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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Das Sehen. XVI. Buch.
es entwikkelt dieser Glaskörper in der That seine Kräfte,
wenn die Linse zerstöhret ist, und er ihre Stelle einnimmt:
Denn alsdenn nöthigt er selbst die Strahlen sich in der
Nezzhaut zu versammlen.

Man wird leicht gewahr, daß die Linse um so viel
kugliger sie ist, auch desto stärker die Strahlen brechen
werden, daß alsdenn der Brennpunkt näher sei, und daß
sich auch die schiefen und von der Seite ankommende
Strahlen in den Brennpunkt, oder wenigstens doch in ei-
ne kleine Linie brechen können. Es ist daher in den Fi-
schen, die in einen weniger erleuchteten Elemente leben,
da die Strahlen, die aus dem Wasser ankommen, und
nicht aus der Luft im Auge weniger gebrochen werden, als
in andern Thieren, die Linse fast eine ganze Kugel (p),
in der sich ein harter Kern befindet (q). Daher sieht
das Opossum, daß eine fast kugliche Linse hat, wenn die
Sonne hoch, und also viel Licht da ist, nicht gar zu wohl (r).

Jch weiß nicht, ob nicht Kepler (s), die brechende
Kraft der Crystallinse zu erst entdekket habe: und ob nicht
Felix Plater die Sache aus ihm erborget habe (t). Nach
ihm hat Scheiner (u) und Emilius Parisanus (x)
diese Natur der Linse für eine Neuigkeit ausgegeben.
Doch es gab schon zu des Vesals Zeite[n L]eute, welche
das Werkzeug des Sehens in die Nezzhaut sezzten (y):
Und er beweiset selbst, wiewol dunkel, er glaube nicht,
daß es in der Crystallinse sei (z). Es hielten nemlich die
Alten diese Linse für das Werkzeug des Sehens (a): wel-
ches sich aber leicht dadurch widerlegen läst, weil auch nach
Zerstörung der Linse, vermittelst des herausgezogenen

Staars,
(p) [Spaltenumbruch] SMITH remarks p. 11. POR-
TERFIELD II. p. 263. Conf. DU-
VERNEY posth. I. p.
154.
(q) PORTERFIELD T. II. pag.
265. 266.
(r) Phil. transact. n. 290.
(s) Dioptric Prop. 60.
(t) pag. 187.
(u) [Spaltenumbruch] Jn ganzen Buche.
(x) De visione p. 231.
(y) pag. 517.
(z) pag. 706.
(a) ORIBAS p. 32. CELSUS L.
VII. c. 7. n.
13. Und noch MI-
CHAELIUS p.
70.

Das Sehen. XVI. Buch.
es entwikkelt dieſer Glaskoͤrper in der That ſeine Kraͤfte,
wenn die Linſe zerſtoͤhret iſt, und er ihre Stelle einnimmt:
Denn alsdenn noͤthigt er ſelbſt die Strahlen ſich in der
Nezzhaut zu verſammlen.

Man wird leicht gewahr, daß die Linſe um ſo viel
kugliger ſie iſt, auch deſto ſtaͤrker die Strahlen brechen
werden, daß alsdenn der Brennpunkt naͤher ſei, und daß
ſich auch die ſchiefen und von der Seite ankommende
Strahlen in den Brennpunkt, oder wenigſtens doch in ei-
ne kleine Linie brechen koͤnnen. Es iſt daher in den Fi-
ſchen, die in einen weniger erleuchteten Elemente leben,
da die Strahlen, die aus dem Waſſer ankommen, und
nicht aus der Luft im Auge weniger gebrochen werden, als
in andern Thieren, die Linſe faſt eine ganze Kugel (p),
in der ſich ein harter Kern befindet (q). Daher ſieht
das Opoſſum, daß eine faſt kugliche Linſe hat, wenn die
Sonne hoch, und alſo viel Licht da iſt, nicht gar zu wohl (r).

Jch weiß nicht, ob nicht Kepler (s), die brechende
Kraft der Cryſtallinſe zu erſt entdekket habe: und ob nicht
Felix Plater die Sache aus ihm erborget habe (t). Nach
ihm hat Scheiner (u) und Emilius Pariſanus (x)
dieſe Natur der Linſe fuͤr eine Neuigkeit ausgegeben.
Doch es gab ſchon zu des Veſals Zeite[n L]eute, welche
das Werkzeug des Sehens in die Nezzhaut ſezzten (y):
Und er beweiſet ſelbſt, wiewol dunkel, er glaube nicht,
daß es in der Cryſtallinſe ſei (z). Es hielten nemlich die
Alten dieſe Linſe fuͤr das Werkzeug des Sehens (a): wel-
ches ſich aber leicht dadurch widerlegen laͤſt, weil auch nach
Zerſtoͤrung der Linſe, vermittelſt des herausgezogenen

Staars,
(p) [Spaltenumbruch] SMITH remarks p. 11. POR-
TERFIELD II. p. 263. Conf. DU-
VERNEY poſth. I. p.
154.
(q) PORTERFIELD T. II. pag.
265. 266.
(r) Phil. tranſact. n. 290.
(s) Dioptric Prop. 60.
(t) pag. 187.
(u) [Spaltenumbruch] Jn ganzen Buche.
(x) De viſione p. 231.
(y) pag. 517.
(z) pag. 706.
(a) ORIBAS p. 32. CELSUS L.
VII. c. 7. n.
13. Und noch MI-
CHAELIUS p.
70.
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[952/0970] Das Sehen. XVI. Buch. es entwikkelt dieſer Glaskoͤrper in der That ſeine Kraͤfte, wenn die Linſe zerſtoͤhret iſt, und er ihre Stelle einnimmt: Denn alsdenn noͤthigt er ſelbſt die Strahlen ſich in der Nezzhaut zu verſammlen. Man wird leicht gewahr, daß die Linſe um ſo viel kugliger ſie iſt, auch deſto ſtaͤrker die Strahlen brechen werden, daß alsdenn der Brennpunkt naͤher ſei, und daß ſich auch die ſchiefen und von der Seite ankommende Strahlen in den Brennpunkt, oder wenigſtens doch in ei- ne kleine Linie brechen koͤnnen. Es iſt daher in den Fi- ſchen, die in einen weniger erleuchteten Elemente leben, da die Strahlen, die aus dem Waſſer ankommen, und nicht aus der Luft im Auge weniger gebrochen werden, als in andern Thieren, die Linſe faſt eine ganze Kugel (p), in der ſich ein harter Kern befindet (q). Daher ſieht das Opoſſum, daß eine faſt kugliche Linſe hat, wenn die Sonne hoch, und alſo viel Licht da iſt, nicht gar zu wohl (r). Jch weiß nicht, ob nicht Kepler (s), die brechende Kraft der Cryſtallinſe zu erſt entdekket habe: und ob nicht Felix Plater die Sache aus ihm erborget habe (t). Nach ihm hat Scheiner (u) und Emilius Pariſanus (x) dieſe Natur der Linſe fuͤr eine Neuigkeit ausgegeben. Doch es gab ſchon zu des Veſals Zeiten Leute, welche das Werkzeug des Sehens in die Nezzhaut ſezzten (y): Und er beweiſet ſelbſt, wiewol dunkel, er glaube nicht, daß es in der Cryſtallinſe ſei (z). Es hielten nemlich die Alten dieſe Linſe fuͤr das Werkzeug des Sehens (a): wel- ches ſich aber leicht dadurch widerlegen laͤſt, weil auch nach Zerſtoͤrung der Linſe, vermittelſt des herausgezogenen Staars, (p) SMITH remarks p. 11. POR- TERFIELD II. p. 263. Conf. DU- VERNEY poſth. I. p. 154. (q) PORTERFIELD T. II. pag. 265. 266. (r) Phil. tranſact. n. 290. (s) Dioptric Prop. 60. (t) pag. 187. (u) Jn ganzen Buche. (x) De viſione p. 231. (y) pag. 517. (z) pag. 706. (a) ORIBAS p. 32. CELSUS L. VII. c. 7. n. 13. Und noch MI- CHAELIUS p. 70.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 952. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/970>, abgerufen am 22.11.2024.