sich Jemand auf eine unbekannte Frucht wohl befand, oder sie ihm übel bekam, so benachrichtigte er davon seine Kinder und Enkel. Dieses war der erste Anfang zur Diätetik und zur Medicin (c). Warscheinlicher Weise sind die Menschen erst nach und nach, vermittelst ihrer Wanderungen auf die stärkende, külende, saure, purgi- rende, erbrechende, einschläfrende Pflanzen, von verschied- nen Kräften verfallen. Folglich erhielten sich die ersten Vorfaren von Früchten, Kräutern, Wurzeln; sie genos- sen alles dieses roh. Und auch noch heut zu Tage lebt man unter eben diesen Himmelsstriche, fast eben so. So leben nach dem Kämpfer(d) die Perser in ihren Palm- wäldern, blos bei Datteln vergnügt. Auch noch bedie- nen sich die Braminen (e) der Pflanzennahrung, der Obstarten und des Wassers (f). Einige Araber erhal- ten davon, so wie von der Ziegenmilch, ihr Leben (g), und diese uralte Völker hängen noch getreulich an den Sitten des güldnen Weltalters. Die meisten Einwoner von Konstantinopel ernähren sich blos von rohen Gurken (h).
Der Ruf davon kam auch den Poeten in Griechen- land, welche viel später lebten, zu Ohren. Sie nennen die Eicheln (i), die schon in viel schlechtern Himmelsstri- chen wachsen, und die Früchte des Hagapfelbaums; diese trift man in Griechenland und Spanien eßbar an. Daß
sie
(c)[Spaltenumbruch]
Solches sahe ehedem HEI- STER in orat. in augur.
(d)Amaenit. Exot. Fasc. IV. Relat. 9. Jn Egipten leben viele Familien blos von Datteln HAS- SELQUIST p. 501. einige noch von der musa p. 494.
(e)CROSE voyag. p. 297.
(f)SUIDAS p. 454.
(g)RADZIVILL p. 215.
(h)TOURNT Voy. au Lev. II. p. 286.
(i) Jn Spanien säet man in fruchtharen Gegenden Eicheln [Spaltenumbruch]PLIN. L. XVI. c. 5. Solche essen die Lusitanier STRABO & deser. Afr. occid. L. V. p. 350. Sind in Afrika und Spanien eßbar REDI Lett. T. V. p. 44 46. Unter den Neuern der beredte CERVANTES in II. heroicorum equitis D QUI- CHOTTE c. 67. Est Quercus fr. eduli. Enzina beim CARDAN subtil. L. VIII. Quercus parva sive phagus Graecor. & Esculus PLI- NII J. B. T. I. L. II. p. 74. Auch die Japaner essen Eicheln Hist. des Japon. p. 176.
T 4
III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
ſich Jemand auf eine unbekannte Frucht wohl befand, oder ſie ihm uͤbel bekam, ſo benachrichtigte er davon ſeine Kinder und Enkel. Dieſes war der erſte Anfang zur Diaͤtetik und zur Medicin (c). Warſcheinlicher Weiſe ſind die Menſchen erſt nach und nach, vermittelſt ihrer Wanderungen auf die ſtaͤrkende, kuͤlende, ſaure, purgi- rende, erbrechende, einſchlaͤfrende Pflanzen, von verſchied- nen Kraͤften verfallen. Folglich erhielten ſich die erſten Vorfaren von Fruͤchten, Kraͤutern, Wurzeln; ſie genoſ- ſen alles dieſes roh. Und auch noch heut zu Tage lebt man unter eben dieſen Himmelsſtriche, faſt eben ſo. So leben nach dem Kaͤmpfer(d) die Perſer in ihren Palm- waͤldern, blos bei Datteln vergnuͤgt. Auch noch bedie- nen ſich die Braminen (e) der Pflanzennahrung, der Obſtarten und des Waſſers (f). Einige Araber erhal- ten davon, ſo wie von der Ziegenmilch, ihr Leben (g), und dieſe uralte Voͤlker haͤngen noch getreulich an den Sitten des guͤldnen Weltalters. Die meiſten Einwoner von Konſtantinopel ernaͤhren ſich blos von rohen Gurken (h).
Der Ruf davon kam auch den Poeten in Griechen- land, welche viel ſpaͤter lebten, zu Ohren. Sie nennen die Eicheln (i), die ſchon in viel ſchlechtern Himmelsſtri- chen wachſen, und die Fruͤchte des Hagapfelbaums; dieſe trift man in Griechenland und Spanien eßbar an. Daß
ſie
(c)[Spaltenumbruch]
Solches ſahe ehedem HEI- STER in orat. in augur.
(d)Amaenit. Exot. Faſc. IV. Relat. 9. Jn Egipten leben viele Familien blos von Datteln HAS- SELQUIST p. 501. einige noch von der muſa p. 494.
(e)CROSE voyag. p. 297.
(f)SUIDAS p. 454.
(g)RADZIVILL p. 215.
(h)TOURNT Voy. au Lev. II. p. 286.
(i) Jn Spanien ſaͤet man in fruchtharen Gegenden Eicheln [Spaltenumbruch]PLIN. L. XVI. c. 5. Solche eſſen die Luſitanier STRABO & deſer. Afr. occid. L. V. p. 350. Sind in Afrika und Spanien eßbar REDI Lett. T. V. p. 44 46. Unter den Neuern der beredte CERVANTES in II. heroicorum equitis D QUI- CHOTTE c. 67. Eſt Quercus fr. eduli. Enzina beim CARDAN ſubtil. L. VIII. Quercus parva ſive phagus Græcor. & Eſculus PLI- NII J. B. T. I. L. II. p. 74. Auch die Japaner eſſen Eicheln Hiſt. des Japon. p. 176.
T 4
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III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
ſich Jemand auf eine unbekannte Frucht wohl befand,
oder ſie ihm uͤbel bekam, ſo benachrichtigte er davon ſeine
Kinder und Enkel. Dieſes war der erſte Anfang zur
Diaͤtetik und zur Medicin (c). Warſcheinlicher Weiſe
ſind die Menſchen erſt nach und nach, vermittelſt ihrer
Wanderungen auf die ſtaͤrkende, kuͤlende, ſaure, purgi-
rende, erbrechende, einſchlaͤfrende Pflanzen, von verſchied-
nen Kraͤften verfallen. Folglich erhielten ſich die erſten
Vorfaren von Fruͤchten, Kraͤutern, Wurzeln; ſie genoſ-
ſen alles dieſes roh. Und auch noch heut zu Tage lebt
man unter eben dieſen Himmelsſtriche, faſt eben ſo. So
leben nach dem Kaͤmpfer (d) die Perſer in ihren Palm-
waͤldern, blos bei Datteln vergnuͤgt. Auch noch bedie-
nen ſich die Braminen (e) der Pflanzennahrung, der
Obſtarten und des Waſſers (f). Einige Araber erhal-
ten davon, ſo wie von der Ziegenmilch, ihr Leben (g), und
dieſe uralte Voͤlker haͤngen noch getreulich an den Sitten
des guͤldnen Weltalters. Die meiſten Einwoner von
Konſtantinopel ernaͤhren ſich blos von rohen Gurken (h).
Der Ruf davon kam auch den Poeten in Griechen-
land, welche viel ſpaͤter lebten, zu Ohren. Sie nennen
die Eicheln (i), die ſchon in viel ſchlechtern Himmelsſtri-
chen wachſen, und die Fruͤchte des Hagapfelbaums; dieſe
trift man in Griechenland und Spanien eßbar an. Daß
ſie
(c)
Solches ſahe ehedem HEI-
STER in orat. in augur.
(d) Amaenit. Exot. Faſc. IV.
Relat. 9. Jn Egipten leben viele
Familien blos von Datteln HAS-
SELQUIST p. 501. einige noch von
der muſa p. 494.
(e) CROSE voyag. p. 297.
(f) SUIDAS p. 454.
(g) RADZIVILL p. 215.
(h) TOURNT Voy. au Lev. II.
p. 286.
(i) Jn Spanien ſaͤet man in
fruchtharen Gegenden Eicheln
PLIN. L. XVI. c. 5. Solche eſſen
die Luſitanier STRABO & deſer.
Afr. occid. L. V. p. 350. Sind in
Afrika und Spanien eßbar REDI
Lett. T. V. p. 44 46. Unter den
Neuern der beredte CERVANTES
in II. heroicorum equitis D QUI-
CHOTTE c. 67. Eſt Quercus fr.
eduli. Enzina beim CARDAN
ſubtil. L. VIII. Quercus parva ſive
phagus Græcor. & Eſculus PLI-
NII J. B. T. I. L. II. p. 74. Auch
die Japaner eſſen Eicheln Hiſt. des
Japon. p. 176.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 279[295]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/315>, abgerufen am 24.11.2024.
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