Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Er schlug den Weg nach der Stadt ein; um die Ecke des Hauses gekommen, bog er abermals links ab, lief an der Gartenmauer hin, bis er an das angelehnte Hinterpförtchen gelangte und durch dasselbe sich wieder ins Haus stehlend, an der Hinterwand der Stallungen sich fortschleichend, den Holzhof erreichte. Dort erwartete ihn Czenczi mit einem mit Eßwaaren gefüllten Korbe an der Kellerthür und geleitete ihn die Treppe hinab in das Kellerstübchen, das in einer Ecke des untersten Kellergeschosses aus starken, mit Backsteinen verkleideten Bohlenwänden erbaut war und in das die Fürsorge der Liebe schon früher Betten, Kerzen und was sonst zur Bequemlichkeit des freiwillig Gefangenen dienen konnte, hinuntergeschafft hatte. Hier verließ sie ihn mit dem Versprechen, Nachts, wenn Alles zur Ruhe wäre, Nachricht zu bringen, wie es im Hause stehe: Ferencz aber, nun des Gelingens seines Anschlages gewiß und voll der sichern Hoffnung, dem Hause, in dessen einsamsten Winkel er nun sich verbergen mußte, dereinst als Herr und Eigenthümer zu gebieten, erquickte sich an den im Korbe befindlichen Lebensmitteln und streckte sich dann auf das ihm zubereitete Lager, um die entbehrte Nachtruhe nachzuholen. Horvath kehrte erst spät Nachmittags von Vasarhely zurück; die Niedergeschlagenheit Czenczi's und ihre verweinten Augen schien er nicht zu bemerken; die alte Margit, die in unkluger Geschwätzigkeit die Entfernung ihres Lieblings zur Sprache zu bringen versuchte, fertigte Er schlug den Weg nach der Stadt ein; um die Ecke des Hauses gekommen, bog er abermals links ab, lief an der Gartenmauer hin, bis er an das angelehnte Hinterpförtchen gelangte und durch dasselbe sich wieder ins Haus stehlend, an der Hinterwand der Stallungen sich fortschleichend, den Holzhof erreichte. Dort erwartete ihn Czenczi mit einem mit Eßwaaren gefüllten Korbe an der Kellerthür und geleitete ihn die Treppe hinab in das Kellerstübchen, das in einer Ecke des untersten Kellergeschosses aus starken, mit Backsteinen verkleideten Bohlenwänden erbaut war und in das die Fürsorge der Liebe schon früher Betten, Kerzen und was sonst zur Bequemlichkeit des freiwillig Gefangenen dienen konnte, hinuntergeschafft hatte. Hier verließ sie ihn mit dem Versprechen, Nachts, wenn Alles zur Ruhe wäre, Nachricht zu bringen, wie es im Hause stehe: Ferencz aber, nun des Gelingens seines Anschlages gewiß und voll der sichern Hoffnung, dem Hause, in dessen einsamsten Winkel er nun sich verbergen mußte, dereinst als Herr und Eigenthümer zu gebieten, erquickte sich an den im Korbe befindlichen Lebensmitteln und streckte sich dann auf das ihm zubereitete Lager, um die entbehrte Nachtruhe nachzuholen. Horváth kehrte erst spät Nachmittags von Vásárhely zurück; die Niedergeschlagenheit Czenczi's und ihre verweinten Augen schien er nicht zu bemerken; die alte Margit, die in unkluger Geschwätzigkeit die Entfernung ihres Lieblings zur Sprache zu bringen versuchte, fertigte <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="0"> <pb facs="#f0056"/> <p>Er schlug den Weg nach der Stadt ein; um die Ecke des Hauses gekommen, bog er abermals links ab, lief an der Gartenmauer hin, bis er an das angelehnte Hinterpförtchen gelangte und durch dasselbe sich wieder ins Haus stehlend, an der Hinterwand der Stallungen sich fortschleichend, den Holzhof erreichte. Dort erwartete ihn Czenczi mit einem mit Eßwaaren gefüllten Korbe an der Kellerthür und geleitete ihn die Treppe hinab in das Kellerstübchen, das in einer Ecke des untersten Kellergeschosses aus starken, mit Backsteinen verkleideten Bohlenwänden erbaut war und in das die Fürsorge der Liebe schon früher Betten, Kerzen und was sonst zur Bequemlichkeit des freiwillig Gefangenen dienen konnte, hinuntergeschafft hatte. Hier verließ sie ihn mit dem Versprechen, Nachts, wenn Alles zur Ruhe wäre, Nachricht zu bringen, wie es im Hause stehe: Ferencz aber, nun des Gelingens seines Anschlages gewiß und voll der sichern Hoffnung, dem Hause, in dessen einsamsten Winkel er nun sich verbergen mußte, dereinst als Herr und Eigenthümer zu gebieten, erquickte sich an den im Korbe befindlichen Lebensmitteln und streckte sich dann auf das ihm zubereitete Lager, um die entbehrte Nachtruhe nachzuholen.</p><lb/> <p>Horváth kehrte erst spät Nachmittags von Vásárhely zurück; die Niedergeschlagenheit Czenczi's und ihre verweinten Augen schien er nicht zu bemerken; die alte Margit, die in unkluger Geschwätzigkeit die Entfernung ihres Lieblings zur Sprache zu bringen versuchte, fertigte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0056]
Er schlug den Weg nach der Stadt ein; um die Ecke des Hauses gekommen, bog er abermals links ab, lief an der Gartenmauer hin, bis er an das angelehnte Hinterpförtchen gelangte und durch dasselbe sich wieder ins Haus stehlend, an der Hinterwand der Stallungen sich fortschleichend, den Holzhof erreichte. Dort erwartete ihn Czenczi mit einem mit Eßwaaren gefüllten Korbe an der Kellerthür und geleitete ihn die Treppe hinab in das Kellerstübchen, das in einer Ecke des untersten Kellergeschosses aus starken, mit Backsteinen verkleideten Bohlenwänden erbaut war und in das die Fürsorge der Liebe schon früher Betten, Kerzen und was sonst zur Bequemlichkeit des freiwillig Gefangenen dienen konnte, hinuntergeschafft hatte. Hier verließ sie ihn mit dem Versprechen, Nachts, wenn Alles zur Ruhe wäre, Nachricht zu bringen, wie es im Hause stehe: Ferencz aber, nun des Gelingens seines Anschlages gewiß und voll der sichern Hoffnung, dem Hause, in dessen einsamsten Winkel er nun sich verbergen mußte, dereinst als Herr und Eigenthümer zu gebieten, erquickte sich an den im Korbe befindlichen Lebensmitteln und streckte sich dann auf das ihm zubereitete Lager, um die entbehrte Nachtruhe nachzuholen.
Horváth kehrte erst spät Nachmittags von Vásárhely zurück; die Niedergeschlagenheit Czenczi's und ihre verweinten Augen schien er nicht zu bemerken; die alte Margit, die in unkluger Geschwätzigkeit die Entfernung ihres Lieblings zur Sprache zu bringen versuchte, fertigte
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Zitationshilfe: | Halm, Friedrich [d. i. Eligius Franz Joseph von Münch Bellinghausen]: Die Marzipan-Lise. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–70. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/halm_lise_1910/56>, abgerufen am 09.02.2023. |