der entblösten Haut vornimmt, leicht beurteilen, wie scharf eine solche Menge Nerven empfinden müsse, die zwar nicht völlig blos liegen, aber sich dennoch an einan- der reiben. Dieses möchte ich nicht blos dem linken Magenmunde zuschreiben (a).
Hieraus ersieht man auch, warum der Hunger so langsam und langwierig in dem Schlangengeschlechte ist (b), welches von diesem Reiben fast ganz und gar nichts weis, weil sein Magen wenig fleischig ist, und der Unterleib und das Zwerchfell überhaupt gar keine Kraft äussert. Warum an dem Kapaunen (c), den ich zum Exempel anführe, der Tod am allergeschwindesten erfolgt, und warum er geschwinder, als an dem Hunde, der Kaz- ze und andern fleischfressenden erfolgt (d). Die Ursache ist, weil das Hünergeschlecht ein stärkeres Magenreiben besizzet, als irgend eine Gattung der vierfüßigen Thiere. Auch die Jnsekten (e), die eine geringere peristaltische Be- wegung haben, fülen den Winter über keinen Hunger, hin- gegen im Sommer desto mehr (f), je heisser die Witte- rung ist (g).
Was den Magensaft belangt, so muß ich damit schon mehr an mir halten. Freilich ist derselbe in Fastenden überflüßig vorhanden, er flist aus dem Munde hervor, und er wird schärfer; ja man glaubt im Hunger eine Art von Nagen zu empfinden. Da es aber dennoch ge- wis ist, daß diese Flüßigkeit in die Natur der laugen- haften Dinge einschlägt (h), das Alkalische aber den Ap- petit vielmehr verringert, und die Säure der Lust zum Essen offenbar vielmehr angemessen ist, so will ich lieber glauben, daß der Magensaft, so oft derselbe durch ein
langes
(a)[Spaltenumbruch]Conf. DUVERNEY II. p. 184.
(b)p. 169.
(c)p. 176. 170.
(d)p. 170. von der bittern Gal- le im Magen verging der Appetit BONNET.
(e)[Spaltenumbruch]LYONNET p. 255.
(f)BAKER p. 137. 142. von den Polipen TREMBLEY p. 114. 116.
(g)TREMBLEY p. 186.
(h)p. 143.
S 5
II. Abſchnitt. Hunger und Durſt.
der entbloͤſten Haut vornimmt, leicht beurteilen, wie ſcharf eine ſolche Menge Nerven empfinden muͤſſe, die zwar nicht voͤllig blos liegen, aber ſich dennoch an einan- der reiben. Dieſes moͤchte ich nicht blos dem linken Magenmunde zuſchreiben (a).
Hieraus erſieht man auch, warum der Hunger ſo langſam und langwierig in dem Schlangengeſchlechte iſt (b), welches von dieſem Reiben faſt ganz und gar nichts weis, weil ſein Magen wenig fleiſchig iſt, und der Unterleib und das Zwerchfell uͤberhaupt gar keine Kraft aͤuſſert. Warum an dem Kapaunen (c), den ich zum Exempel anfuͤhre, der Tod am allergeſchwindeſten erfolgt, und warum er geſchwinder, als an dem Hunde, der Kaz- ze und andern fleiſchfreſſenden erfolgt (d). Die Urſache iſt, weil das Huͤnergeſchlecht ein ſtaͤrkeres Magenreiben beſizzet, als irgend eine Gattung der vierfuͤßigen Thiere. Auch die Jnſekten (e), die eine geringere periſtaltiſche Be- wegung haben, fuͤlen den Winter uͤber keinen Hunger, hin- gegen im Sommer deſto mehr (f), je heiſſer die Witte- rung iſt (g).
Was den Magenſaft belangt, ſo muß ich damit ſchon mehr an mir halten. Freilich iſt derſelbe in Faſtenden uͤberfluͤßig vorhanden, er fliſt aus dem Munde hervor, und er wird ſchaͤrfer; ja man glaubt im Hunger eine Art von Nagen zu empfinden. Da es aber dennoch ge- wis iſt, daß dieſe Fluͤßigkeit in die Natur der laugen- haften Dinge einſchlaͤgt (h), das Alkaliſche aber den Ap- petit vielmehr verringert, und die Saͤure der Luſt zum Eſſen offenbar vielmehr angemeſſen iſt, ſo will ich lieber glauben, daß der Magenſaft, ſo oft derſelbe durch ein
langes
(a)[Spaltenumbruch]Conf. DUVERNEY II. p. 184.
(b)p. 169.
(c)p. 176. 170.
(d)p. 170. von der bittern Gal- le im Magen verging der Appetit BONNET.
(e)[Spaltenumbruch]LYONNET p. 255.
(f)BAKER p. 137. 142. von den Polipen TREMBLEY p. 114. 116.
(g)TREMBLEY p. 186.
(h)p. 143.
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[265[281]/0301]
II. Abſchnitt. Hunger und Durſt.
der entbloͤſten Haut vornimmt, leicht beurteilen, wie
ſcharf eine ſolche Menge Nerven empfinden muͤſſe, die
zwar nicht voͤllig blos liegen, aber ſich dennoch an einan-
der reiben. Dieſes moͤchte ich nicht blos dem linken
Magenmunde zuſchreiben (a).
Hieraus erſieht man auch, warum der Hunger ſo
langſam und langwierig in dem Schlangengeſchlechte
iſt (b), welches von dieſem Reiben faſt ganz und gar
nichts weis, weil ſein Magen wenig fleiſchig iſt, und der
Unterleib und das Zwerchfell uͤberhaupt gar keine Kraft
aͤuſſert. Warum an dem Kapaunen (c), den ich zum
Exempel anfuͤhre, der Tod am allergeſchwindeſten erfolgt,
und warum er geſchwinder, als an dem Hunde, der Kaz-
ze und andern fleiſchfreſſenden erfolgt (d). Die Urſache
iſt, weil das Huͤnergeſchlecht ein ſtaͤrkeres Magenreiben
beſizzet, als irgend eine Gattung der vierfuͤßigen Thiere.
Auch die Jnſekten (e), die eine geringere periſtaltiſche Be-
wegung haben, fuͤlen den Winter uͤber keinen Hunger, hin-
gegen im Sommer deſto mehr (f), je heiſſer die Witte-
rung iſt (g).
Was den Magenſaft belangt, ſo muß ich damit ſchon
mehr an mir halten. Freilich iſt derſelbe in Faſtenden
uͤberfluͤßig vorhanden, er fliſt aus dem Munde hervor,
und er wird ſchaͤrfer; ja man glaubt im Hunger eine
Art von Nagen zu empfinden. Da es aber dennoch ge-
wis iſt, daß dieſe Fluͤßigkeit in die Natur der laugen-
haften Dinge einſchlaͤgt (h), das Alkaliſche aber den Ap-
petit vielmehr verringert, und die Saͤure der Luſt zum
Eſſen offenbar vielmehr angemeſſen iſt, ſo will ich lieber
glauben, daß der Magenſaft, ſo oft derſelbe durch ein
langes
(a)
Conf. DUVERNEY II.
p. 184.
(b) p. 169.
(c) p. 176. 170.
(d) p. 170. von der bittern Gal-
le im Magen verging der Appetit
BONNET.
(e)
LYONNET p. 255.
(f) BAKER p. 137. 142. von den
Polipen TREMBLEY p. 114. 116.
(g) TREMBLEY p. 186.
(h) p. 143.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 265[281]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/301>, abgerufen am 24.11.2024.
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