Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Sehen. XVI. Buch.
Mariotti nichts zur Sache. Denn es befindet sich an
der blinden Stelle, oder im Eintritte des Sehnervens kei-
ne Nezzhaut (o): Sondern es ist, wie ich bereits vor
zwanzig Jahren erinnert habe (p), eine weisse, sächrige
und poröse Membran, und wenn man diese nur betrach-
tet, so wird man der Nezzhaut schon ihre Untauglichkeit
nicht zuschulden kommen lassen.

Ferner ist das Argument ganz zu verläßig, wenn
man zeigt, daß die Lichtstrahlen in den meisten Thieren
überhaupt zur Aderhaut nicht hinkommen. Jch habe nicht
nur im Menschen, sondern auch in Vögeln, wie im Rei-
her, sonderlich aber in den Fischen gesehen, daß die ganze
inwendige Fläche der Aderhaut mit einem sehr schwarzen
Schleim angestrichen ist, welcher in einem recht preparir-
ten Auge, eine halbkuglige Ründe (r) macht, womit die
Nezzhaut dergestalt überzogen ist, daß man glauben sollte,
sie wäre mit einer schwarzen Membran überkleidet (s),
und es verstattet dieser Schleim denen Strahlen keine Ge-
meinschaft mit der ruysischen Platte der Aderhaut.

Wenn ja das Licht die Oberhand bekäme, dieses kann
es aber überhaupt nicht thun, so würde doch diese Ver-
schanzung, auf die braune, zottige und lederartige Ober-
fläche der ruysischen Haut, und unter derselben auf ei-
ne unglaubliche Menge Gefässe, aber auf keine oder sehr
wenig Nerven treffen, welche nirgendwo eine zusammen-
hängende Breite machen könnten, die ein Bild aufzu-
fangen geschikkt wäre. Es bedekkt auch in den meisten
wilden Thieren diese Tapete, den nächsten auswendigen
Theil des Sehnervens, welcher wirklich siehet von allen

Sei-
(o) [Spaltenumbruch] Besiehe daher KRUEGER de
sensatione pag. 21. physiolog. pag.

562.
(p) Comm. ad BOERHAAVE
T. IV. p.
467.
(r) pag. 383.
(s) [Spaltenumbruch] Es scheinet die Haut schwarz
zu sein, die im Stokkfische cabel-
jauw CL. GUENELLON
zwischen
der Nezz- und Aderhaut sezzt. Nouv.
de la Repub. des letres 1686. m.
Mars p.
321. Davon schrieb ohn
längst CL. GATAKER p. 57.

Das Sehen. XVI. Buch.
Mariotti nichts zur Sache. Denn es befindet ſich an
der blinden Stelle, oder im Eintritte des Sehnervens kei-
ne Nezzhaut (o): Sondern es iſt, wie ich bereits vor
zwanzig Jahren erinnert habe (p), eine weiſſe, ſaͤchrige
und poroͤſe Membran, und wenn man dieſe nur betrach-
tet, ſo wird man der Nezzhaut ſchon ihre Untauglichkeit
nicht zuſchulden kommen laſſen.

Ferner iſt das Argument ganz zu verlaͤßig, wenn
man zeigt, daß die Lichtſtrahlen in den meiſten Thieren
uͤberhaupt zur Aderhaut nicht hinkommen. Jch habe nicht
nur im Menſchen, ſondern auch in Voͤgeln, wie im Rei-
her, ſonderlich aber in den Fiſchen geſehen, daß die ganze
inwendige Flaͤche der Aderhaut mit einem ſehr ſchwarzen
Schleim angeſtrichen iſt, welcher in einem recht preparir-
ten Auge, eine halbkuglige Ruͤnde (r) macht, womit die
Nezzhaut dergeſtalt uͤberzogen iſt, daß man glauben ſollte,
ſie waͤre mit einer ſchwarzen Membran uͤberkleidet (s),
und es verſtattet dieſer Schleim denen Strahlen keine Ge-
meinſchaft mit der ruyſiſchen Platte der Aderhaut.

Wenn ja das Licht die Oberhand bekaͤme, dieſes kann
es aber uͤberhaupt nicht thun, ſo wuͤrde doch dieſe Ver-
ſchanzung, auf die braune, zottige und lederartige Ober-
flaͤche der ruyſiſchen Haut, und unter derſelben auf ei-
ne unglaubliche Menge Gefaͤſſe, aber auf keine oder ſehr
wenig Nerven treffen, welche nirgendwo eine zuſammen-
haͤngende Breite machen koͤnnten, die ein Bild aufzu-
fangen geſchikkt waͤre. Es bedekkt auch in den meiſten
wilden Thieren dieſe Tapete, den naͤchſten auswendigen
Theil des Sehnervens, welcher wirklich ſiehet von allen

Sei-
(o) [Spaltenumbruch] Beſiehe daher KRUEGER de
ſenſatione pag. 21. phyſiolog. pag.

562.
(p) Comm. ad BOERHAAVE
T. IV. p.
467.
(r) pag. 383.
(s) [Spaltenumbruch] Es ſcheinet die Haut ſchwarz
zu ſein, die im Stokkfiſche cabel-
jauw CL. GUENELLON
zwiſchen
der Nezz- und Aderhaut ſezzt. Nouv.
de la Repub. des letres 1686. m.
Mars p.
321. Davon ſchrieb ohn
laͤngſt CL. GATAKER p. 57.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0980" n="962"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Sehen. <hi rendition="#aq">XVI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Mariotti</hi> nichts zur Sache. Denn es befindet &#x017F;ich an<lb/>
der blinden Stelle, oder im Eintritte des Sehnervens kei-<lb/>
ne Nezzhaut <note place="foot" n="(o)"><cb/>
Be&#x017F;iehe daher <hi rendition="#aq">KRUEGER de<lb/>
&#x017F;en&#x017F;atione pag. 21. phy&#x017F;iolog. pag.</hi><lb/>
562.</note>: Sondern es i&#x017F;t, wie ich bereits vor<lb/>
zwanzig Jahren erinnert habe <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">Comm. ad BOERHAAVE<lb/>
T. IV. p.</hi> 467.</note>, eine wei&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;a&#x0364;chrige<lb/>
und poro&#x0364;&#x017F;e Membran, und wenn man die&#x017F;e nur betrach-<lb/>
tet, &#x017F;o wird man der Nezzhaut &#x017F;chon ihre Untauglichkeit<lb/>
nicht zu&#x017F;chulden kommen la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Ferner i&#x017F;t das Argument ganz zu verla&#x0364;ßig, wenn<lb/>
man zeigt, daß die Licht&#x017F;trahlen in den mei&#x017F;ten Thieren<lb/>
u&#x0364;berhaupt zur Aderhaut nicht hinkommen. Jch habe nicht<lb/>
nur im Men&#x017F;chen, &#x017F;ondern auch in Vo&#x0364;geln, wie im Rei-<lb/>
her, &#x017F;onderlich aber in den Fi&#x017F;chen ge&#x017F;ehen, daß die ganze<lb/>
inwendige Fla&#x0364;che der Aderhaut mit einem &#x017F;ehr &#x017F;chwarzen<lb/>
Schleim ange&#x017F;trichen i&#x017F;t, welcher in einem recht preparir-<lb/>
ten Auge, eine halbkuglige Ru&#x0364;nde <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 383.</note> macht, womit die<lb/>
Nezzhaut derge&#x017F;talt u&#x0364;berzogen i&#x017F;t, daß man glauben &#x017F;ollte,<lb/>
&#x017F;ie wa&#x0364;re mit einer &#x017F;chwarzen Membran u&#x0364;berkleidet <note place="foot" n="(s)"><cb/>
Es &#x017F;cheinet die Haut &#x017F;chwarz<lb/>
zu &#x017F;ein, die im Stokkfi&#x017F;che <hi rendition="#aq">cabel-<lb/>
jauw CL. GUENELLON</hi> zwi&#x017F;chen<lb/>
der Nezz- und Aderhaut &#x017F;ezzt. <hi rendition="#aq">Nouv.<lb/>
de la Repub. des letres 1686. m.<lb/>
Mars p.</hi> 321. Davon &#x017F;chrieb ohn<lb/>
la&#x0364;ng&#x017F;t <hi rendition="#aq">CL. GATAKER p.</hi> 57.</note>,<lb/>
und es ver&#x017F;tattet die&#x017F;er Schleim denen Strahlen keine Ge-<lb/>
mein&#x017F;chaft mit der <hi rendition="#fr">ruy&#x017F;i&#x017F;chen</hi> Platte der Aderhaut.</p><lb/>
            <p>Wenn ja das Licht die Oberhand beka&#x0364;me, die&#x017F;es kann<lb/>
es aber u&#x0364;berhaupt nicht thun, &#x017F;o wu&#x0364;rde doch die&#x017F;e Ver-<lb/>
&#x017F;chanzung, auf die braune, zottige und lederartige Ober-<lb/>
fla&#x0364;che der <hi rendition="#fr">ruy&#x017F;i&#x017F;chen</hi> Haut, und unter der&#x017F;elben auf ei-<lb/>
ne unglaubliche Menge Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, aber auf keine oder &#x017F;ehr<lb/>
wenig Nerven treffen, welche nirgendwo eine zu&#x017F;ammen-<lb/>
ha&#x0364;ngende Breite machen ko&#x0364;nnten, die ein Bild aufzu-<lb/>
fangen ge&#x017F;chikkt wa&#x0364;re. Es bedekkt auch in den mei&#x017F;ten<lb/>
wilden Thieren die&#x017F;e Tapete, den na&#x0364;ch&#x017F;ten auswendigen<lb/>
Theil des Sehnervens, welcher wirklich &#x017F;iehet von allen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sei-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[962/0980] Das Sehen. XVI. Buch. Mariotti nichts zur Sache. Denn es befindet ſich an der blinden Stelle, oder im Eintritte des Sehnervens kei- ne Nezzhaut (o): Sondern es iſt, wie ich bereits vor zwanzig Jahren erinnert habe (p), eine weiſſe, ſaͤchrige und poroͤſe Membran, und wenn man dieſe nur betrach- tet, ſo wird man der Nezzhaut ſchon ihre Untauglichkeit nicht zuſchulden kommen laſſen. Ferner iſt das Argument ganz zu verlaͤßig, wenn man zeigt, daß die Lichtſtrahlen in den meiſten Thieren uͤberhaupt zur Aderhaut nicht hinkommen. Jch habe nicht nur im Menſchen, ſondern auch in Voͤgeln, wie im Rei- her, ſonderlich aber in den Fiſchen geſehen, daß die ganze inwendige Flaͤche der Aderhaut mit einem ſehr ſchwarzen Schleim angeſtrichen iſt, welcher in einem recht preparir- ten Auge, eine halbkuglige Ruͤnde (r) macht, womit die Nezzhaut dergeſtalt uͤberzogen iſt, daß man glauben ſollte, ſie waͤre mit einer ſchwarzen Membran uͤberkleidet (s), und es verſtattet dieſer Schleim denen Strahlen keine Ge- meinſchaft mit der ruyſiſchen Platte der Aderhaut. Wenn ja das Licht die Oberhand bekaͤme, dieſes kann es aber uͤberhaupt nicht thun, ſo wuͤrde doch dieſe Ver- ſchanzung, auf die braune, zottige und lederartige Ober- flaͤche der ruyſiſchen Haut, und unter derſelben auf ei- ne unglaubliche Menge Gefaͤſſe, aber auf keine oder ſehr wenig Nerven treffen, welche nirgendwo eine zuſammen- haͤngende Breite machen koͤnnten, die ein Bild aufzu- fangen geſchikkt waͤre. Es bedekkt auch in den meiſten wilden Thieren dieſe Tapete, den naͤchſten auswendigen Theil des Sehnervens, welcher wirklich ſiehet von allen Sei- (o) Beſiehe daher KRUEGER de ſenſatione pag. 21. phyſiolog. pag. 562. (p) Comm. ad BOERHAAVE T. IV. p. 467. (r) pag. 383. (s) Es ſcheinet die Haut ſchwarz zu ſein, die im Stokkfiſche cabel- jauw CL. GUENELLON zwiſchen der Nezz- und Aderhaut ſezzt. Nouv. de la Repub. des letres 1686. m. Mars p. 321. Davon ſchrieb ohn laͤngſt CL. GATAKER p. 57.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/980
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 962. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/980>, abgerufen am 22.11.2024.