besizzet die unschuldige Flüßigkeit, die in der Frucht durch eben diese Nieren durchgeseicht wird, die Eigenschaften eines Urins nicht(a). Man muß nun untersuchen, wie sich der Bau der Niere mit diesen Eigenschaften des Urins vergleichen lasse.
Es sind zwar die Absonderungskanäle an sich klein, sie gehören aber doch schon unter die größten, welche wir sowohl mit blossen als bewaffneten Augen, von einer mä- ßigen Vergrösserungskraft (b) fast bis zu ihrem Ursprunge hin verfolgen können; und sie sind auch in der That so weit, daß sie sowohl in lebendigen Menschen bei etwas verstärkter Bewegung, eine Flüßigkeit in sich nehmen, welche dünner als Blut ist (c), und so gar Blut selbst (d), so wie in todten Körpern Wachs, Talg und Luft (e).
Folglich ist erstlich hier der Weg aus dem Blute in den absondernden Kanal ohne alle Schwierigkeiten: und hierauf erfolgt eine überflüßige Absonderung einer Flüßig- keit, welche eben nicht die allerdünnste ist.
Damit dieses nicht übermäßig leicht gemacht werden möchte, so hat die Natur durch eine schlangenförmig ge- wundene Figur der absondernden Schlagäderchen eine Langsamkeit vorgeschrieben(f), um das häufig herbei flies- sende Blut, wie in der Gebärmutter, in den Stand zu sezzen, sich mehr Plazz zu verschaffen, weil diese Adern länger als die gerade Linien sind, um welche man diese Windungen in Gedanken ziehen wollte (g).
Es stand zu befürchten, wenn der Durchgang der Säfte gar zu leicht wäre, es möchte das Blut, und Flieswasser, und die Nahrungsmilch, viel zu leicht in
den
(a)[Spaltenumbruch]p. 338.
(b)p 275.
(c)GUARINONI l. c. bei ent- zündter Nier fand sich diese Feuch- tigkeit im Ureter.
(d)p 275.
(e)p. 276.
(f)[Spaltenumbruch]L. VIII. p. 464. vergl. mit L. XXVI. p. 275.
(g) Wäre ein einzig fortgehend vas corticale, so würde selbiges 60000. Fuß lang seyn Mem. de l'Acad. 1749. p. 504. 505.
N n 3
IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
beſizzet die unſchuldige Fluͤßigkeit, die in der Frucht durch eben dieſe Nieren durchgeſeicht wird, die Eigenſchaften eines Urins nicht(a). Man muß nun unterſuchen, wie ſich der Bau der Niere mit dieſen Eigenſchaften des Urins vergleichen laſſe.
Es ſind zwar die Abſonderungskanaͤle an ſich klein, ſie gehoͤren aber doch ſchon unter die groͤßten, welche wir ſowohl mit bloſſen als bewaffneten Augen, von einer maͤ- ßigen Vergroͤſſerungskraft (b) faſt bis zu ihrem Urſprunge hin verfolgen koͤnnen; und ſie ſind auch in der That ſo weit, daß ſie ſowohl in lebendigen Menſchen bei etwas verſtaͤrkter Bewegung, eine Fluͤßigkeit in ſich nehmen, welche duͤnner als Blut iſt (c), und ſo gar Blut ſelbſt (d), ſo wie in todten Koͤrpern Wachs, Talg und Luft (e).
Folglich iſt erſtlich hier der Weg aus dem Blute in den abſondernden Kanal ohne alle Schwierigkeiten: und hierauf erfolgt eine uͤberfluͤßige Abſonderung einer Fluͤßig- keit, welche eben nicht die allerduͤnnſte iſt.
Damit dieſes nicht uͤbermaͤßig leicht gemacht werden moͤchte, ſo hat die Natur durch eine ſchlangenfoͤrmig ge- wundene Figur der abſondernden Schlagaͤderchen eine Langſamkeit vorgeſchrieben(f), um das haͤufig herbei flieſ- ſende Blut, wie in der Gebaͤrmutter, in den Stand zu ſezzen, ſich mehr Plazz zu verſchaffen, weil dieſe Adern laͤnger als die gerade Linien ſind, um welche man dieſe Windungen in Gedanken ziehen wollte (g).
Es ſtand zu befuͤrchten, wenn der Durchgang der Saͤfte gar zu leicht waͤre, es moͤchte das Blut, und Flieswaſſer, und die Nahrungsmilch, viel zu leicht in
den
(a)[Spaltenumbruch]p. 338.
(b)p 275.
(c)GUARINONI l. c. bei ent- zuͤndter Nier fand ſich dieſe Feuch- tigkeit im Ureter.
(d)p 275.
(e)p. 276.
(f)[Spaltenumbruch]L. VIII. p. 464. vergl. mit L. XXVI. p. 275.
(g) Waͤre ein einzig fortgehend vas corticale, ſo wuͤrde ſelbiges 60000. Fuß lang ſeyn Mém. de l’Acad. 1749. p. 504. 505.
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IV. Abſchn. die der Harn nimmt.
beſizzet die unſchuldige Fluͤßigkeit, die in der Frucht durch
eben dieſe Nieren durchgeſeicht wird, die Eigenſchaften
eines Urins nicht (a). Man muß nun unterſuchen, wie
ſich der Bau der Niere mit dieſen Eigenſchaften des Urins
vergleichen laſſe.
Es ſind zwar die Abſonderungskanaͤle an ſich klein,
ſie gehoͤren aber doch ſchon unter die groͤßten, welche wir
ſowohl mit bloſſen als bewaffneten Augen, von einer maͤ-
ßigen Vergroͤſſerungskraft (b) faſt bis zu ihrem Urſprunge
hin verfolgen koͤnnen; und ſie ſind auch in der That ſo
weit, daß ſie ſowohl in lebendigen Menſchen bei etwas
verſtaͤrkter Bewegung, eine Fluͤßigkeit in ſich nehmen,
welche duͤnner als Blut iſt (c), und ſo gar Blut ſelbſt (d),
ſo wie in todten Koͤrpern Wachs, Talg und Luft (e).
Folglich iſt erſtlich hier der Weg aus dem Blute in
den abſondernden Kanal ohne alle Schwierigkeiten: und
hierauf erfolgt eine uͤberfluͤßige Abſonderung einer Fluͤßig-
keit, welche eben nicht die allerduͤnnſte iſt.
Damit dieſes nicht uͤbermaͤßig leicht gemacht werden
moͤchte, ſo hat die Natur durch eine ſchlangenfoͤrmig ge-
wundene Figur der abſondernden Schlagaͤderchen eine
Langſamkeit vorgeſchrieben (f), um das haͤufig herbei flieſ-
ſende Blut, wie in der Gebaͤrmutter, in den Stand zu
ſezzen, ſich mehr Plazz zu verſchaffen, weil dieſe Adern
laͤnger als die gerade Linien ſind, um welche man dieſe
Windungen in Gedanken ziehen wollte (g).
Es ſtand zu befuͤrchten, wenn der Durchgang der
Saͤfte gar zu leicht waͤre, es moͤchte das Blut, und
Flieswaſſer, und die Nahrungsmilch, viel zu leicht in
den
(a)
p. 338.
(b) p 275.
(c) GUARINONI l. c. bei ent-
zuͤndter Nier fand ſich dieſe Feuch-
tigkeit im Ureter.
(d) p 275.
(e) p. 276.
(f)
L. VIII. p. 464. vergl. mit
L. XXVI. p. 275.
(g) Waͤre ein einzig fortgehend
vas corticale, ſo wuͤrde ſelbiges
60000. Fuß lang ſeyn Mém. de
l’Acad. 1749. p. 504. 505.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/601>, abgerufen am 22.11.2024.
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