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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Leben u. Tod der Menschen. XXX. B.

Vom Papagayen scheint die Sache zuverläßiger zu
seyn. Man hielte einen dergleichen in einem französischen
Hause, und man wuste von ihm, daß er im Jahre 1633
aus Jtalien herüber gebracht worden, so daß er über-
haupt älter, als hundert zehn Jahre war (n), da man
von ihm an die Akademie Bericht erstattete.

Die Fleischfressenden Vögel leben nicht eben länger (o).

Die mäßigen bringen ihre Jahre weiter als die ver-
liebten. Ein Hahn durchfaselt seine Scene geschwinde.
Die Holztaube (p), so kleiner als die Hüner ist, lebt in
einer gesezzmäßigen Ehe, und erreicht funfzig Jahre.

Von Canarienvögeln, wenn sie alle Jahre brüten,
lebt das Hähnchen schwerlich zehn, das Weibchen etwa
sechs bis sieben Jahre. Wenn sie sich daher der Begat-
tung enthalten, so leben sie bis ins zwey und zwanzigste
Jahr (q).

Woher aber mag wohl das lange Leben der Vögel
kommen? Sie haben sich vor kein Ausfallen der Zähne
zu fürchten; von der überflüßigen Erde entledigen sie sich
viel leichter, als die vierfüßigen Thiere, indem der Kalk
deutlich durch ihre Blase abgeht. Endlich halten sie den
Urin und Koth weniger zurükk, und noch niemand hat
die Vögel lehren können, sich bei diesem Geschäfte der
Natur zu schämen. Folglich stekkt die resorbirte Schärfe
so aus dem Kothe in das Blut zurükke geht, ihre Säfte
nicht an. Und vielleicht mag auch das Wechseln der
Federn eine natürliche Reinigung für ihre Säfte seyn.

Ueberhaupt leben die vierfüßigen Thiere nur eine
kurze Zeit, und gemeiniglich raubet der Verlust der Zäh-
ne einen Theil davon (r). Sie können nämlich ihre Spei-

sen
(n) [Spaltenumbruch] Hist de l'Acad. 1747. p. 57.
(o) VERULAMIUS p. 82.
(p) Idem. p. 50.
(q) HERVIEUX p. 354.
(r) [Spaltenumbruch] Von Schafen HASTFER
p.
45. Von Ochsen von 16 Jahren
LEOPOLD p. 370.
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.

Vom Papagayen ſcheint die Sache zuverlaͤßiger zu
ſeyn. Man hielte einen dergleichen in einem franzoͤſiſchen
Hauſe, und man wuſte von ihm, daß er im Jahre 1633
aus Jtalien heruͤber gebracht worden, ſo daß er uͤber-
haupt aͤlter, als hundert zehn Jahre war (n), da man
von ihm an die Akademie Bericht erſtattete.

Die Fleiſchfreſſenden Voͤgel leben nicht eben laͤnger (o).

Die maͤßigen bringen ihre Jahre weiter als die ver-
liebten. Ein Hahn durchfaſelt ſeine Scene geſchwinde.
Die Holztaube (p), ſo kleiner als die Huͤner iſt, lebt in
einer geſezzmaͤßigen Ehe, und erreicht funfzig Jahre.

Von Canarienvoͤgeln, wenn ſie alle Jahre bruͤten,
lebt das Haͤhnchen ſchwerlich zehn, das Weibchen etwa
ſechs bis ſieben Jahre. Wenn ſie ſich daher der Begat-
tung enthalten, ſo leben ſie bis ins zwey und zwanzigſte
Jahr (q).

Woher aber mag wohl das lange Leben der Voͤgel
kommen? Sie haben ſich vor kein Ausfallen der Zaͤhne
zu fuͤrchten; von der uͤberfluͤßigen Erde entledigen ſie ſich
viel leichter, als die vierfuͤßigen Thiere, indem der Kalk
deutlich durch ihre Blaſe abgeht. Endlich halten ſie den
Urin und Koth weniger zuruͤkk, und noch niemand hat
die Voͤgel lehren koͤnnen, ſich bei dieſem Geſchaͤfte der
Natur zu ſchaͤmen. Folglich ſtekkt die reſorbirte Schaͤrfe
ſo aus dem Kothe in das Blut zuruͤkke geht, ihre Saͤfte
nicht an. Und vielleicht mag auch das Wechſeln der
Federn eine natuͤrliche Reinigung fuͤr ihre Saͤfte ſeyn.

Ueberhaupt leben die vierfuͤßigen Thiere nur eine
kurze Zeit, und gemeiniglich raubet der Verluſt der Zaͤh-
ne einen Theil davon (r). Sie koͤnnen naͤmlich ihre Spei-

ſen
(n) [Spaltenumbruch] Hiſt de l’Acad. 1747. p. 57.
(o) VERULAMIUS p. 82.
(p) Idem. p. 50.
(q) HERVIEUX p. 354.
(r) [Spaltenumbruch] Von Schafen HASTFER
p.
45. Von Ochſen von 16 Jahren
LEOPOLD p. 370.
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[932[934]/0986] Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B. Vom Papagayen ſcheint die Sache zuverlaͤßiger zu ſeyn. Man hielte einen dergleichen in einem franzoͤſiſchen Hauſe, und man wuſte von ihm, daß er im Jahre 1633 aus Jtalien heruͤber gebracht worden, ſo daß er uͤber- haupt aͤlter, als hundert zehn Jahre war (n), da man von ihm an die Akademie Bericht erſtattete. Die Fleiſchfreſſenden Voͤgel leben nicht eben laͤnger (o). Die maͤßigen bringen ihre Jahre weiter als die ver- liebten. Ein Hahn durchfaſelt ſeine Scene geſchwinde. Die Holztaube (p), ſo kleiner als die Huͤner iſt, lebt in einer geſezzmaͤßigen Ehe, und erreicht funfzig Jahre. Von Canarienvoͤgeln, wenn ſie alle Jahre bruͤten, lebt das Haͤhnchen ſchwerlich zehn, das Weibchen etwa ſechs bis ſieben Jahre. Wenn ſie ſich daher der Begat- tung enthalten, ſo leben ſie bis ins zwey und zwanzigſte Jahr (q). Woher aber mag wohl das lange Leben der Voͤgel kommen? Sie haben ſich vor kein Ausfallen der Zaͤhne zu fuͤrchten; von der uͤberfluͤßigen Erde entledigen ſie ſich viel leichter, als die vierfuͤßigen Thiere, indem der Kalk deutlich durch ihre Blaſe abgeht. Endlich halten ſie den Urin und Koth weniger zuruͤkk, und noch niemand hat die Voͤgel lehren koͤnnen, ſich bei dieſem Geſchaͤfte der Natur zu ſchaͤmen. Folglich ſtekkt die reſorbirte Schaͤrfe ſo aus dem Kothe in das Blut zuruͤkke geht, ihre Saͤfte nicht an. Und vielleicht mag auch das Wechſeln der Federn eine natuͤrliche Reinigung fuͤr ihre Saͤfte ſeyn. Ueberhaupt leben die vierfuͤßigen Thiere nur eine kurze Zeit, und gemeiniglich raubet der Verluſt der Zaͤh- ne einen Theil davon (r). Sie koͤnnen naͤmlich ihre Spei- ſen (n) Hiſt de l’Acad. 1747. p. 57. (o) VERULAMIUS p. 82. (p) Idem. p. 50. (q) HERVIEUX p. 354. (r) Von Schafen HASTFER p. 45. Von Ochſen von 16 Jahren LEOPOLD p. 370.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 932[934]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/986>, abgerufen am 24.11.2024.