Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.II. Die Zeit der Staufer. wenigsten das Geheimnis seines Mißerfolges -- von jüdischer Ab-kunft und schon deshalb den Bernhardinern als Papst zuwider. Seine italienische Machtstellung aber war nicht so leicht zu er- schüttern, denn er behauptete sich in Rom, hatte die Mailänder Kirche durch kluge Zugeständnisse gewonnen und fand seinen kräftigsten Rückhalt an Roger II. von Sizilien.1) In ihm (1101-1154) war den süditalischen Normannen der erste geniale 1) Vergl. über ihn Caspar, Roger II. 1904.
II. Die Zeit der Staufer. wenigsten das Geheimnis seines Mißerfolges — von jüdischer Ab-kunft und schon deshalb den Bernhardinern als Papst zuwider. Seine italienische Machtstellung aber war nicht so leicht zu er- schüttern, denn er behauptete sich in Rom, hatte die Mailänder Kirche durch kluge Zugeständnisse gewonnen und fand seinen kräftigsten Rückhalt an Roger II. von Sizilien.1) In ihm (1101‒1154) war den süditalischen Normannen der erste geniale 1) Vergl. über ihn Caspar, Roger II. 1904.
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II. Die Zeit der Staufer.
wenigsten das Geheimnis seines Mißerfolges — von jüdischer Ab-
kunft und schon deshalb den Bernhardinern als Papst zuwider.
Seine italienische Machtstellung aber war nicht so leicht zu er-
schüttern, denn er behauptete sich in Rom, hatte die Mailänder
Kirche durch kluge Zugeständnisse gewonnen und fand seinen
kräftigsten Rückhalt an Roger II. von Sizilien. 1)
In ihm (1101‒1154) war den süditalischen Normannen der erste geniale
Staatsmann erstanden, zugleich der erste moderner anmutende Herrscher des
Mittelalters überhaupt, ein kluger, ränkevoller Nützlichkeitsrechner, voll
statistischer, nationalökonomischer, geographischer Interessen, der seine wilden
Leidenschaften in den Dienst seiner politischen Pläne zu zwingen wußte. Von
der Grundlage der Insel Sizilien ausgehend, die sein Vater Roger I. als Lehens-
mann Robert Guiscards erobert hatte, selbst ohne Feldherrngabe und sol-
datische Neigungen, aber voll listenreicher Kombinationsgabe, glücklicher
Treffsicherheit und diplomatischer Kunst, hatte er in vielfachen, rastlosen
Kämpfen die kleineren normannischen und langobardischen Staatsgebilde des
süditalischen Festlands der kräftigeren insularen Einheit anzugliedern ver-
standen, unter Verletzung der lehnsrechtlichen Ansprüche von Reich und
Papsttum, Schritt für Schritt seine Grenzen gegen Norden bedrohlich vor-
schiebend. Vor allem aber gelang es seinem Verwaltungsgenie, diese bunt-
bevölkerten und auseinanderstrebenden Gebietsfetzen wirklich zu einer festen
Reichseinheit zusammenzuschweißen. Seine „Assisen des Königreichs Sizilien“
sind Jahrhunderte lang ganz in den Hintergrund gedrängt worden durch das
umfassendere, aber wesentlich auf ihnen beruhende Gesetzeswerk seines Enkels
Kaiser Friedrich II., bis sie endlich wieder an den gebührenden Platz ge-
rückt wurden. Sie sind buntscheckig, wie die ganze Mischkultur dieses
Reiches, zusammengesetzt aus verschiedenen nationalen Elementen, wie die unter
Roger in Palermo erbaute Palastkapelle aus Stilarten, aber das eben gab ihnen
die Wirkungskraft, daß die einzelnen Volksstämme das Beste ihrer eigenen Ord-
nungen in ihnen wiederfanden. Normannisch war das Gebiet des Lehenswesens,
aber auch insgesamt die leichte Anpassung, geschickte Handhabung und kluge
Weiterbildung; altrömisch und byzantinisch die straffe Beamtenorganisation
mit dem starken und geheiligten monarchischen Haupt; arabisch und jüdisch
das gesamte Finanzwesen, insbesondere die Steuer- und Zollpolitik, die die
reichen Schätze des Landes für die Krone flüssig machte und ihren großen
Unternehmungen erst den rechten Rückhalt gab. Diese unerschöpflichen
Mittel, dazu eine treffliche Heeresorganisation mit Verwendung arabischer
Söldner und starken Festungsbauten, die Schöpfung einer schlagfertigen Flotte
und endlich die unvergleichliche geographische Lage Siziliens machten Rogers
Reich alsbald zur gefürchtetsten Macht des Mittelmeerbeckens, gehaßt von
Pisanern, Genuesen und Venezianern, deren Handel es schädigte, befehdet von
dem griechischen Kaiser, dessen Botmäßigkeit es ja zum großen Teil erst ab-
gerungen war, mißtrauisch beobachtet von dem Papsttum, dem es Rücken-
deckung bieten, aber auch Vernichtung drohen konnte, und dem es alle
eignen Herrschaftspläne hier im Süden zerstörte. Schon Honorius II. hatte
den aussichtslosen Kampf gegen Roger aufgegeben und ihn mit dem Herzog-
tum Apulien belehnt (1128). Durch noch größere Zugeständnisse gewann
jetzt Anaklet seine Hülfe, indem er das um Capua, Neapel und Benevent er-
weiterte Gesamtgebiet Rogers als ein päpstliches Lehen zum Königreich er-
1) Vergl. über ihn Caspar, Roger II. 1904.
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