Man sollte anfänglich glauben, daß die Saamen- materie eben so, wie alle menschliche Säfte, aus dem Ge- blüte abgesondert werde, obgleich zur Zeit kein künstlicher Zergliederer aus irgend einer Schlagader einen Saft in den Gang der Hode sprizzen können. Vermuthen kann man es wohl, daß er aus Flieswasser verfertigt, und in den Gefässen der Hode gebildet werde(a), indem man diese saamenführende Gefässe der Hode, als ungemein klein annimmt, und sie noch für zärter hält, als die, wel- che wir mit Augen sehen können. Diese Vermuthung ist auch nicht sogleich zu verwerfen, indem der Saame der Hode mehr als zu viel Aehnlichkeit mit der Limphe hat, und die Figur dieser Gefässe, so weit sie mit den Au- gen erreicht werden können, schlangenförmig gewun- den ist.
Es scheinet aber auch der Chilus viel zum Saamen beizutragen, so wie es schon die blosse Milch thut. Es ist nämlich gewiß, daß alle Thiere, welche wohl gefuttert werden (b), sich zum Beischlafe anschikken, welches sogar die Schnekken beweisen (c), und daß der Mensch nach dem gehörigen Mittags und Abendessen zur Begattung geschikkt, oder durch das Verschieben einer einzigen Abendmahlzeit zu dieser Freude untauglicher gemacht wird (d).
Man
(a)[Spaltenumbruch]BURGGRAF. post. I. de aere aqua et loc. Francof. p. 169.
(b) Wohlgefütterte Hirsche be- gatten sich zweimal hintereinander BUFFON. T. II. p. 76. sie sind sehr fett, wenn sie in die Brunst treten T. VI. p. 79. vom Dachse DOEBEL. jager. part. p. 37. Poli- [Spaltenumbruch]
pen sind gefräßig, wenn sie zeugen TREMBLEY p. 178. und bringen im Hunger nichts hervor.
(c)SWAMMERDAM. bibl. p. 168.
(d)Gal. di Minerv. T. I. p. 200. SANTANELLI lucubrat. II. p. 40.
D d d 2
II. Abſchn. und deren Saamen.
§. 11. Die Materie des Saamens.
Man ſollte anfaͤnglich glauben, daß die Saamen- materie eben ſo, wie alle menſchliche Saͤfte, aus dem Ge- bluͤte abgeſondert werde, obgleich zur Zeit kein kuͤnſtlicher Zergliederer aus irgend einer Schlagader einen Saft in den Gang der Hode ſprizzen koͤnnen. Vermuthen kann man es wohl, daß er aus Flieswaſſer verfertigt, und in den Gefaͤſſen der Hode gebildet werde(a), indem man dieſe ſaamenfuͤhrende Gefaͤſſe der Hode, als ungemein klein annimmt, und ſie noch fuͤr zaͤrter haͤlt, als die, wel- che wir mit Augen ſehen koͤnnen. Dieſe Vermuthung iſt auch nicht ſogleich zu verwerfen, indem der Saame der Hode mehr als zu viel Aehnlichkeit mit der Limphe hat, und die Figur dieſer Gefaͤſſe, ſo weit ſie mit den Au- gen erreicht werden koͤnnen, ſchlangenfoͤrmig gewun- den iſt.
Es ſcheinet aber auch der Chilus viel zum Saamen beizutragen, ſo wie es ſchon die bloſſe Milch thut. Es iſt naͤmlich gewiß, daß alle Thiere, welche wohl gefuttert werden (b), ſich zum Beiſchlafe anſchikken, welches ſogar die Schnekken beweiſen (c), und daß der Menſch nach dem gehoͤrigen Mittags und Abendeſſen zur Begattung geſchikkt, oder durch das Verſchieben einer einzigen Abendmahlzeit zu dieſer Freude untauglicher gemacht wird (d).
Man
(a)[Spaltenumbruch]BURGGRAF. poſt. I. de aere aqua et loc. Francof. p. 169.
(b) Wohlgefuͤtterte Hirſche be- gatten ſich zweimal hintereinander BUFFON. T. II. p. 76. ſie ſind ſehr fett, wenn ſie in die Brunſt treten T. VI. p. 79. vom Dachſe DOEBEL. jager. part. p. 37. Poli- [Spaltenumbruch]
pen ſind gefraͤßig, wenn ſie zeugen TREMBLEY p. 178. und bringen im Hunger nichts hervor.
(c)SWAMMERDAM. bibl. p. 168.
(d)Gal. di Minerv. T. I. p. 200. SANTANELLI lucubrat. II. p. 40.
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II. Abſchn. und deren Saamen.
§. 11.
Die Materie des Saamens.
Man ſollte anfaͤnglich glauben, daß die Saamen-
materie eben ſo, wie alle menſchliche Saͤfte, aus dem Ge-
bluͤte abgeſondert werde, obgleich zur Zeit kein kuͤnſtlicher
Zergliederer aus irgend einer Schlagader einen Saft in
den Gang der Hode ſprizzen koͤnnen. Vermuthen kann
man es wohl, daß er aus Flieswaſſer verfertigt, und in
den Gefaͤſſen der Hode gebildet werde (a), indem man
dieſe ſaamenfuͤhrende Gefaͤſſe der Hode, als ungemein
klein annimmt, und ſie noch fuͤr zaͤrter haͤlt, als die, wel-
che wir mit Augen ſehen koͤnnen. Dieſe Vermuthung
iſt auch nicht ſogleich zu verwerfen, indem der Saame
der Hode mehr als zu viel Aehnlichkeit mit der Limphe
hat, und die Figur dieſer Gefaͤſſe, ſo weit ſie mit den Au-
gen erreicht werden koͤnnen, ſchlangenfoͤrmig gewun-
den iſt.
Es ſcheinet aber auch der Chilus viel zum Saamen
beizutragen, ſo wie es ſchon die bloſſe Milch thut. Es
iſt naͤmlich gewiß, daß alle Thiere, welche wohl gefuttert
werden (b), ſich zum Beiſchlafe anſchikken, welches ſogar
die Schnekken beweiſen (c), und daß der Menſch nach
dem gehoͤrigen Mittags und Abendeſſen zur Begattung
geſchikkt, oder durch das Verſchieben einer einzigen
Abendmahlzeit zu dieſer Freude untauglicher gemacht
wird (d).
Man
(a)
BURGGRAF. poſt. I. de
aere aqua et loc. Francof. p. 169.
(b) Wohlgefuͤtterte Hirſche be-
gatten ſich zweimal hintereinander
BUFFON. T. II. p. 76. ſie ſind
ſehr fett, wenn ſie in die Brunſt
treten T. VI. p. 79. vom Dachſe
DOEBEL. jager. part. p. 37. Poli-
pen ſind gefraͤßig, wenn ſie zeugen
TREMBLEY p. 178. und bringen
im Hunger nichts hervor.
(c) SWAMMERDAM. bibl.
p. 168.
(d) Gal. di Minerv. T. I. p. 200.
SANTANELLI lucubrat. II. p. 40.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 787. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/823>, abgerufen am 22.11.2024.
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