Jndem ich mich nach dem Schlusse dieses so langen Wer- kes sehne, so scheinet sich das gewünschte Ende mei- ner Arbeiten, bei aller Ermüdung, noch immer weiter hin zu verrükken, und die übernommene Last unter der Hand immer mehr und mehr anzuhäufen. Jch sehe mich ge- nöthiget, blos in diesem einzigen Kapitel die vornehmsten Punkte der Knochenerzeugung in die Kürze zu ziehen; ich muß ferner, wenigstens die ersten Grundzüge von ei- ner sehr artigen, aber fast neuen Speculation entwerfen. Noch Niemand hat sich bisher daran gemacht, auf eben die Art, wie man das Wachsthum der Knochen in der Frucht beschrieben findet, auch das allmäliche Festwerden der übrigen Theile an dem zarten Körper der Frucht auf eine richtige Weise zu beschreiben; von den Eingeweiden findet man einige hin und wieder zerstreute Nachrichten; aber die Muskeln, und die ersten Grundstoffe der festen Theile, hat man kaum obenhin berühret.
Um in meinem Vortrage einige Ordnung zu beob- achten, so müssen wir uns mit kurzen Worten erinnern, was es für eine Frucht sey, deren Wachsthum wir zu beschreiben die Absicht haben.
Es ist dieses ein Gallert (a), welcher bei dem ersten Anblikke kaum etwas von einer Form an sich hat; noch ist die Haut nicht von den darunter liegenden Theilen ab- gesondert, und man kann weder das Eingeweide, noch et- was, was einem Knochen ähnlich wäre, oder mit einem
Mu-
(a)p. 70.
D d 5
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Vierter Abſchnitt. Das Leben der Frucht.
§. 1. Die zarte Frucht.
Jndem ich mich nach dem Schluſſe dieſes ſo langen Wer- kes ſehne, ſo ſcheinet ſich das gewuͤnſchte Ende mei- ner Arbeiten, bei aller Ermuͤdung, noch immer weiter hin zu verruͤkken, und die uͤbernommene Laſt unter der Hand immer mehr und mehr anzuhaͤufen. Jch ſehe mich ge- noͤthiget, blos in dieſem einzigen Kapitel die vornehmſten Punkte der Knochenerzeugung in die Kuͤrze zu ziehen; ich muß ferner, wenigſtens die erſten Grundzuͤge von ei- ner ſehr artigen, aber faſt neuen Speculation entwerfen. Noch Niemand hat ſich bisher daran gemacht, auf eben die Art, wie man das Wachsthum der Knochen in der Frucht beſchrieben findet, auch das allmaͤliche Feſtwerden der uͤbrigen Theile an dem zarten Koͤrper der Frucht auf eine richtige Weiſe zu beſchreiben; von den Eingeweiden findet man einige hin und wieder zerſtreute Nachrichten; aber die Muskeln, und die erſten Grundſtoffe der feſten Theile, hat man kaum obenhin beruͤhret.
Um in meinem Vortrage einige Ordnung zu beob- achten, ſo muͤſſen wir uns mit kurzen Worten erinnern, was es fuͤr eine Frucht ſey, deren Wachsthum wir zu beſchreiben die Abſicht haben.
Es iſt dieſes ein Gallert (a), welcher bei dem erſten Anblikke kaum etwas von einer Form an ſich hat; noch iſt die Haut nicht von den darunter liegenden Theilen ab- geſondert, und man kann weder das Eingeweide, noch et- was, was einem Knochen aͤhnlich waͤre, oder mit einem
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[423[425]/0477]
IV. Abſ. Das Leben der Frucht.
Vierter Abſchnitt.
Das Leben der Frucht.
§. 1.
Die zarte Frucht.
Jndem ich mich nach dem Schluſſe dieſes ſo langen Wer-
kes ſehne, ſo ſcheinet ſich das gewuͤnſchte Ende mei-
ner Arbeiten, bei aller Ermuͤdung, noch immer weiter hin
zu verruͤkken, und die uͤbernommene Laſt unter der Hand
immer mehr und mehr anzuhaͤufen. Jch ſehe mich ge-
noͤthiget, blos in dieſem einzigen Kapitel die vornehmſten
Punkte der Knochenerzeugung in die Kuͤrze zu ziehen;
ich muß ferner, wenigſtens die erſten Grundzuͤge von ei-
ner ſehr artigen, aber faſt neuen Speculation entwerfen.
Noch Niemand hat ſich bisher daran gemacht, auf eben
die Art, wie man das Wachsthum der Knochen in der
Frucht beſchrieben findet, auch das allmaͤliche Feſtwerden
der uͤbrigen Theile an dem zarten Koͤrper der Frucht auf
eine richtige Weiſe zu beſchreiben; von den Eingeweiden
findet man einige hin und wieder zerſtreute Nachrichten;
aber die Muskeln, und die erſten Grundſtoffe der feſten
Theile, hat man kaum obenhin beruͤhret.
Um in meinem Vortrage einige Ordnung zu beob-
achten, ſo muͤſſen wir uns mit kurzen Worten erinnern,
was es fuͤr eine Frucht ſey, deren Wachsthum wir zu
beſchreiben die Abſicht haben.
Es iſt dieſes ein Gallert (a), welcher bei dem erſten
Anblikke kaum etwas von einer Form an ſich hat; noch
iſt die Haut nicht von den darunter liegenden Theilen ab-
geſondert, und man kann weder das Eingeweide, noch et-
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(a) p. 70.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 423[425]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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