 Er zeigt an einem Exempel, daß die Strahlen, duͤnner als ein [Spaltenumbruch]
Haar ſind, wie I. ad. 5. 000. 000. 000. 000. 000. oder zu 5000. Billionen.
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Das Licht. XVI. Buch.
oͤhr den unermeßlichen Tempel des unerkannten Got-
tes halb uͤberſehen kann, und daß die Strahlen von ſo
viel Sonnen (x), die ſo weit von uns entfernet ſind, daß
wir dieſes mit keinen Zahlen ausdruͤkken koͤnnen, und die
ſo unendlich groß ſind, wenn ſie auf unſere Erdkugel fal-
len, ohne alle Unbequemlichkeit, und ohne ſich unterein-
ander zu verwirren, durch ein ſo kleines Loch durchgehen
koͤnnen, welches nicht groͤſſer, als der zehnte Theil einer
Linie iſt.
Wenn ich dieſes oftermals betrachtete, was im Se-
hen vorgeht, ſo blieb ich zwar furchtſam, konnte mich
aber kaum halten zu behaupten, daß nicht das Licht
vom Lichte durchdrungen werde. Man ſezze denn, die
Sache iſt an ſich ſelbſt ſo einfach, daß man dieſelbe ohne
Erweiß annehmen kann, man ſezze ſage ich, in ein Ge-
mach tauſend Spiegel, ſo werden ſich alle gegen uͤberlie-
gende Objecten auf der Oberflaͤche dieſer Spiegel bald
ſo, bald anders abmahlen, nachdem das Auge deſſen, wel-
cher in den Spiegeln ſieht, eine andere Stellung hat.
Dieſe Objecten gelangen in Geſtalt der Pyramiden ins
Auge, deren Spizze die Hornhaut des Zuſchauers, und
die ganze Oberflaͤche des Spiegels, die Baſis iſt. Man
nehme nun, wo man will, und in allen Punkten des
Gemachs, ſehende Augen an, ſo werden alle dieſe ein
Bild ſehen, und ein jedes wird ſeine Pyramide empfan-
gen, welche alſo nothwendigerweiſe ihren Weg durch
die Luft bis zum Auge hin genommen haben muß. Nun
muͤſſen ſich dieſe Pyramiden auf tauſend und tauſenderlei
Art einander durchkreuzzen, ſo daß ſich in dem Zimmer
kein Punkt gedenken laͤſt, durch welchen ſich nicht hun-
dert und wieder hundert, mehr oder weniger breite Py-
ramiden bewegen ſolten. Und dennoch koͤmmt eine jede
ohne Verwirrung, ohne Abweichungen gleich vollſtaͤndig,
gleich
(x)
MUSSCHENBROECK pag.
460 Er zeigt an einem Exempel,
daß die Strahlen, duͤnner als ein
Haar ſind, wie I. ad. 5. 000. 000.
000. 000. 000. oder zu 5000.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 916. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/934>, abgerufen am 22.11.2024.
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