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Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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von seinem Wirthe mit den besten Wünschen für eine "ruhigschlafende" Nacht auf seine Stube geleitet wurde.

Der Morgen dämmerte herauf, und die ersten blassen Strahlen des Zwielichts, die in die Kammer des Schreibers Ferencz brachen, fanden ihn wach und halb angekleidet auf seinem zerwühlten Lager sitzend, dem diese Nacht Ruhe und Schlummer fern geblieben zu sein schienen. Der Lichtschirm und das schwarzseidene Tuch, das er Tags zuvor um die Backen geschlungen hatte, lagen inmitten der Stube auf den Boden hingeschleudert, der mit zerrissenen Papieren bedeckt war; Schrank und Lade standen weit offen; Kleidungsstücke, Wäsche und andere Habseligkeiten lagen theils da und dort auf Tischen und Stühlen, theils neben dem Felleisen aufgehäuft, das in einer Ecke des Gemachs halbgepackt dastand und nach dem die Blicke des Schreibers von Zeit zu Zeit unruhig düster hinüberglitten, als überlegte er, ob er das angefangene Werk nicht doch vollenden solle. Wenn die Umgebung des jungen Mannes durch diese und andere Züge einen seltsamen Ausdruck des Unfriedens und der Verworrenheit erhielt, so zeigten sich diese letztern ihm selbst und seiner ganzen Erscheinung noch viel deutlicher aufgeprägt. Seine zusammengeknickte Haltung, das tief auf die Brust herabgesenkte Haupt, die fahle Blässe der Wangen verrieth die äußerste Erschöpfung, während die schweren Seufzer, die von Zeit zu Zeit aus der beklommenen Brust sich losrangen, und das unter den krampfhaft zusammengezogenen Brauen düster hervorblitzende

von seinem Wirthe mit den besten Wünschen für eine “ruhigschlafende“ Nacht auf seine Stube geleitet wurde.

Der Morgen dämmerte herauf, und die ersten blassen Strahlen des Zwielichts, die in die Kammer des Schreibers Ferencz brachen, fanden ihn wach und halb angekleidet auf seinem zerwühlten Lager sitzend, dem diese Nacht Ruhe und Schlummer fern geblieben zu sein schienen. Der Lichtschirm und das schwarzseidene Tuch, das er Tags zuvor um die Backen geschlungen hatte, lagen inmitten der Stube auf den Boden hingeschleudert, der mit zerrissenen Papieren bedeckt war; Schrank und Lade standen weit offen; Kleidungsstücke, Wäsche und andere Habseligkeiten lagen theils da und dort auf Tischen und Stühlen, theils neben dem Felleisen aufgehäuft, das in einer Ecke des Gemachs halbgepackt dastand und nach dem die Blicke des Schreibers von Zeit zu Zeit unruhig düster hinüberglitten, als überlegte er, ob er das angefangene Werk nicht doch vollenden solle. Wenn die Umgebung des jungen Mannes durch diese und andere Züge einen seltsamen Ausdruck des Unfriedens und der Verworrenheit erhielt, so zeigten sich diese letztern ihm selbst und seiner ganzen Erscheinung noch viel deutlicher aufgeprägt. Seine zusammengeknickte Haltung, das tief auf die Brust herabgesenkte Haupt, die fahle Blässe der Wangen verrieth die äußerste Erschöpfung, während die schweren Seufzer, die von Zeit zu Zeit aus der beklommenen Brust sich losrangen, und das unter den krampfhaft zusammengezogenen Brauen düster hervorblitzende

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[0046] von seinem Wirthe mit den besten Wünschen für eine “ruhigschlafende“ Nacht auf seine Stube geleitet wurde. Der Morgen dämmerte herauf, und die ersten blassen Strahlen des Zwielichts, die in die Kammer des Schreibers Ferencz brachen, fanden ihn wach und halb angekleidet auf seinem zerwühlten Lager sitzend, dem diese Nacht Ruhe und Schlummer fern geblieben zu sein schienen. Der Lichtschirm und das schwarzseidene Tuch, das er Tags zuvor um die Backen geschlungen hatte, lagen inmitten der Stube auf den Boden hingeschleudert, der mit zerrissenen Papieren bedeckt war; Schrank und Lade standen weit offen; Kleidungsstücke, Wäsche und andere Habseligkeiten lagen theils da und dort auf Tischen und Stühlen, theils neben dem Felleisen aufgehäuft, das in einer Ecke des Gemachs halbgepackt dastand und nach dem die Blicke des Schreibers von Zeit zu Zeit unruhig düster hinüberglitten, als überlegte er, ob er das angefangene Werk nicht doch vollenden solle. Wenn die Umgebung des jungen Mannes durch diese und andere Züge einen seltsamen Ausdruck des Unfriedens und der Verworrenheit erhielt, so zeigten sich diese letztern ihm selbst und seiner ganzen Erscheinung noch viel deutlicher aufgeprägt. Seine zusammengeknickte Haltung, das tief auf die Brust herabgesenkte Haupt, die fahle Blässe der Wangen verrieth die äußerste Erschöpfung, während die schweren Seufzer, die von Zeit zu Zeit aus der beklommenen Brust sich losrangen, und das unter den krampfhaft zusammengezogenen Brauen düster hervorblitzende

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T10:52:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T10:52:38Z)

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Zitationshilfe: Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/46>, abgerufen am 28.03.2024.