Magen von einem gemäßigten Grade ist (a), ohngefehr wie die Wärme einer brütenden Henne, eine grosse Wir- kung haben sollte, den Leim aufzulösen, den Gallert zu verdünnen, das Fett zu erweichen, die Macerations- kraft des Wassers zu verstärken, und die Anfänge der Fermentation und Fäulnis einzuführen.
Jn der That bleiben die Jnsekten lange ohne Speise, wenn es kalt ist, und der im Sommer gefraßige Poli- pe, verdaut innerhalb zwölf Stunden (b), hingegen im Winter entweder später, oder man sieht ihm überhaupt gar keinen Appetit an. Das Kamäleon verdaut zur Winterzeit die Speisen schwerlich, und wirft sie roh durch den Hintern aus (c); so frist auch die Schildkröte im Winter nicht (d) und es sind die Gekrösdrüsen der Fische im Winter merenteils mager, und abgezert (e).
Daher ist es geschehen, vielleicht, weil man die Er- scheinungen am Magen, und bei der Kochkunst mit ein- ander verglichen, daß die Metapher schon vor langer Zeit zur Mode geworden, die nüzzliche Veränderung der Speise, Coction zu nennen (f). Ja man behau- ptete, daß sich die Speise (g) von der Wärme auflöse, und diese Meinung hat Galen(h) weiter ausgeschmükkt.
Die Neuern haben der Wärme zwar nicht alles, den- noch aber einen Theil bei dem Magengeschäfte zugeschrie- ben, und ihre Kraft entweder mit der Fäulnis (i) oder
mit
(a)[Spaltenumbruch]p. 295.
(b) 169 170.
(c)VALISNER II. 402. 403.
(d)CALDESI p. 29.
(e)LISTER Exerc. anat. II. p. 28.
(f)Pepsis HIPP.
(g)HIPP beim CELS praef. L. I. PLATO die Speisen werden von der Speise flüßig gemacht POSSIDONIUS apud SENECAM, [Spaltenumbruch]
und CICERO nat. deor. L. II. p 602.
(h)De usu part. L. IV. c. 8. Facult. nat. L. III. c. 8. ferner die ganze Schule unter den Neuern GALATHEAU SCHOOK de fer- ment. c. 23. &c. DUCCINI p. 69. nennt die Eingeweide Kolen, die den Magen, als ein Kochgefässe zu erwärmen hätten.
(i)LISTER.
Der Magen. XIX. Buch.
Magen von einem gemaͤßigten Grade iſt (a), ohngefehr wie die Waͤrme einer bruͤtenden Henne, eine groſſe Wir- kung haben ſollte, den Leim aufzuloͤſen, den Gallert zu verduͤnnen, das Fett zu erweichen, die Macerations- kraft des Waſſers zu verſtaͤrken, und die Anfaͤnge der Fermentation und Faͤulnis einzufuͤhren.
Jn der That bleiben die Jnſekten lange ohne Speiſe, wenn es kalt iſt, und der im Sommer gefraßige Poli- pe, verdaut innerhalb zwoͤlf Stunden (b), hingegen im Winter entweder ſpaͤter, oder man ſieht ihm uͤberhaupt gar keinen Appetit an. Das Kamaͤleon verdaut zur Winterzeit die Speiſen ſchwerlich, und wirft ſie roh durch den Hintern aus (c); ſo friſt auch die Schildkroͤte im Winter nicht (d) und es ſind die Gekroͤsdruͤſen der Fiſche im Winter merenteils mager, und abgezert (e).
Daher iſt es geſchehen, vielleicht, weil man die Er- ſcheinungen am Magen, und bei der Kochkunſt mit ein- ander verglichen, daß die Metapher ſchon vor langer Zeit zur Mode geworden, die nuͤzzliche Veraͤnderung der Speiſe, Coction zu nennen (f). Ja man behau- ptete, daß ſich die Speiſe (g) von der Waͤrme aufloͤſe, und dieſe Meinung hat Galen(h) weiter ausgeſchmuͤkkt.
Die Neuern haben der Waͤrme zwar nicht alles, den- noch aber einen Theil bei dem Magengeſchaͤfte zugeſchrie- ben, und ihre Kraft entweder mit der Faͤulnis (i) oder
mit
(a)[Spaltenumbruch]p. 295.
(b) 169 170.
(c)VALISNER II. 402. 403.
(d)CALDESI p. 29.
(e)LISTER Exerc. anat. II. p. 28.
(f)Pepſis HIPP.
(g)HIPP beim CELS præf. L. I. PLATO die Speiſen werden von der Speiſe fluͤßig gemacht POSSIDONIUS apud SENECAM, [Spaltenumbruch]
und CICERO nat. deor. L. II. p 602.
(h)De uſu part. L. IV. c. 8. Facult. nat. L. III. c. 8. ferner die ganze Schule unter den Neuern GALATHEAU SCHOOK de fer- ment. c. 23. &c. DUCCINI p. 69. nennt die Eingeweide Kolen, die den Magen, als ein Kochgefaͤſſe zu erwaͤrmen haͤtten.
(i)LISTER.
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[486[502]/0522]
Der Magen. XIX. Buch.
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wie die Waͤrme einer bruͤtenden Henne, eine groſſe Wir-
kung haben ſollte, den Leim aufzuloͤſen, den Gallert zu
verduͤnnen, das Fett zu erweichen, die Macerations-
kraft des Waſſers zu verſtaͤrken, und die Anfaͤnge der
Fermentation und Faͤulnis einzufuͤhren.
Jn der That bleiben die Jnſekten lange ohne Speiſe,
wenn es kalt iſt, und der im Sommer gefraßige Poli-
pe, verdaut innerhalb zwoͤlf Stunden (b), hingegen im
Winter entweder ſpaͤter, oder man ſieht ihm uͤberhaupt
gar keinen Appetit an. Das Kamaͤleon verdaut zur
Winterzeit die Speiſen ſchwerlich, und wirft ſie roh durch
den Hintern aus (c); ſo friſt auch die Schildkroͤte im
Winter nicht (d) und es ſind die Gekroͤsdruͤſen der Fiſche
im Winter merenteils mager, und abgezert (e).
Daher iſt es geſchehen, vielleicht, weil man die Er-
ſcheinungen am Magen, und bei der Kochkunſt mit ein-
ander verglichen, daß die Metapher ſchon vor langer
Zeit zur Mode geworden, die nuͤzzliche Veraͤnderung
der Speiſe, Coction zu nennen (f). Ja man behau-
ptete, daß ſich die Speiſe (g) von der Waͤrme aufloͤſe,
und dieſe Meinung hat Galen (h) weiter ausgeſchmuͤkkt.
Die Neuern haben der Waͤrme zwar nicht alles, den-
noch aber einen Theil bei dem Magengeſchaͤfte zugeſchrie-
ben, und ihre Kraft entweder mit der Faͤulnis (i) oder
mit
(a)
p. 295.
(b) 169 170.
(c) VALISNER II. 402. 403.
(d) CALDESI p. 29.
(e) LISTER Exerc. anat. II.
p. 28.
(f) Pepſis HIPP.
(g) HIPP beim CELS præf.
L. I. PLATO die Speiſen werden
von der Speiſe fluͤßig gemacht
POSSIDONIUS apud SENECAM,
und CICERO nat. deor. L. II.
p 602.
(h) De uſu part. L. IV. c. 8.
Facult. nat. L. III. c. 8. ferner die
ganze Schule unter den Neuern
GALATHEAU SCHOOK de fer-
ment. c. 23. &c. DUCCINI p. 69.
nennt die Eingeweide Kolen, die
den Magen, als ein Kochgefaͤſſe
zu erwaͤrmen haͤtten.
(i) LISTER.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 486[502]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/522>, abgerufen am 22.11.2024.
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