Wir wundern uns heutiges Tages, sonderlich die wir weit von den Meeren ab wohnen, und fast nichts als le- bendige Fische zu essen verlangen, weil es die Gewonheit so haben will, wie sich die Alten an dem faulen Safte dieser Thiere so sehr ergözen gekonnt. Man verträgt ein- gemachte Sardellen (h), woraus man über Kolen, in Eßig aufgelöst, die beste Fischlake (garum) macht (i).
Doch es war der Alten ihre Fischlake ein wirklich ge- faultes Wesen (k), welches sie dem ohngeachtet doch gegen Gold aufwogen (l). Man bereitete es sonderlich anfangs aus dem Skarus einer Art von Meerbrachsen (m), und nach der Zeit aus dem blauschielenden Seefische Skom- ber und dessen Eingeweide (n) in Spanien, welches man wegzuwerfen pflegt, da man es sonst mit Wein zu einer berümten Tunke faulen lies.
Noch ist der Gebrauch dieser Fischlake (garum) nicht gänzlich ausser Mode gekommen, indem man in Lothrin- gen (o) in Tunkin (p) aus den Seekrabben, und stinken- den Krebsen dergleichen, so wie in Arakan aus Fischen (q) heut zu Tage bereitet. Die Römer bedienten sich noch einer undurchgeseichten andrer Geundsuppe (r) und eines solchen Fischlakenweines bei ihren Gastmälern. Diese Herren der Welt tunkten ihre Speisen in faule Wasser von solchen marinirten Fischeiern ein.
Um desto weniger darf man sich darüber wundern, daß die Araber Heuschrekken (r*), so wie die Mau-
ren
(h)[Spaltenumbruch]AELIAN.
(i)RONDELET p. 210.
(k)SUIDAS SENEC.
(l)CONGIUS 2000. num. ven. debatur.
(m)PLIN. L. XXXI. n. 43. ATHENAEUS L. III. MARTIA- LIS.
(n)Ex thynni intestinis, lupo & apua. PLIN. ibid. n. 44. Aus dem Wels und andern CAEL. Chron. L. II. c.
(o)[Spaltenumbruch]STEPHANUS de nutrim. p. 55.
(p)GERVAISE voy. au siam. p. 105. LOUBERE von Fischen in Tunkin DAMPIER Voyag. L. II. p. 28.
(q)OVINGTON.
(r)PLIN. n. 44.
(r*)HASSELQUIST p. 414. 415.
Der Magen. XIX. Buch.
Wir wundern uns heutiges Tages, ſonderlich die wir weit von den Meeren ab wohnen, und faſt nichts als le- bendige Fiſche zu eſſen verlangen, weil es die Gewonheit ſo haben will, wie ſich die Alten an dem faulen Safte dieſer Thiere ſo ſehr ergoͤzen gekonnt. Man vertraͤgt ein- gemachte Sardellen (h), woraus man uͤber Kolen, in Eßig aufgeloͤſt, die beſte Fiſchlake (garum) macht (i).
Doch es war der Alten ihre Fiſchlake ein wirklich ge- faultes Weſen (k), welches ſie dem ohngeachtet doch gegen Gold aufwogen (l). Man bereitete es ſonderlich anfangs aus dem Skarus einer Art von Meerbrachſen (m), und nach der Zeit aus dem blauſchielenden Seefiſche Skom- ber und deſſen Eingeweide (n) in Spanien, welches man wegzuwerfen pflegt, da man es ſonſt mit Wein zu einer beruͤmten Tunke faulen lies.
Noch iſt der Gebrauch dieſer Fiſchlake (garum) nicht gaͤnzlich auſſer Mode gekommen, indem man in Lothrin- gen (o) in Tunkin (p) aus den Seekrabben, und ſtinken- den Krebſen dergleichen, ſo wie in Arakan aus Fiſchen (q) heut zu Tage bereitet. Die Roͤmer bedienten ſich noch einer undurchgeſeichten andrer Geundſuppe (r) und eines ſolchen Fiſchlakenweines bei ihren Gaſtmaͤlern. Dieſe Herren der Welt tunkten ihre Speiſen in faule Waſſer von ſolchen marinirten Fiſcheiern ein.
Um deſto weniger darf man ſich daruͤber wundern, daß die Araber Heuſchrekken (r*), ſo wie die Mau-
ren
(h)[Spaltenumbruch]ÆLIAN.
(i)RONDELET p. 210.
(k)SUIDAS SENEC.
(l)CONGIUS 2000. num. ven. debatur.
(m)PLIN. L. XXXI. n. 43. ATHENÆUS L. III. MARTIA- LIS.
(n)Ex thynni inteſtinis, lupo & apua. PLIN. ibid. n. 44. Aus dem Wels und andern CAEL. Chron. L. II. c.
(o)[Spaltenumbruch]STEPHANUS de nutrim. p. 55.
(p)GERVAISE voy. au ſiam. p. 105. LOUBERE von Fiſchen in Tunkin DAMPIER Voyag. L. II. p. 28.
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[294[310]/0330]
Der Magen. XIX. Buch.
Wir wundern uns heutiges Tages, ſonderlich die wir
weit von den Meeren ab wohnen, und faſt nichts als le-
bendige Fiſche zu eſſen verlangen, weil es die Gewonheit
ſo haben will, wie ſich die Alten an dem faulen Safte
dieſer Thiere ſo ſehr ergoͤzen gekonnt. Man vertraͤgt ein-
gemachte Sardellen (h), woraus man uͤber Kolen, in
Eßig aufgeloͤſt, die beſte Fiſchlake (garum) macht (i).
Doch es war der Alten ihre Fiſchlake ein wirklich ge-
faultes Weſen (k), welches ſie dem ohngeachtet doch gegen
Gold aufwogen (l). Man bereitete es ſonderlich anfangs
aus dem Skarus einer Art von Meerbrachſen (m), und
nach der Zeit aus dem blauſchielenden Seefiſche Skom-
ber und deſſen Eingeweide (n) in Spanien, welches man
wegzuwerfen pflegt, da man es ſonſt mit Wein zu einer
beruͤmten Tunke faulen lies.
Noch iſt der Gebrauch dieſer Fiſchlake (garum) nicht
gaͤnzlich auſſer Mode gekommen, indem man in Lothrin-
gen (o) in Tunkin (p) aus den Seekrabben, und ſtinken-
den Krebſen dergleichen, ſo wie in Arakan aus Fiſchen (q)
heut zu Tage bereitet. Die Roͤmer bedienten ſich noch
einer undurchgeſeichten andrer Geundſuppe (r) und eines
ſolchen Fiſchlakenweines bei ihren Gaſtmaͤlern. Dieſe
Herren der Welt tunkten ihre Speiſen in faule Waſſer
von ſolchen marinirten Fiſcheiern ein.
Um deſto weniger darf man ſich daruͤber wundern,
daß die Araber Heuſchrekken (r*), ſo wie die Mau-
ren
(h)
ÆLIAN.
(i) RONDELET p. 210.
(k) SUIDAS SENEC.
(l) CONGIUS 2000. num. ven.
debatur.
(m) PLIN. L. XXXI. n. 43.
ATHENÆUS L. III. MARTIA-
LIS.
(n) Ex thynni inteſtinis, lupo
& apua. PLIN. ibid. n. 44. Aus
dem Wels und andern CAEL.
Chron. L. II. c.
(o)
STEPHANUS de nutrim.
p. 55.
(p) GERVAISE voy. au ſiam.
p. 105. LOUBERE von Fiſchen in
Tunkin DAMPIER Voyag. L. II.
p. 28.
(q) OVINGTON.
(r) PLIN. n. 44.
(r*) HASSELQUIST p. 414.
415.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 294[310]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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