Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Sehen. XVI. Buch.
eine einzige Empfindung und eine einfache Vorstellung
dieses Körpers entstehe.

Die Alten bedienten sich (e) um diese Erscheinung zu
erklären der beiden Sehnerven.

Andere meinen, daß ein einziges entstehe, weil wir
überhaupt nur mit einem Auge sehen (f), und alles dop-
pelt sehen würden, wofern wir beide Augen brauchten.
Andere sagen, weil die Seele das Object sehe, in dem
Zwischendurchschnitte der Achse (f*) beider Augen.

Andere, weil die Fasern der Nezzhaut auf verschiede-
ne Weise gespannt, und die äussersten Fasern des rechten
Auges mit der äussersten des linken, so wie die innersten
mit den innersten, und die übrigen mit ihren gleicharti-
gen gespannt sind. Wenn daher an dem rechten und
linken Auge, harmonische Seiten (g) von den Strahlen
des sichtbaren Objects getroffen werden, so entstehet nur
eine einzige Empfindung: Hingegen werden alle Dinge
doppelt, wenn am rechten Auge andere, und am linken
wieder andere Fasern getroffen werden. Die Neuern
wißen dieses so zu deuten, daß sie die Fasern weglassen,
und correspondirende Punkte an der Nezzhaut annehmen
(h), welche in beiden Augen von gefärbten Strahlen ge-
troffen werden, und sie glauben, daß sie Dinge doppelt
sehen, wenn sich das Bild nicht in gleichartigen Punkte
beider Augen abmahlet (i).

Andere läugnen überhaupt, daß man im Auge das
Sehen verrichten könne, oder ausser den Augen, sondern

es
(e) [Spaltenumbruch] GALENUS de us. part. L.
X. c.
14. Zu unsrer Zeit TAY-
LOR mecan p.
106. 107. Wieder-
legts PORTERFIELD I. p. 195.
(f) Le CLERC systeme art. 2.
point de vue p.
42.
(f*) MUSSCHENBROECK,
PORTERFIELD Essays of. Edimb.
T. III. p. 233. on the Eye I. p.

195.
(g) [Spaltenumbruch] BRIGGS nouv. vision theor.
RIGIS, ROUHAULT.
(h) La HIRF accidens de la vue
p. 623. SMITH n. 137. BUFFON
T. III. p. 310. KLAUHOLD vis.
dupl. S' GRAVEZANDE n. 3105.
HARTLEY p. 265. PORTERFIELD
II. p.
309. Durch einen Versuch
le CAT p. 427
(i) De la HIRE p. 540. &c.

Das Sehen. XVI. Buch.
eine einzige Empfindung und eine einfache Vorſtellung
dieſes Koͤrpers entſtehe.

Die Alten bedienten ſich (e) um dieſe Erſcheinung zu
erklaͤren der beiden Sehnerven.

Andere meinen, daß ein einziges entſtehe, weil wir
uͤberhaupt nur mit einem Auge ſehen (f), und alles dop-
pelt ſehen wuͤrden, wofern wir beide Augen brauchten.
Andere ſagen, weil die Seele das Object ſehe, in dem
Zwiſchendurchſchnitte der Achſe (f*) beider Augen.

Andere, weil die Faſern der Nezzhaut auf verſchiede-
ne Weiſe geſpannt, und die aͤuſſerſten Faſern des rechten
Auges mit der aͤuſſerſten des linken, ſo wie die innerſten
mit den innerſten, und die uͤbrigen mit ihren gleicharti-
gen geſpannt ſind. Wenn daher an dem rechten und
linken Auge, harmoniſche Seiten (g) von den Strahlen
des ſichtbaren Objects getroffen werden, ſo entſtehet nur
eine einzige Empfindung: Hingegen werden alle Dinge
doppelt, wenn am rechten Auge andere, und am linken
wieder andere Faſern getroffen werden. Die Neuern
wißen dieſes ſo zu deuten, daß ſie die Faſern weglaſſen,
und correſpondirende Punkte an der Nezzhaut annehmen
(h), welche in beiden Augen von gefaͤrbten Strahlen ge-
troffen werden, und ſie glauben, daß ſie Dinge doppelt
ſehen, wenn ſich das Bild nicht in gleichartigen Punkte
beider Augen abmahlet (i).

Andere laͤugnen uͤberhaupt, daß man im Auge das
Sehen verrichten koͤnne, oder auſſer den Augen, ſondern

es
(e) [Spaltenumbruch] GALENUS de uſ. part. L.
X. c.
14. Zu unſrer Zeit TAY-
LOR mecan p.
106. 107. Wieder-
legts PORTERFIELD I. p. 195.
(f) Le CLERC ſyſteme art. 2.
point de vue p.
42.
(f*) MUSSCHENBROECK,
PORTERFIELD Eſſays of. Edimb.
T. III. p. 233. on the Eye I. p.

195.
(g) [Spaltenumbruch] BRIGGS nouv. viſion theor.
RIGIS, ROUHAULT.
(h) La HIRF accidens de la vue
p. 623. SMITH n. 137. BUFFON
T. III. p. 310. KLAUHOLD viſ.
dupl. S’ GRAVEZANDE n. 3105.
HARTLEY p. 265. PORTERFIELD
II. p.
309. Durch einen Verſuch
le CAT p. 427
(i) De la HIRE p. 540. &c.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0994" n="976"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Sehen. <hi rendition="#aq">XVI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
eine einzige Empfindung und eine einfache Vor&#x017F;tellung<lb/>
die&#x017F;es Ko&#x0364;rpers ent&#x017F;tehe.</p><lb/>
              <p>Die Alten bedienten &#x017F;ich <note place="foot" n="(e)"><cb/><hi rendition="#aq">GALENUS de u&#x017F;. part. L.<lb/>
X. c.</hi> 14. Zu un&#x017F;rer Zeit <hi rendition="#aq">TAY-<lb/>
LOR mecan p.</hi> 106. 107. Wieder-<lb/>
legts <hi rendition="#aq">PORTERFIELD I. p.</hi> 195.</note> um die&#x017F;e Er&#x017F;cheinung zu<lb/>
erkla&#x0364;ren der beiden Sehnerven.</p><lb/>
              <p>Andere meinen, daß ein einziges ent&#x017F;tehe, weil wir<lb/>
u&#x0364;berhaupt nur mit einem Auge &#x017F;ehen <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq">Le CLERC &#x017F;y&#x017F;teme art. 2.<lb/>
point de vue p.</hi> 42.</note>, und alles dop-<lb/>
pelt &#x017F;ehen wu&#x0364;rden, wofern wir beide Augen brauchten.<lb/>
Andere &#x017F;agen, weil die Seele das Object &#x017F;ehe, in dem<lb/>
Zwi&#x017F;chendurch&#x017F;chnitte der Ach&#x017F;e <note place="foot" n="(f*)"><hi rendition="#aq">MUSSCHENBROECK,<lb/>
PORTERFIELD E&#x017F;&#x017F;ays of. Edimb.<lb/>
T. III. p. 233. on the Eye I. p.</hi><lb/>
195.</note> beider Augen.</p><lb/>
              <p>Andere, weil die Fa&#x017F;ern der Nezzhaut auf ver&#x017F;chiede-<lb/>
ne Wei&#x017F;e ge&#x017F;pannt, und die a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten Fa&#x017F;ern des rechten<lb/>
Auges mit der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er&#x017F;ten des linken, &#x017F;o wie die inner&#x017F;ten<lb/>
mit den inner&#x017F;ten, und die u&#x0364;brigen mit ihren gleicharti-<lb/>
gen ge&#x017F;pannt &#x017F;ind. Wenn daher an dem rechten und<lb/>
linken Auge, harmoni&#x017F;che Seiten <note place="foot" n="(g)"><cb/><hi rendition="#aq">BRIGGS nouv. vi&#x017F;ion theor.<lb/>
RIGIS, ROUHAULT.</hi></note> von den Strahlen<lb/>
des &#x017F;ichtbaren Objects getroffen werden, &#x017F;o ent&#x017F;tehet nur<lb/>
eine einzige Empfindung: Hingegen werden alle Dinge<lb/>
doppelt, wenn am rechten Auge andere, und am linken<lb/>
wieder andere Fa&#x017F;ern getroffen werden. Die Neuern<lb/>
wißen die&#x017F;es &#x017F;o zu deuten, daß &#x017F;ie die Fa&#x017F;ern wegla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und corre&#x017F;pondirende Punkte an der Nezzhaut annehmen<lb/><note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#aq">La HIRF accidens de la vue<lb/>
p. 623. SMITH n. 137. BUFFON<lb/>
T. III. p. 310. KLAUHOLD vi&#x017F;.<lb/>
dupl. S&#x2019; GRAVEZANDE n. 3105.<lb/>
HARTLEY p. 265. PORTERFIELD<lb/>
II. p.</hi> 309. Durch einen Ver&#x017F;uch<lb/><hi rendition="#aq">le CAT p.</hi> 427</note>, welche in beiden Augen von gefa&#x0364;rbten Strahlen ge-<lb/>
troffen werden, und &#x017F;ie glauben, daß &#x017F;ie Dinge doppelt<lb/>
&#x017F;ehen, wenn &#x017F;ich das Bild nicht in gleichartigen Punkte<lb/>
beider Augen abmahlet <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">De la HIRE p. 540. &amp;c.</hi></note>.</p><lb/>
              <p>Andere la&#x0364;ugnen u&#x0364;berhaupt, daß man im Auge das<lb/>
Sehen verrichten ko&#x0364;nne, oder au&#x017F;&#x017F;er den Augen, &#x017F;ondern<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[976/0994] Das Sehen. XVI. Buch. eine einzige Empfindung und eine einfache Vorſtellung dieſes Koͤrpers entſtehe. Die Alten bedienten ſich (e) um dieſe Erſcheinung zu erklaͤren der beiden Sehnerven. Andere meinen, daß ein einziges entſtehe, weil wir uͤberhaupt nur mit einem Auge ſehen (f), und alles dop- pelt ſehen wuͤrden, wofern wir beide Augen brauchten. Andere ſagen, weil die Seele das Object ſehe, in dem Zwiſchendurchſchnitte der Achſe (f*) beider Augen. Andere, weil die Faſern der Nezzhaut auf verſchiede- ne Weiſe geſpannt, und die aͤuſſerſten Faſern des rechten Auges mit der aͤuſſerſten des linken, ſo wie die innerſten mit den innerſten, und die uͤbrigen mit ihren gleicharti- gen geſpannt ſind. Wenn daher an dem rechten und linken Auge, harmoniſche Seiten (g) von den Strahlen des ſichtbaren Objects getroffen werden, ſo entſtehet nur eine einzige Empfindung: Hingegen werden alle Dinge doppelt, wenn am rechten Auge andere, und am linken wieder andere Faſern getroffen werden. Die Neuern wißen dieſes ſo zu deuten, daß ſie die Faſern weglaſſen, und correſpondirende Punkte an der Nezzhaut annehmen (h), welche in beiden Augen von gefaͤrbten Strahlen ge- troffen werden, und ſie glauben, daß ſie Dinge doppelt ſehen, wenn ſich das Bild nicht in gleichartigen Punkte beider Augen abmahlet (i). Andere laͤugnen uͤberhaupt, daß man im Auge das Sehen verrichten koͤnne, oder auſſer den Augen, ſondern es (e) GALENUS de uſ. part. L. X. c. 14. Zu unſrer Zeit TAY- LOR mecan p. 106. 107. Wieder- legts PORTERFIELD I. p. 195. (f) Le CLERC ſyſteme art. 2. point de vue p. 42. (f*) MUSSCHENBROECK, PORTERFIELD Eſſays of. Edimb. T. III. p. 233. on the Eye I. p. 195. (g) BRIGGS nouv. viſion theor. RIGIS, ROUHAULT. (h) La HIRF accidens de la vue p. 623. SMITH n. 137. BUFFON T. III. p. 310. KLAUHOLD viſ. dupl. S’ GRAVEZANDE n. 3105. HARTLEY p. 265. PORTERFIELD II. p. 309. Durch einen Verſuch le CAT p. 427 (i) De la HIRE p. 540. &c.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/994
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 976. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/994>, abgerufen am 22.11.2024.