Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Abschnitt. Speise und Trank.
es versichert Ciprian, daß sich unter 1400 Menschen,
denen er Steine ausgezogen, viele Weintrinker, aber kei-
ne solche befunden hätten, die sich ans Bier gewönt hät-
ten (d). Jch habe eben in keiner reichen Stadt, da der
öffentliche Zergliederungssaal mit einer Menge armer Lei-
chen, die Bier zu ihrem gewönlichen Getränke gemacht
hatten, versorgt wurde, kaum an dreihundert und funf-
zig Körpern zweimal Steine in den Nieren oder in der
Blase gefunden. Man beschuldigt den Wein auch des
Gliederreissens und des Podagra (e). Julius Palma-
rius, Rondelet
, und so viel andre, sahen sich aus Sor-
ge für ihre Gesundheit gezwungen, dem Wein zu entsa-
gen (f). Jndessen scheinet es doch falsch zu sein (g), daß
das Podagra Leute verschonen sollte, die den Wein mei-
den, und daß man wieder gesund werden müste, wenn
man dem Weine Abschied giebt. Jch habe nun fast in
vierzig Jahren keinen Wein mehr getrunken, und den-
noch vier oder fünf langen Ansäzzen vom Podagra nicht
entgehen können.

Er wird in heissen Ländern schädlicher (h), und er
ist starken Jünglingen im Sommer mehr, und weniger
zur Winterszeit, in kalten Ländern, und im hohen Alter
gefärlich. Jn mäßiger Quantität getrunken, vertritt er
die Stelle einer Herzstärkung.

Die sauren und unreife herbe Weine machen die Fa-
sern des Gedärms callöse, und zerstören die peristaltische

Bewe-
(d) [Spaltenumbruch] SLARE of Sugar p. 13.
(e) Daher giebts zu Bourdeaux
so viele Podagraisten SAPORTA
de tumore p.
474.
(f) PATIN valet. tuend. p.
404
(g) Die Podagristen, die dem
Wein entsagen, werden gesund
[Spaltenumbruch] Alex. BENEDICT L. XXIX. pro-
aem.
oder die wegen Armut den
Wein notwendig lassen müssen.
(h) Wein darf in Brasilien nicht
getrunken werden, nach dem ZUC-
CHELLI p.
80 Ein Pf[e]rd aus der
Barbarei starb, als man es mit
Wein zum Laufen ermunterte
TOZZI sex. reb. non natur. p. 235.
A a 3

III. Abſchnitt. Speiſe und Trank.
es verſichert Ciprian, daß ſich unter 1400 Menſchen,
denen er Steine ausgezogen, viele Weintrinker, aber kei-
ne ſolche befunden haͤtten, die ſich ans Bier gewoͤnt haͤt-
ten (d). Jch habe eben in keiner reichen Stadt, da der
oͤffentliche Zergliederungsſaal mit einer Menge armer Lei-
chen, die Bier zu ihrem gewoͤnlichen Getraͤnke gemacht
hatten, verſorgt wurde, kaum an dreihundert und funf-
zig Koͤrpern zweimal Steine in den Nieren oder in der
Blaſe gefunden. Man beſchuldigt den Wein auch des
Gliederreiſſens und des Podagra (e). Julius Palma-
rius, Rondelet
, und ſo viel andre, ſahen ſich aus Sor-
ge fuͤr ihre Geſundheit gezwungen, dem Wein zu entſa-
gen (f). Jndeſſen ſcheinet es doch falſch zu ſein (g), daß
das Podagra Leute verſchonen ſollte, die den Wein mei-
den, und daß man wieder geſund werden muͤſte, wenn
man dem Weine Abſchied giebt. Jch habe nun faſt in
vierzig Jahren keinen Wein mehr getrunken, und den-
noch vier oder fuͤnf langen Anſaͤzzen vom Podagra nicht
entgehen koͤnnen.

Er wird in heiſſen Laͤndern ſchaͤdlicher (h), und er
iſt ſtarken Juͤnglingen im Sommer mehr, und weniger
zur Winterszeit, in kalten Laͤndern, und im hohen Alter
gefaͤrlich. Jn maͤßiger Quantitaͤt getrunken, vertritt er
die Stelle einer Herzſtaͤrkung.

Die ſauren und unreife herbe Weine machen die Fa-
ſern des Gedaͤrms calloͤſe, und zerſtoͤren die periſtaltiſche

Bewe-
(d) [Spaltenumbruch] SLARE of Sugar p. 13.
(e) Daher giebts zu Bourdeaux
ſo viele Podagraiſten SAPORTA
de tumore p.
474.
(f) PATIN valet. tuend. p.
404
(g) Die Podagriſten, die dem
Wein entſagen, werden geſund
[Spaltenumbruch] Alex. BENEDICT L. XXIX. pro-
aem.
oder die wegen Armut den
Wein notwendig laſſen muͤſſen.
(h) Wein darf in Braſilien nicht
getrunken werden, nach dem ZUC-
CHELLI p.
80 Ein Pf[e]rd aus der
Barbarei ſtarb, als man es mit
Wein zum Laufen ermunterte
TOZZI ſex. reb. non natur. p. 235.
A a 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0393" n="357[373]"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Spei&#x017F;e und Trank.</hi></fw><lb/>
es ver&#x017F;ichert <hi rendition="#fr">Ciprian</hi>, daß &#x017F;ich unter 1400 Men&#x017F;chen,<lb/>
denen er Steine ausgezogen, viele Weintrinker, aber kei-<lb/>
ne &#x017F;olche befunden ha&#x0364;tten, die &#x017F;ich ans Bier gewo&#x0364;nt ha&#x0364;t-<lb/>
ten <note place="foot" n="(d)"><cb/><hi rendition="#aq">SLARE of Sugar p.</hi> 13.</note>. Jch habe eben in keiner reichen Stadt, da der<lb/>
o&#x0364;ffentliche Zergliederungs&#x017F;aal mit einer Menge armer Lei-<lb/>
chen, die Bier zu ihrem gewo&#x0364;nlichen Getra&#x0364;nke gemacht<lb/>
hatten, ver&#x017F;orgt wurde, kaum an dreihundert und funf-<lb/>
zig Ko&#x0364;rpern zweimal Steine in den Nieren oder in der<lb/>
Bla&#x017F;e gefunden. Man be&#x017F;chuldigt den Wein auch des<lb/>
Gliederrei&#x017F;&#x017F;ens und des Podagra <note place="foot" n="(e)">Daher giebts zu Bourdeaux<lb/>
&#x017F;o viele Podagrai&#x017F;ten <hi rendition="#aq">SAPORTA<lb/>
de tumore p.</hi> 474.</note>. Julius <hi rendition="#fr">Palma-<lb/>
rius, Rondelet</hi>, und &#x017F;o viel andre, &#x017F;ahen &#x017F;ich aus Sor-<lb/>
ge fu&#x0364;r ihre Ge&#x017F;undheit gezwungen, dem Wein zu ent&#x017F;a-<lb/>
gen <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">PATIN</hi> valet. tuend. p.</hi><lb/>
404</note>. Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheinet es doch fal&#x017F;ch zu &#x017F;ein <note place="foot" n="(g)">Die Podagri&#x017F;ten, die dem<lb/>
Wein ent&#x017F;agen, werden ge&#x017F;und<lb/><cb/> <hi rendition="#aq">Alex. BENEDICT L. XXIX. pro-<lb/>
aem.</hi> oder die wegen Armut den<lb/>
Wein notwendig la&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</note>, daß<lb/>
das Podagra Leute ver&#x017F;chonen &#x017F;ollte, die den Wein mei-<lb/>
den, und daß man wieder ge&#x017F;und werden mu&#x0364;&#x017F;te, wenn<lb/>
man dem Weine Ab&#x017F;chied giebt. Jch habe nun fa&#x017F;t in<lb/>
vierzig Jahren keinen Wein mehr getrunken, und den-<lb/>
noch vier oder fu&#x0364;nf langen An&#x017F;a&#x0364;zzen vom Podagra nicht<lb/>
entgehen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Er wird in hei&#x017F;&#x017F;en La&#x0364;ndern &#x017F;cha&#x0364;dlicher <note place="foot" n="(h)">Wein darf in Bra&#x017F;ilien nicht<lb/>
getrunken werden, nach dem <hi rendition="#aq">ZUC-<lb/>
CHELLI p.</hi> 80 Ein Pf<supplied>e</supplied>rd aus der<lb/>
Barbarei &#x017F;tarb, als man es mit<lb/>
Wein zum Laufen ermunterte<lb/><hi rendition="#aq">TOZZI &#x017F;ex. reb. non natur. p.</hi> 235.</note>, und er<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;tarken Ju&#x0364;nglingen im Sommer mehr, und weniger<lb/>
zur Winterszeit, in kalten La&#x0364;ndern, und im hohen Alter<lb/>
gefa&#x0364;rlich. Jn ma&#x0364;ßiger Quantita&#x0364;t getrunken, vertritt er<lb/>
die Stelle einer Herz&#x017F;ta&#x0364;rkung.</p><lb/>
            <p>Die &#x017F;auren und unreife herbe Weine machen die Fa-<lb/>
&#x017F;ern des Geda&#x0364;rms callo&#x0364;&#x017F;e, und zer&#x017F;to&#x0364;ren die peri&#x017F;talti&#x017F;che<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A a 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Bewe-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[357[373]/0393] III. Abſchnitt. Speiſe und Trank. es verſichert Ciprian, daß ſich unter 1400 Menſchen, denen er Steine ausgezogen, viele Weintrinker, aber kei- ne ſolche befunden haͤtten, die ſich ans Bier gewoͤnt haͤt- ten (d). Jch habe eben in keiner reichen Stadt, da der oͤffentliche Zergliederungsſaal mit einer Menge armer Lei- chen, die Bier zu ihrem gewoͤnlichen Getraͤnke gemacht hatten, verſorgt wurde, kaum an dreihundert und funf- zig Koͤrpern zweimal Steine in den Nieren oder in der Blaſe gefunden. Man beſchuldigt den Wein auch des Gliederreiſſens und des Podagra (e). Julius Palma- rius, Rondelet, und ſo viel andre, ſahen ſich aus Sor- ge fuͤr ihre Geſundheit gezwungen, dem Wein zu entſa- gen (f). Jndeſſen ſcheinet es doch falſch zu ſein (g), daß das Podagra Leute verſchonen ſollte, die den Wein mei- den, und daß man wieder geſund werden muͤſte, wenn man dem Weine Abſchied giebt. Jch habe nun faſt in vierzig Jahren keinen Wein mehr getrunken, und den- noch vier oder fuͤnf langen Anſaͤzzen vom Podagra nicht entgehen koͤnnen. Er wird in heiſſen Laͤndern ſchaͤdlicher (h), und er iſt ſtarken Juͤnglingen im Sommer mehr, und weniger zur Winterszeit, in kalten Laͤndern, und im hohen Alter gefaͤrlich. Jn maͤßiger Quantitaͤt getrunken, vertritt er die Stelle einer Herzſtaͤrkung. Die ſauren und unreife herbe Weine machen die Fa- ſern des Gedaͤrms calloͤſe, und zerſtoͤren die periſtaltiſche Bewe- (d) SLARE of Sugar p. 13. (e) Daher giebts zu Bourdeaux ſo viele Podagraiſten SAPORTA de tumore p. 474. (f) PATIN valet. tuend. p. 404 (g) Die Podagriſten, die dem Wein entſagen, werden geſund Alex. BENEDICT L. XXIX. pro- aem. oder die wegen Armut den Wein notwendig laſſen muͤſſen. (h) Wein darf in Braſilien nicht getrunken werden, nach dem ZUC- CHELLI p. 80 Ein Pferd aus der Barbarei ſtarb, als man es mit Wein zum Laufen ermunterte TOZZI ſex. reb. non natur. p. 235. A a 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/393
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 357[373]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/393>, abgerufen am 22.11.2024.