Es ist dieses die natürlichste Art von Nahrung; die Natur bestimmt sie, ein Thier zu ernähren, welches auf die Welt gesezzt wird(a), und davon sind auch dessen Eltern ernähret worden (b), weil die Milch in sehr we- nigen Stükken von dem Chilus unterschieden ist (c). Man muß auch nicht die erste Milch als verwerflich be- trachten (d), indem sie weder dem Kinde noch der Frucht anderer Thiere (e) schadet, ob sie gleich offenen Leib macht (f), und diesen muß die Natur fliessend er- halten, um das Gedärme von dem mitgebrachten Un- rathe zu befreyen. Ungemein stark aber werden diejeni- gen Kinder, welche lange von der Mutter gesäuget wer- den. So genoß Ludwig der XIV.(g) dieselbe sechzehn Monathe lang, und dieser Monarch erreichte ein hohes Alter. So befand sich derjenige bei einer vollkommenen Gesundheit, welcher drei Jahre lang die Muttermilch genossen (h): Dergleichen Exempel sind mir mehrere be- kannt.
Es ist aber auch der Mutter allezeit vortheilhafter (i) ihre Frucht selbst zu säugen; denn auf solche Art beugt man nicht nur dem gefährlichen Rükkflusse der Milch ins
Blut,
(a)[Spaltenumbruch]VANDENESSE ergo recens nato lac. maternum. Paris 1741. BARON. Elactare matri saluberri- mum. Paris 1741.
(b)BAYLE diss. III.
(c)p. 24.
(d) Richtig mit dem BOERH. PUZON. posth. p. 283. CRANZ. Hebammenkunst p. 56.
(e) Sey Lämmern schädlich BUFFON. T. V. p. 8. und den Kälbern LISLE II. p. 144. oecon. nachr. T. IV. p. 42 doch macht es [Spaltenumbruch]
den Lämmern nüzzlich LINNAEUS for. p. 10.
(f)LISLE. die erste Kuhmilch errege, wie ich glaube, beim Men- schen, nicht bei Kälbern, ein Er- brechen BIKKER.
(g)DIONIS. accouchem. p. 364.
(h)MATANI aneurypn. p. 136.
(i) Die Mutter ist nicht die zeugende, sondern nur die näh- rende Person der eben gezeugten Frucht. Wer ernährt, erzeugt AE- SCHYLUS in Eumenid.
H. Phisiol. 7. B. 2. Th. M m m
I. Abſchn. Die Bruͤſte.
§. 23. Der Nuzzen der Milch.
Es iſt dieſes die natuͤrlichſte Art von Nahrung; die Natur beſtimmt ſie, ein Thier zu ernaͤhren, welches auf die Welt geſezzt wird(a), und davon ſind auch deſſen Eltern ernaͤhret worden (b), weil die Milch in ſehr we- nigen Stuͤkken von dem Chilus unterſchieden iſt (c). Man muß auch nicht die erſte Milch als verwerflich be- trachten (d), indem ſie weder dem Kinde noch der Frucht anderer Thiere (e) ſchadet, ob ſie gleich offenen Leib macht (f), und dieſen muß die Natur flieſſend er- halten, um das Gedaͤrme von dem mitgebrachten Un- rathe zu befreyen. Ungemein ſtark aber werden diejeni- gen Kinder, welche lange von der Mutter geſaͤuget wer- den. So genoß Ludwig der XIV.(g) dieſelbe ſechzehn Monathe lang, und dieſer Monarch erreichte ein hohes Alter. So befand ſich derjenige bei einer vollkommenen Geſundheit, welcher drei Jahre lang die Muttermilch genoſſen (h): Dergleichen Exempel ſind mir mehrere be- kannt.
Es iſt aber auch der Mutter allezeit vortheilhafter (i) ihre Frucht ſelbſt zu ſaͤugen; denn auf ſolche Art beugt man nicht nur dem gefaͤhrlichen Ruͤkkfluſſe der Milch ins
Blut,
(a)[Spaltenumbruch]VANDENESSE ergo recens nato lac. maternum. Paris 1741. BARON. Elactare matri ſaluberri- mum. Paris 1741.
(b)BAYLE diſſ. III.
(c)p. 24.
(d) Richtig mit dem BOERH. PUZON. poſth. p. 283. CRANZ. Hebammenkunſt p. 56.
(e) Sey Laͤmmern ſchaͤdlich BUFFON. T. V. p. 8. und den Kaͤlbern LISLE II. p. 144. oecon. nachr. T. IV. p. 42 doch macht es [Spaltenumbruch]
den Laͤmmern nuͤzzlich LINNAEUS for. p. 10.
(f)LISLE. die erſte Kuhmilch errege, wie ich glaube, beim Men- ſchen, nicht bei Kaͤlbern, ein Er- brechen BIKKER.
(g)DIONIS. accouchem. p. 364.
(h)MATANI aneurypn. p. 136.
(i) Die Mutter iſt nicht die zeugende, ſondern nur die naͤh- rende Perſon der eben gezeugten Frucht. Wer ernaͤhrt, erzeugt AE- SCHYLUS in Eumenid.
H. Phiſiol. 7. B. 2. Th. M m m
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0949"n="913"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">I.</hi> Abſchn. Die Bruͤſte.</hi></fw><lb/><divn="4"><head>§. 23.<lb/><hirendition="#b"><hirendition="#g">Der Nuzzen der Milch.</hi></hi></head><lb/><p>Es iſt dieſes die natuͤrlichſte Art von Nahrung; die<lb/>
Natur beſtimmt ſie, ein Thier zu ernaͤhren, welches auf<lb/>
die Welt geſezzt wird<noteplace="foot"n="(a)"><cb/><hirendition="#aq">VANDENESSE ergo recens<lb/>
nato lac. maternum. Paris 1741.<lb/>
BARON. Elactare matri ſaluberri-<lb/>
mum. Paris</hi> 1741.</note>, und davon ſind auch deſſen<lb/>
Eltern ernaͤhret worden <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq">BAYLE diſſ. III.</hi></note>, weil die Milch in ſehr we-<lb/>
nigen Stuͤkken von dem Chilus unterſchieden iſt <noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#aq">p.</hi> 24.</note>.<lb/>
Man muß auch nicht die erſte Milch als verwerflich be-<lb/>
trachten <noteplace="foot"n="(d)">Richtig mit dem <hirendition="#aq">BOERH.<lb/>
PUZON. poſth. p. 283. CRANZ.</hi><lb/>
Hebammenkunſt <hirendition="#aq">p.</hi> 56.</note>, indem ſie weder dem Kinde noch der<lb/>
Frucht anderer Thiere <noteplace="foot"n="(e)">Sey Laͤmmern ſchaͤdlich<lb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">BUFFON.</hi> T. V. p.</hi> 8. und den<lb/>
Kaͤlbern <hirendition="#aq">LISLE II. p. 144. oecon.<lb/>
nachr. T. IV. p.</hi> 42 doch macht es<lb/><cb/>
den Laͤmmern nuͤzzlich <hirendition="#aq">LINNAEUS<lb/>
for. p.</hi> 10.</note>ſchadet, ob ſie gleich offenen<lb/>
Leib macht <noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#aq">LISLE.</hi> die erſte Kuhmilch<lb/>
errege, wie ich glaube, beim Men-<lb/>ſchen, nicht bei Kaͤlbern, ein Er-<lb/>
brechen <hirendition="#aq">BIKKER.</hi></note>, und dieſen muß die Natur flieſſend er-<lb/>
halten, um das Gedaͤrme von dem mitgebrachten Un-<lb/>
rathe zu befreyen. Ungemein ſtark aber werden diejeni-<lb/>
gen Kinder, welche lange von der Mutter geſaͤuget wer-<lb/>
den. So genoß Ludwig der <hirendition="#aq">XIV.</hi><noteplace="foot"n="(g)"><hirendition="#aq">DIONIS. accouchem. p.</hi> 364.</note> dieſelbe ſechzehn<lb/>
Monathe lang, und dieſer Monarch erreichte ein hohes<lb/>
Alter. So befand ſich derjenige bei einer vollkommenen<lb/>
Geſundheit, welcher drei Jahre lang die Muttermilch<lb/>
genoſſen <noteplace="foot"n="(h)"><hirendition="#aq">MATANI aneurypn. p.</hi> 136.</note>: Dergleichen Exempel ſind mir mehrere be-<lb/>
kannt.</p><lb/><p>Es iſt aber auch der Mutter allezeit vortheilhafter <noteplace="foot"n="(i)">Die Mutter iſt nicht die<lb/>
zeugende, ſondern nur die naͤh-<lb/>
rende Perſon der eben gezeugten<lb/>
Frucht. Wer ernaͤhrt, erzeugt <hirendition="#aq">AE-<lb/>
SCHYLUS in Eumenid.</hi></note><lb/>
ihre Frucht ſelbſt zu ſaͤugen; denn auf ſolche Art beugt<lb/>
man nicht nur dem gefaͤhrlichen Ruͤkkfluſſe der Milch ins<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Blut,</fw><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">H. Phiſiol. 7. B. 2. Th.</hi> M m m</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[913/0949]
I. Abſchn. Die Bruͤſte.
§. 23.
Der Nuzzen der Milch.
Es iſt dieſes die natuͤrlichſte Art von Nahrung; die
Natur beſtimmt ſie, ein Thier zu ernaͤhren, welches auf
die Welt geſezzt wird (a), und davon ſind auch deſſen
Eltern ernaͤhret worden (b), weil die Milch in ſehr we-
nigen Stuͤkken von dem Chilus unterſchieden iſt (c).
Man muß auch nicht die erſte Milch als verwerflich be-
trachten (d), indem ſie weder dem Kinde noch der
Frucht anderer Thiere (e) ſchadet, ob ſie gleich offenen
Leib macht (f), und dieſen muß die Natur flieſſend er-
halten, um das Gedaͤrme von dem mitgebrachten Un-
rathe zu befreyen. Ungemein ſtark aber werden diejeni-
gen Kinder, welche lange von der Mutter geſaͤuget wer-
den. So genoß Ludwig der XIV. (g) dieſelbe ſechzehn
Monathe lang, und dieſer Monarch erreichte ein hohes
Alter. So befand ſich derjenige bei einer vollkommenen
Geſundheit, welcher drei Jahre lang die Muttermilch
genoſſen (h): Dergleichen Exempel ſind mir mehrere be-
kannt.
Es iſt aber auch der Mutter allezeit vortheilhafter (i)
ihre Frucht ſelbſt zu ſaͤugen; denn auf ſolche Art beugt
man nicht nur dem gefaͤhrlichen Ruͤkkfluſſe der Milch ins
Blut,
(a)
VANDENESSE ergo recens
nato lac. maternum. Paris 1741.
BARON. Elactare matri ſaluberri-
mum. Paris 1741.
(b) BAYLE diſſ. III.
(c) p. 24.
(d) Richtig mit dem BOERH.
PUZON. poſth. p. 283. CRANZ.
Hebammenkunſt p. 56.
(e) Sey Laͤmmern ſchaͤdlich
BUFFON. T. V. p. 8. und den
Kaͤlbern LISLE II. p. 144. oecon.
nachr. T. IV. p. 42 doch macht es
den Laͤmmern nuͤzzlich LINNAEUS
for. p. 10.
(f) LISLE. die erſte Kuhmilch
errege, wie ich glaube, beim Men-
ſchen, nicht bei Kaͤlbern, ein Er-
brechen BIKKER.
(g) DIONIS. accouchem. p. 364.
(h) MATANI aneurypn. p. 136.
(i) Die Mutter iſt nicht die
zeugende, ſondern nur die naͤh-
rende Perſon der eben gezeugten
Frucht. Wer ernaͤhrt, erzeugt AE-
SCHYLUS in Eumenid.
H. Phiſiol. 7. B. 2. Th. M m m
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 913. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/949>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.