Jch weis nicht, ob diese berühmte Männer irgend ein Argument, ausser den Muttermälern für sich gehabt haben mögen; denn es erlaubet übrigens die Analogie der Pflanzen, die sowol ihren Saamen, als ein ge- doppeltes Geschlecht haben, nicht an eine bauende Seele zu gedenken, wenn man nicht ein jedes Kraut mit einem denkenden Wesen, mit einer Hamadriade beschenken will, und Enkelseelen annimmt, indem ein jeder einzelne Ast eines jeden Baumes zu einem neuen Baume werden kann, und nach der Hipothese, von seiner Seele be- wohnt wird (q). Eine in hundert Tausend Zweige zer- ästelte Weide, kann zu hundert Tausend Weidenbäumen werden, und von der zerschneidenden Hand des Land- mannes mit hundert Tausend Seelen bepflanzt werden.
Endlich ist es blos das Werk eines allmächtigen Fin- gers, und nicht eines, in so enge Grenzen eingeschloß- nen Wesens, welches oft sehr thörigt denkt, und allezeit ohne Erfahrung ist, ja weder eine Jdee von sich, oder von fremden Körpern, oder von einer Frucht hat, wel- che im Begriffe steht, den ersten Eindrukk von einer kleinen Vernunft zu bekommen (r): welche, auch so gar nach einer funfzigjährigen Aufmerksamkeit, auf die einzel- ne Theile der Zergliederungskunst, dennoch kaum den hundersten Theil ihres eignen Gebäudes einzusehen ver- mag, und von der Karte ihres eignen Körpers nichts weiter, als die Berge und Meere kennen lernt, hinge- gen in dem Jnnern der Gemächer, und der Zusam- mensezzung ganz und gar unwissend bleibt, indem unsre Seele von nichts weis, ausser was ihr durch die Sinne erzählt wird.
Es mögen diejenige, welche ihre Meinung durch die Aehnlichkeit der Aeltern, so sich durch die Frucht verjüngen sollen, zu erweisen gedenken, überlegen, daß
die
(q)[Spaltenumbruch]WERLHOF cautel de febr. p. 787.
(r)[Spaltenumbruch]VALISNERI P. II. c. 15. n. 9. de anima plastica.
Die Frucht. XXIX. B.
Jch weis nicht, ob dieſe beruͤhmte Maͤnner irgend ein Argument, auſſer den Muttermaͤlern fuͤr ſich gehabt haben moͤgen; denn es erlaubet uͤbrigens die Analogie der Pflanzen, die ſowol ihren Saamen, als ein ge- doppeltes Geſchlecht haben, nicht an eine bauende Seele zu gedenken, wenn man nicht ein jedes Kraut mit einem denkenden Weſen, mit einer Hamadriade beſchenken will, und Enkelſeelen annimmt, indem ein jeder einzelne Aſt eines jeden Baumes zu einem neuen Baume werden kann, und nach der Hipotheſe, von ſeiner Seele be- wohnt wird (q). Eine in hundert Tauſend Zweige zer- aͤſtelte Weide, kann zu hundert Tauſend Weidenbaͤumen werden, und von der zerſchneidenden Hand des Land- mannes mit hundert Tauſend Seelen bepflanzt werden.
Endlich iſt es blos das Werk eines allmaͤchtigen Fin- gers, und nicht eines, in ſo enge Grenzen eingeſchloß- nen Weſens, welches oft ſehr thoͤrigt denkt, und allezeit ohne Erfahrung iſt, ja weder eine Jdee von ſich, oder von fremden Koͤrpern, oder von einer Frucht hat, wel- che im Begriffe ſteht, den erſten Eindrukk von einer kleinen Vernunft zu bekommen (r): welche, auch ſo gar nach einer funfzigjaͤhrigen Aufmerkſamkeit, auf die einzel- ne Theile der Zergliederungskunſt, dennoch kaum den hunderſten Theil ihres eignen Gebaͤudes einzuſehen ver- mag, und von der Karte ihres eignen Koͤrpers nichts weiter, als die Berge und Meere kennen lernt, hinge- gen in dem Jnnern der Gemaͤcher, und der Zuſam- menſezzung ganz und gar unwiſſend bleibt, indem unſre Seele von nichts weis, auſſer was ihr durch die Sinne erzaͤhlt wird.
Es moͤgen diejenige, welche ihre Meinung durch die Aehnlichkeit der Aeltern, ſo ſich durch die Frucht verjuͤngen ſollen, zu erweiſen gedenken, uͤberlegen, daß
die
(q)[Spaltenumbruch]WERLHOF cautel de febr. p. 787.
(r)[Spaltenumbruch]VALISNERI P. II. c. 15. n. 9. de anima plaſtica.
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Die Frucht. XXIX. B.
Jch weis nicht, ob dieſe beruͤhmte Maͤnner irgend
ein Argument, auſſer den Muttermaͤlern fuͤr ſich gehabt
haben moͤgen; denn es erlaubet uͤbrigens die Analogie
der Pflanzen, die ſowol ihren Saamen, als ein ge-
doppeltes Geſchlecht haben, nicht an eine bauende Seele
zu gedenken, wenn man nicht ein jedes Kraut mit einem
denkenden Weſen, mit einer Hamadriade beſchenken
will, und Enkelſeelen annimmt, indem ein jeder einzelne
Aſt eines jeden Baumes zu einem neuen Baume werden
kann, und nach der Hipotheſe, von ſeiner Seele be-
wohnt wird (q). Eine in hundert Tauſend Zweige zer-
aͤſtelte Weide, kann zu hundert Tauſend Weidenbaͤumen
werden, und von der zerſchneidenden Hand des Land-
mannes mit hundert Tauſend Seelen bepflanzt werden.
Endlich iſt es blos das Werk eines allmaͤchtigen Fin-
gers, und nicht eines, in ſo enge Grenzen eingeſchloß-
nen Weſens, welches oft ſehr thoͤrigt denkt, und allezeit
ohne Erfahrung iſt, ja weder eine Jdee von ſich, oder
von fremden Koͤrpern, oder von einer Frucht hat, wel-
che im Begriffe ſteht, den erſten Eindrukk von einer
kleinen Vernunft zu bekommen (r): welche, auch ſo gar
nach einer funfzigjaͤhrigen Aufmerkſamkeit, auf die einzel-
ne Theile der Zergliederungskunſt, dennoch kaum den
hunderſten Theil ihres eignen Gebaͤudes einzuſehen ver-
mag, und von der Karte ihres eignen Koͤrpers nichts
weiter, als die Berge und Meere kennen lernt, hinge-
gen in dem Jnnern der Gemaͤcher, und der Zuſam-
menſezzung ganz und gar unwiſſend bleibt, indem unſre
Seele von nichts weis, auſſer was ihr durch die Sinne
erzaͤhlt wird.
Es moͤgen diejenige, welche ihre Meinung durch
die Aehnlichkeit der Aeltern, ſo ſich durch die Frucht
verjuͤngen ſollen, zu erweiſen gedenken, uͤberlegen, daß
die
(q)
WERLHOF cautel de febr.
p. 787.
(r)
VALISNERI P. II. c. 15.
n. 9. de anima plaſtica.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/270>, abgerufen am 23.11.2024.
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