Weibchen ein Wurm, wie ein Gallinsekt; das Männ- chen der Coccinelle auf den Adamsfeigen geflügelt, und das Weibchen (x) blos ein kriechendes Jnsekt.
Doch es ist auch jene Figirung der Zeugungsstoffe, welche Buffon selbst für eine Hipothese ausgiebt (y), nicht einmal eine Hipothese. Denn es ist gewis, daß diese Zeugungstheile sehr späte, und erst alsdenn nach- wachsen, wenn bereits die übrigen längst fertig sind. Es scheinet daher nicht wahrscheinlich zu seyn, daß die Basis eines neuen Körpers in einem trägen unförmlichen Theile stekken sollte, welcher keine Bewegung von sich giebt, und um welchen doch so viele vollkommne herum- stehen.
Bis jezt hat Buffon hierauf nicht geantwortet, und die Antwort des berühmten Pancouke ist so beschaffen, daß es eben so gut ist, als ob er es gestanden hätte. Es baue nämlich die verständige Natur diejenige Theile einer Frucht, so die Aeltern nicht haben, aus dem Ueberflusse (z) der organischen Stoffe: so mache sie die eine Hode aus den überflüßigen Theilen, welche von der Hode des Vaters herkommen, und eine tüchtige Stelle finden (a). So werde der Mutterkuchen, und die Bekleidungen der Frucht aus dem Uebermaasse der näh- renden Theile (b) hervorgebracht.
Wenn die Natur die Kunst versteht, ohne ein Mo- del, Flügel, Därme, Luftlöcher, Nerven, Füsse, Ho- den, Nabelschnüre und Aftergeburten zu machen, warum soll sie nicht auch das Recht haben, den übrigen Körper, ohne eine Form, zu bauen? Und woher rührt denn der Ueberfluß der Hodentheile, die sich nach der Form ge- bildet haben, bei einem Menschen mit einer einzigen Hode, indem das Modell bei diesem, um die Hälfte
klei-
(x)[Spaltenumbruch]Phil. trans. Vol. L. II. P. 2.
(y)II. p. 350.
(z)p. 188.
(a)[Spaltenumbruch]p. 193.
(b)Idem BUFFON.
Die Frucht. XXIX. B.
Weibchen ein Wurm, wie ein Gallinſekt; das Maͤnn- chen der Coccinelle auf den Adamsfeigen gefluͤgelt, und das Weibchen (x) blos ein kriechendes Jnſekt.
Doch es iſt auch jene Figirung der Zeugungsſtoffe, welche Buffon ſelbſt fuͤr eine Hipotheſe ausgiebt (y), nicht einmal eine Hipotheſe. Denn es iſt gewis, daß dieſe Zeugungstheile ſehr ſpaͤte, und erſt alsdenn nach- wachſen, wenn bereits die uͤbrigen laͤngſt fertig ſind. Es ſcheinet daher nicht wahrſcheinlich zu ſeyn, daß die Baſis eines neuen Koͤrpers in einem traͤgen unfoͤrmlichen Theile ſtekken ſollte, welcher keine Bewegung von ſich giebt, und um welchen doch ſo viele vollkommne herum- ſtehen.
Bis jezt hat Buffon hierauf nicht geantwortet, und die Antwort des beruͤhmten Pancouke iſt ſo beſchaffen, daß es eben ſo gut iſt, als ob er es geſtanden haͤtte. Es baue naͤmlich die verſtaͤndige Natur diejenige Theile einer Frucht, ſo die Aeltern nicht haben, aus dem Ueberfluſſe (z) der organiſchen Stoffe: ſo mache ſie die eine Hode aus den uͤberfluͤßigen Theilen, welche von der Hode des Vaters herkommen, und eine tuͤchtige Stelle finden (a). So werde der Mutterkuchen, und die Bekleidungen der Frucht aus dem Uebermaaſſe der naͤh- renden Theile (b) hervorgebracht.
Wenn die Natur die Kunſt verſteht, ohne ein Mo- del, Fluͤgel, Daͤrme, Luftloͤcher, Nerven, Fuͤſſe, Ho- den, Nabelſchnuͤre und Aftergeburten zu machen, warum ſoll ſie nicht auch das Recht haben, den uͤbrigen Koͤrper, ohne eine Form, zu bauen? Und woher ruͤhrt denn der Ueberfluß der Hodentheile, die ſich nach der Form ge- bildet haben, bei einem Menſchen mit einer einzigen Hode, indem das Modell bei dieſem, um die Haͤlfte
klei-
(x)[Spaltenumbruch]Phil. tranſ. Vol. L. II. P. 2.
(y)II. p. 350.
(z)p. 188.
(a)[Spaltenumbruch]p. 193.
(b)Idem BUFFON.
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Die Frucht. XXIX. B.
Weibchen ein Wurm, wie ein Gallinſekt; das Maͤnn-
chen der Coccinelle auf den Adamsfeigen gefluͤgelt, und
das Weibchen (x) blos ein kriechendes Jnſekt.
Doch es iſt auch jene Figirung der Zeugungsſtoffe,
welche Buffon ſelbſt fuͤr eine Hipotheſe ausgiebt (y),
nicht einmal eine Hipotheſe. Denn es iſt gewis, daß
dieſe Zeugungstheile ſehr ſpaͤte, und erſt alsdenn nach-
wachſen, wenn bereits die uͤbrigen laͤngſt fertig ſind.
Es ſcheinet daher nicht wahrſcheinlich zu ſeyn, daß die
Baſis eines neuen Koͤrpers in einem traͤgen unfoͤrmlichen
Theile ſtekken ſollte, welcher keine Bewegung von ſich
giebt, und um welchen doch ſo viele vollkommne herum-
ſtehen.
Bis jezt hat Buffon hierauf nicht geantwortet, und
die Antwort des beruͤhmten Pancouke iſt ſo beſchaffen,
daß es eben ſo gut iſt, als ob er es geſtanden haͤtte.
Es baue naͤmlich die verſtaͤndige Natur diejenige Theile
einer Frucht, ſo die Aeltern nicht haben, aus dem
Ueberfluſſe (z) der organiſchen Stoffe: ſo mache ſie die
eine Hode aus den uͤberfluͤßigen Theilen, welche von der
Hode des Vaters herkommen, und eine tuͤchtige Stelle
finden (a). So werde der Mutterkuchen, und die
Bekleidungen der Frucht aus dem Uebermaaſſe der naͤh-
renden Theile (b) hervorgebracht.
Wenn die Natur die Kunſt verſteht, ohne ein Mo-
del, Fluͤgel, Daͤrme, Luftloͤcher, Nerven, Fuͤſſe, Ho-
den, Nabelſchnuͤre und Aftergeburten zu machen, warum
ſoll ſie nicht auch das Recht haben, den uͤbrigen Koͤrper,
ohne eine Form, zu bauen? Und woher ruͤhrt denn der
Ueberfluß der Hodentheile, die ſich nach der Form ge-
bildet haben, bei einem Menſchen mit einer einzigen
Hode, indem das Modell bei dieſem, um die Haͤlfte
klei-
(x)
Phil. tranſ. Vol. L. II. P. 2.
(y) II. p. 350.
(z) p. 188.
(a)
p. 193.
(b) Idem BUFFON.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/266>, abgerufen am 23.11.2024.
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