den Fäserchen und Plättchen des Fadengewebes äussert, indem man diese beständig in Bereitschaft findet, kürzer werden zu wollen. Nun sezze man, daß etwa eine Grube von aussen an irgend einem Gefässe, vermöge der Ver- zehrung, entstanden sey, und daß der Saft aus dem Röhr- chen diese Grube nicht erreichen könne: man sezze, wenn es uns beliebt, daß der Grundstof einer Muskelfaser, oder eines cellulösen Pläzzchens verloren gegangen sey.
So wird hier eben das vorgehen müssen; es wird nemlich der gallertartige Saft, welcher sich in der Nach- barschaft aufhält, gegen diese Grube zu, gleich als in ei- nem leeren Raum getrieben werden, es wird sich der- selbe um die Grube herumgiessen, er wird dieselbe aus- füllen, er wird sich an die erdige Grundstoffe anhängen, und von allen Arten der drükkenden Kräfte, sonderlich aber von den cellulösen Fasern, an das Gefässe angedrükkt werden, woran die Grube ausgestochen worden, indem diese Fasern von oben und unten daran anschliessen, und indem selbige ein Bestreben äussern, kürzer und gerader zu werden, so stossen sie dadurch den Leim in die Grube hinab, sie flikken diese Lükke aus, und was überflüßig ist, wird durch eben diese Kräfte weiter gewiesen, ob sich gleich bisweilen dieser Saft um das beschädigte Gefäß gleichsam als eine kleine Halbkugel ergiest, und nach dem Exempel des Beinbruchknorpels weit über die Wun- de weggeht. Es verwandelt sich aber ein zäher Saft sehr leicht, und auch widernatürlich, in ein Fadengewe- be, wie man an den Bändern sieht, welche in der Brust (i), und im Unterleibe (k), aus einem gallertar- tigen Safte, oder aus einem verdikkten Eiter, entstehen.
Man kann diese Art der Ernährung an den Fröschen mit Augen sehen (l), wenn man ihre Schlagadern ver- lezzt. Es ergießt sich nemlich aus der Wunde, und um
selbige
(i)[Spaltenumbruch]L. VIII. p. 121.
(k)L. XX. p. 344.
(l)[Spaltenumbruch]Oper. min. p. 114. n. 5.
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II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
den Faͤſerchen und Plaͤttchen des Fadengewebes aͤuſſert, indem man dieſe beſtaͤndig in Bereitſchaft findet, kuͤrzer werden zu wollen. Nun ſezze man, daß etwa eine Grube von auſſen an irgend einem Gefaͤſſe, vermoͤge der Ver- zehrung, entſtanden ſey, und daß der Saft aus dem Roͤhr- chen dieſe Grube nicht erreichen koͤnne: man ſezze, wenn es uns beliebt, daß der Grundſtof einer Muskelfaſer, oder eines celluloͤſen Plaͤzzchens verloren gegangen ſey.
So wird hier eben das vorgehen muͤſſen; es wird nemlich der gallertartige Saft, welcher ſich in der Nach- barſchaft aufhaͤlt, gegen dieſe Grube zu, gleich als in ei- nem leeren Raum getrieben werden, es wird ſich der- ſelbe um die Grube herumgieſſen, er wird dieſelbe aus- fuͤllen, er wird ſich an die erdige Grundſtoffe anhaͤngen, und von allen Arten der druͤkkenden Kraͤfte, ſonderlich aber von den celluloͤſen Faſern, an das Gefaͤſſe angedruͤkkt werden, woran die Grube ausgeſtochen worden, indem dieſe Faſern von oben und unten daran anſchlieſſen, und indem ſelbige ein Beſtreben aͤuſſern, kuͤrzer und gerader zu werden, ſo ſtoſſen ſie dadurch den Leim in die Grube hinab, ſie flikken dieſe Luͤkke aus, und was uͤberfluͤßig iſt, wird durch eben dieſe Kraͤfte weiter gewieſen, ob ſich gleich bisweilen dieſer Saft um das beſchaͤdigte Gefaͤß gleichſam als eine kleine Halbkugel ergieſt, und nach dem Exempel des Beinbruchknorpels weit uͤber die Wun- de weggeht. Es verwandelt ſich aber ein zaͤher Saft ſehr leicht, und auch widernatuͤrlich, in ein Fadengewe- be, wie man an den Baͤndern ſieht, welche in der Bruſt (i), und im Unterleibe (k), aus einem gallertar- tigen Safte, oder aus einem verdikkten Eiter, entſtehen.
Man kann dieſe Art der Ernaͤhrung an den Froͤſchen mit Augen ſehen (l), wenn man ihre Schlagadern ver- lezzt. Es ergießt ſich nemlich aus der Wunde, und um
ſelbige
(i)[Spaltenumbruch]L. VIII. p. 121.
(k)L. XX. p. 344.
(l)[Spaltenumbruch]Oper. min. p. 114. n. 5.
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[885[887]/0939]
II. Abſ. Der Zuſtand des Menſchen.
den Faͤſerchen und Plaͤttchen des Fadengewebes aͤuſſert,
indem man dieſe beſtaͤndig in Bereitſchaft findet, kuͤrzer
werden zu wollen. Nun ſezze man, daß etwa eine Grube
von auſſen an irgend einem Gefaͤſſe, vermoͤge der Ver-
zehrung, entſtanden ſey, und daß der Saft aus dem Roͤhr-
chen dieſe Grube nicht erreichen koͤnne: man ſezze, wenn
es uns beliebt, daß der Grundſtof einer Muskelfaſer,
oder eines celluloͤſen Plaͤzzchens verloren gegangen ſey.
So wird hier eben das vorgehen muͤſſen; es wird
nemlich der gallertartige Saft, welcher ſich in der Nach-
barſchaft aufhaͤlt, gegen dieſe Grube zu, gleich als in ei-
nem leeren Raum getrieben werden, es wird ſich der-
ſelbe um die Grube herumgieſſen, er wird dieſelbe aus-
fuͤllen, er wird ſich an die erdige Grundſtoffe anhaͤngen,
und von allen Arten der druͤkkenden Kraͤfte, ſonderlich
aber von den celluloͤſen Faſern, an das Gefaͤſſe angedruͤkkt
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dieſe Faſern von oben und unten daran anſchlieſſen, und
indem ſelbige ein Beſtreben aͤuſſern, kuͤrzer und gerader
zu werden, ſo ſtoſſen ſie dadurch den Leim in die Grube
hinab, ſie flikken dieſe Luͤkke aus, und was uͤberfluͤßig
iſt, wird durch eben dieſe Kraͤfte weiter gewieſen, ob ſich
gleich bisweilen dieſer Saft um das beſchaͤdigte Gefaͤß
gleichſam als eine kleine Halbkugel ergieſt, und nach
dem Exempel des Beinbruchknorpels weit uͤber die Wun-
de weggeht. Es verwandelt ſich aber ein zaͤher Saft
ſehr leicht, und auch widernatuͤrlich, in ein Fadengewe-
be, wie man an den Baͤndern ſieht, welche in der
Bruſt (i), und im Unterleibe (k), aus einem gallertar-
tigen Safte, oder aus einem verdikkten Eiter, entſtehen.
Man kann dieſe Art der Ernaͤhrung an den Froͤſchen
mit Augen ſehen (l), wenn man ihre Schlagadern ver-
lezzt. Es ergießt ſich nemlich aus der Wunde, und um
ſelbige
(i)
L. VIII. p. 121.
(k) L. XX. p. 344.
(l)
Oper. min. p. 114. n. 5.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 885[887]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/939>, abgerufen am 22.11.2024.
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