nach Speise fühlen, wenn wir verdauen, wenn wir uns noch zur Begattung, zur musculösen Anstrengung, zum Studiren fähig fühlen, und wenn der Körper noch nicht eben ganz saftlos ist.
Man könnte dieses angehende Alter bei denen Per- sonen anfangen, welche nicht kurzsichtig vom Gebrauche der Brillen geworden (i*), und diese Epoche bis ins sechszigste Jahr fortführen (k), ob es gleich hiebei auf die Verschiedenheit der Körper ankömmt, und einige vor den andern die Leibeskräfte und ihre Schönheit längere Zeit behalten.
Man muß also nicht die Ursache des Alters und To- des blos von der Steifigkeit (l) herleiten wollen, indem bei Greisen sehr viele Muskeln, aus dem Mangel der Reizbarkeit schwach werden, und schlaf hängen.
Jndessen fängt doch das Gedächtniß schon in diesem blühenden Alter an zu ermatten, und man kann nicht umhin die Härte des Gehirns zu gestehen (m). Die ehedem tief gemachten Eindrükke fallen uns wieder ein. Neuere Begebenheiten aber, die den Greisen aufstossen, können sie sich schwerlich entsinnen (m), und sie vergessen Dinge leicht, welche ehedem vorgegangen sind.
Jndessen bringt doch diese Langsamkeit selbst, so die Handlungen der Greise belebt, ihre Beurtheilungskraft zur Reife. Jndem sie einen zusammengesezzten Begrif auf der langsamen Wageschaale abwägen, so merken sie leicht den Unterscheid desselben von ähnlichen Begriffen, welche jedoch in einigen Stükken davon abweichen; hiezu
füge
(i*)[Spaltenumbruch]
Bei Mannspersonen von 35 Jahren, bei Frauenspersonen von 46. RUSSAE aecon. natur. p. 147.
(k) So sagt ALBERTI in con- stit. orim. Carol. p. 39. Wir nen- nen in der Schweiz Alte, vetera- nos, die das Jahr 63 erreicht ha- ben. Aus dem Salzwasser, so man nach abgelegten Bodensazze lange [Spaltenumbruch]
auf behält, stürzt sich eine kalkar- tige Materie nieder. Misc. Taurin. II. p. 89.
(l)L. A. VIEILLART. thes. ann. 1739. LALLEMANT thes. ann. 1743. CHEYNE sanit. infirm. p. 240.
(m) Ohne Nässe bei einem Man- ne von 130 Jahren FISCHER p. 181. hart Phil. trans. n. 306.
(m) Ohne Nässe bei einem Man- ne von 130 Jahren FISCHER p. 181. hart Phil. trans. n. 306.
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
nach Speiſe fuͤhlen, wenn wir verdauen, wenn wir uns noch zur Begattung, zur muſculoͤſen Anſtrengung, zum Studiren faͤhig fuͤhlen, und wenn der Koͤrper noch nicht eben ganz ſaftlos iſt.
Man koͤnnte dieſes angehende Alter bei denen Per- ſonen anfangen, welche nicht kurzſichtig vom Gebrauche der Brillen geworden (i*), und dieſe Epoche bis ins ſechszigſte Jahr fortfuͤhren (k), ob es gleich hiebei auf die Verſchiedenheit der Koͤrper ankoͤmmt, und einige vor den andern die Leibeskraͤfte und ihre Schoͤnheit laͤngere Zeit behalten.
Man muß alſo nicht die Urſache des Alters und To- des blos von der Steifigkeit (l) herleiten wollen, indem bei Greiſen ſehr viele Muskeln, aus dem Mangel der Reizbarkeit ſchwach werden, und ſchlaf haͤngen.
Jndeſſen faͤngt doch das Gedaͤchtniß ſchon in dieſem bluͤhenden Alter an zu ermatten, und man kann nicht umhin die Haͤrte des Gehirns zu geſtehen (m). Die ehedem tief gemachten Eindruͤkke fallen uns wieder ein. Neuere Begebenheiten aber, die den Greiſen aufſtoſſen, koͤnnen ſie ſich ſchwerlich entſinnen (m), und ſie vergeſſen Dinge leicht, welche ehedem vorgegangen ſind.
Jndeſſen bringt doch dieſe Langſamkeit ſelbſt, ſo die Handlungen der Greiſe belebt, ihre Beurtheilungskraft zur Reife. Jndem ſie einen zuſammengeſezzten Begrif auf der langſamen Wageſchaale abwaͤgen, ſo merken ſie leicht den Unterſcheid deſſelben von aͤhnlichen Begriffen, welche jedoch in einigen Stuͤkken davon abweichen; hiezu
fuͤge
(i*)[Spaltenumbruch]
Bei Mannsperſonen von 35 Jahren, bei Frauensperſonen von 46. RUSSAE aecon. natur. p. 147.
(k) So ſagt ALBERTI in con- ſtit. orim. Carol. p. 39. Wir nen- nen in der Schweiz Alte, vetera- nos, die das Jahr 63 erreicht ha- ben. Aus dem Salzwaſſer, ſo man nach abgelegten Bodenſazze lange [Spaltenumbruch]
auf behaͤlt, ſtuͤrzt ſich eine kalkar- tige Materie nieder. Miſc. Taurin. II. p. 89.
(l)L. A. VIEILLART. theſ. ann. 1739. LALLEMANT theſ. ann. 1743. CHEYNE ſanit. infirm. p. 240.
(m) Ohne Naͤſſe bei einem Man- ne von 130 Jahren FISCHER p. 181. hart Phil. tranſ. n. 306.
(m) Ohne Naͤſſe bei einem Man- ne von 130 Jahren FISCHER p. 181. hart Phil. tranſ. n. 306.
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[918[920]/0972]
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.
nach Speiſe fuͤhlen, wenn wir verdauen, wenn wir uns
noch zur Begattung, zur muſculoͤſen Anſtrengung, zum
Studiren faͤhig fuͤhlen, und wenn der Koͤrper noch nicht
eben ganz ſaftlos iſt.
Man koͤnnte dieſes angehende Alter bei denen Per-
ſonen anfangen, welche nicht kurzſichtig vom Gebrauche
der Brillen geworden (i*), und dieſe Epoche bis ins
ſechszigſte Jahr fortfuͤhren (k), ob es gleich hiebei auf
die Verſchiedenheit der Koͤrper ankoͤmmt, und einige vor
den andern die Leibeskraͤfte und ihre Schoͤnheit laͤngere
Zeit behalten.
Man muß alſo nicht die Urſache des Alters und To-
des blos von der Steifigkeit (l) herleiten wollen, indem
bei Greiſen ſehr viele Muskeln, aus dem Mangel der
Reizbarkeit ſchwach werden, und ſchlaf haͤngen.
Jndeſſen faͤngt doch das Gedaͤchtniß ſchon in dieſem
bluͤhenden Alter an zu ermatten, und man kann nicht
umhin die Haͤrte des Gehirns zu geſtehen (m). Die
ehedem tief gemachten Eindruͤkke fallen uns wieder ein.
Neuere Begebenheiten aber, die den Greiſen aufſtoſſen,
koͤnnen ſie ſich ſchwerlich entſinnen (m), und ſie vergeſſen
Dinge leicht, welche ehedem vorgegangen ſind.
Jndeſſen bringt doch dieſe Langſamkeit ſelbſt, ſo die
Handlungen der Greiſe belebt, ihre Beurtheilungskraft
zur Reife. Jndem ſie einen zuſammengeſezzten Begrif
auf der langſamen Wageſchaale abwaͤgen, ſo merken ſie
leicht den Unterſcheid deſſelben von aͤhnlichen Begriffen,
welche jedoch in einigen Stuͤkken davon abweichen; hiezu
fuͤge
(i*)
Bei Mannsperſonen von
35 Jahren, bei Frauensperſonen
von 46. RUSSAE aecon. natur.
p. 147.
(k) So ſagt ALBERTI in con-
ſtit. orim. Carol. p. 39. Wir nen-
nen in der Schweiz Alte, vetera-
nos, die das Jahr 63 erreicht ha-
ben. Aus dem Salzwaſſer, ſo man
nach abgelegten Bodenſazze lange
auf behaͤlt, ſtuͤrzt ſich eine kalkar-
tige Materie nieder. Miſc. Taurin.
II. p. 89.
(l) L. A. VIEILLART. theſ.
ann. 1739. LALLEMANT theſ.
ann. 1743. CHEYNE ſanit. infirm.
p. 240.
(m) Ohne Naͤſſe bei einem Man-
ne von 130 Jahren FISCHER p.
181. hart Phil. tranſ. n. 306.
(m) Ohne Naͤſſe bei einem Man-
ne von 130 Jahren FISCHER p.
181. hart Phil. tranſ. n. 306.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 918[920]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/972>, abgerufen am 24.11.2024.
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