Das erste, so eine Frucht vornimmt, so bald sie ein neuer Ankömmling in unserer Atmossphäre wird, ist die- ses, daß sie Athem holet. Denn, ob sich gleich manch- mal ein Kind eine Zeit lang, und man hat davon nicht wenig Exempel, und Minuten lang (a) von dem Athem- holen enthält, so schreiet es doch gemeiniglich, wenn es gesund und munter ist, so bald als es die Scheide ver- lassen; es könnte aber nicht schreien, wenn es nicht den Athem eingezogen, und die Lunge mit Luft angefüllet hätte. Unter unsern Hünerchens, welche pipten, war kein ein- ziges, dessen Lunge nicht auf dem Wässer geschwommen hätte (b); und sie schwamm bei denenjenigen nicht, wel- che nicht geschrien hatten (c).
Das andere, wornach ein neues Thier eine Begierde bezeigt, ist die Speise; folglich drükkt es den kleinen Mund, wenig Stunden nachher, und noch eher, wenn es der Natur zu thun erlaubt wäre, an die Brüste, und so geniesset es die für dasselbe vorbereitete Milch.
Von dem Athemholen hängen besondere Verände- rungen ab, welche diejenige besondere Blutstrassen, die in einer Frucht vorkommen, nach der Geburt betreffen. Von der genossenen Speise wächst der Körper, und die Speise wird nicht nur zur Ursache, sondern auch zu der Materie von der Entwikkelung einiger Theile. Wir wollen also die Ordnung zu unserm Vortrage daraus hernehmen.
Es holte also die Frucht, einige male, einige hun- dert oder tausend mal, und viellicht noch öfterer Luft. Sie erweiterte also die Lunge stärker, als bei einem er- wachsenen Menschen geschieht: je enger nemlich in einer Frucht die Lunge zusammen gepreßt ist, eine desto grössere Erweiterung ist sie nach der Geburt anzunehmen geschickt, und sie thut dieses so lange, bis sie das Ende in dieser
Fähig-
(a)L. VIII. p. 225.
(b)Form. du poulet. T. I. obs. 255. 257. 260.
(c)Obs. 258. 259. 261. 262.
I. Abſ. Das Wachſen des Koͤrpers.
Das erſte, ſo eine Frucht vornimmt, ſo bald ſie ein neuer Ankoͤmmling in unſerer Atmosſphaͤre wird, iſt die- ſes, daß ſie Athem holet. Denn, ob ſich gleich manch- mal ein Kind eine Zeit lang, und man hat davon nicht wenig Exempel, und Minuten lang (a) von dem Athem- holen enthaͤlt, ſo ſchreiet es doch gemeiniglich, wenn es geſund und munter iſt, ſo bald als es die Scheide ver- laſſen; es koͤnnte aber nicht ſchreien, wenn es nicht den Athem eingezogen, und die Lunge mit Luft angefuͤllet haͤtte. Unter unſern Huͤnerchens, welche pipten, war kein ein- ziges, deſſen Lunge nicht auf dem Waͤſſer geſchwommen haͤtte (b); und ſie ſchwamm bei denenjenigen nicht, wel- che nicht geſchrien hatten (c).
Das andere, wornach ein neues Thier eine Begierde bezeigt, iſt die Speiſe; folglich druͤkkt es den kleinen Mund, wenig Stunden nachher, und noch eher, wenn es der Natur zu thun erlaubt waͤre, an die Bruͤſte, und ſo genieſſet es die fuͤr daſſelbe vorbereitete Milch.
Von dem Athemholen haͤngen beſondere Veraͤnde- rungen ab, welche diejenige beſondere Blutſtraſſen, die in einer Frucht vorkommen, nach der Geburt betreffen. Von der genoſſenen Speiſe waͤchſt der Koͤrper, und die Speiſe wird nicht nur zur Urſache, ſondern auch zu der Materie von der Entwikkelung einiger Theile. Wir wollen alſo die Ordnung zu unſerm Vortrage daraus hernehmen.
Es holte alſo die Frucht, einige male, einige hun- dert oder tauſend mal, und viellicht noch oͤfterer Luft. Sie erweiterte alſo die Lunge ſtaͤrker, als bei einem er- wachſenen Menſchen geſchieht: je enger nemlich in einer Frucht die Lunge zuſammen gepreßt iſt, eine deſto groͤſſere Erweiterung iſt ſie nach der Geburt anzunehmen geſchickt, und ſie thut dieſes ſo lange, bis ſie das Ende in dieſer
Faͤhig-
(a)L. VIII. p. 225.
(b)Form. du poulet. T. I. obſ. 255. 257. 260.
(c)Obſ. 258. 259. 261. 262.
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[779[781]/0833]
I. Abſ. Das Wachſen des Koͤrpers.
Das erſte, ſo eine Frucht vornimmt, ſo bald ſie ein
neuer Ankoͤmmling in unſerer Atmosſphaͤre wird, iſt die-
ſes, daß ſie Athem holet. Denn, ob ſich gleich manch-
mal ein Kind eine Zeit lang, und man hat davon nicht
wenig Exempel, und Minuten lang (a) von dem Athem-
holen enthaͤlt, ſo ſchreiet es doch gemeiniglich, wenn es
geſund und munter iſt, ſo bald als es die Scheide ver-
laſſen; es koͤnnte aber nicht ſchreien, wenn es nicht den
Athem eingezogen, und die Lunge mit Luft angefuͤllet haͤtte.
Unter unſern Huͤnerchens, welche pipten, war kein ein-
ziges, deſſen Lunge nicht auf dem Waͤſſer geſchwommen
haͤtte (b); und ſie ſchwamm bei denenjenigen nicht, wel-
che nicht geſchrien hatten (c).
Das andere, wornach ein neues Thier eine Begierde
bezeigt, iſt die Speiſe; folglich druͤkkt es den kleinen
Mund, wenig Stunden nachher, und noch eher, wenn
es der Natur zu thun erlaubt waͤre, an die Bruͤſte, und
ſo genieſſet es die fuͤr daſſelbe vorbereitete Milch.
Von dem Athemholen haͤngen beſondere Veraͤnde-
rungen ab, welche diejenige beſondere Blutſtraſſen, die
in einer Frucht vorkommen, nach der Geburt betreffen.
Von der genoſſenen Speiſe waͤchſt der Koͤrper, und die
Speiſe wird nicht nur zur Urſache, ſondern auch zu der
Materie von der Entwikkelung einiger Theile. Wir
wollen alſo die Ordnung zu unſerm Vortrage daraus
hernehmen.
Es holte alſo die Frucht, einige male, einige hun-
dert oder tauſend mal, und viellicht noch oͤfterer Luft.
Sie erweiterte alſo die Lunge ſtaͤrker, als bei einem er-
wachſenen Menſchen geſchieht: je enger nemlich in einer
Frucht die Lunge zuſammen gepreßt iſt, eine deſto groͤſſere
Erweiterung iſt ſie nach der Geburt anzunehmen geſchickt,
und ſie thut dieſes ſo lange, bis ſie das Ende in dieſer
Faͤhig-
(a) L. VIII. p. 225.
(b) Form. du poulet. T. I. obſ. 255. 257. 260.
(c) Obſ. 258. 259. 261. 262.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 779[781]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/833>, abgerufen am 22.11.2024.
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