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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157-1167).
die Gegenwirkung immer mächtiger anschwoll, das gregorianische
Papsttum in der Verteidigung seiner Unabhängigkeit an der natio-
nalen Empfindlichkeit Westeuropas und dem Freiheitsdrang der
lombardischen Städte die kräftigsten Stützen fand, hat er Friedrich,
der ohne ihn in seiner maßvolleren Weise vielleicht eingelenkt
haben würde, mit seinem zähen, niederdeutschen Starrsinn bis an
sein Ende in der Bahn festzuhalten verstanden. Niemand weiß,
welch' neue Mittel der erfindungsreiche Geist des Kanzlers noch
ersonnen hätte, um aus der bedenklichen Lage, die durch die
römische Katastrophe von 1167 plötzlich enthüllt wurde, heraus-
zukommen; aber die Erbschaft, die er seinem kaiserlichen Herrn
hinterließ, war nicht beneidenswert. Bei dem allen ist freilich scharf
zu betonen, daß Reinalds Politik ebensowohl Abwehr wie Angriff
war, daß zwei Offensiven aufeinander stießen.

Schon im Jahre 1157 kam es auf dem Reichstage zu Be-
sancon zu einem hitzigen Vorgefecht.1) Erzbischof Eskil von Lund,
der sich in Rom unter Verletzung der älteren bremischen Ansprüche
den Primat über Dänemark und Schweden hatte übertragen lassen,
war bei seiner Rückkehr auf burgundischem Reichsgebiet von Übel-
tätern überfallen und gefangen gehalten. In einem Beschwerde-
schreiben Hadrians, das dem Kaiser in Besancon von zwei päpst-
lichen Kardinallegaten, darunter Roland, überreicht wurde, war die
Wendung gebraucht, der Papst bereue trotzdem die Übertragung
der Kaiserkrone an Friedrich nicht und würde sich sogar freuen,
wenn er ihm noch größere Benefizien verliehen hätte. Man kannte
bei Hofe zur Genüge die seit Gregor VII. auf Lehenshoheit über
das Kaisertum gerichteten Weltherrschaftswünsche der Kurie, wie
sie auch in jenem Lateranbilde ihren Ausdruck fanden, das Kaiser
Lothar als Lehnsmann des Papstes darstellte. Die Gespanntheit
der Lage und das selbstbewußte Auftreten der Legaten schienen
keinen Zweifel daran zu lassen, daß die Zweideutigkeit des Aus-
drucks "Benefizien" beabsichtigt war. So verdeutschte ihn der
Kanzler Reinald nicht mit dem harmlosen Worte "Wohltaten",
sondern mit dem inhaltschweren Begriff "Lehen" und erregte da-
durch auf dem Reichstage einen Sturm nationaler Entrüstung, in
dem nur das Eingreifen des Kaisers das Leben der Legaten schützte.2)
Anstatt Reinalds Übersetzung sofort als irrtümlich zurückzuweisen,
machte der Papst den Versuch, die deutschen Bischöfe in dem be-

1) Vgl. für das folgende die in einigen Punkten zu überholende Studie
von Ribbeck, F. I. u. d. röm. Kurie 1157-59 (1881).
2) Mit Ficker nehmen auch Nitzsch und Lamprecht an, Reinald habe
durch entstellende Auslegung diesen Streit vom Zaun gebrochen, während
etwa Reuter (s. S. 136) und Hauck der Kurie die offne Absicht des Bruches zu-

§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167).
die Gegenwirkung immer mächtiger anschwoll, das gregorianische
Papsttum in der Verteidigung seiner Unabhängigkeit an der natio-
nalen Empfindlichkeit Westeuropas und dem Freiheitsdrang der
lombardischen Städte die kräftigsten Stützen fand, hat er Friedrich,
der ohne ihn in seiner maßvolleren Weise vielleicht eingelenkt
haben würde, mit seinem zähen, niederdeutschen Starrsinn bis an
sein Ende in der Bahn festzuhalten verstanden. Niemand weiß,
welch' neue Mittel der erfindungsreiche Geist des Kanzlers noch
ersonnen hätte, um aus der bedenklichen Lage, die durch die
römische Katastrophe von 1167 plötzlich enthüllt wurde, heraus-
zukommen; aber die Erbschaft, die er seinem kaiserlichen Herrn
hinterließ, war nicht beneidenswert. Bei dem allen ist freilich scharf
zu betonen, daß Reinalds Politik ebensowohl Abwehr wie Angriff
war, daß zwei Offensiven aufeinander stießen.

Schon im Jahre 1157 kam es auf dem Reichstage zu Be-
sançon zu einem hitzigen Vorgefecht.1) Erzbischof Eskil von Lund,
der sich in Rom unter Verletzung der älteren bremischen Ansprüche
den Primat über Dänemark und Schweden hatte übertragen lassen,
war bei seiner Rückkehr auf burgundischem Reichsgebiet von Übel-
tätern überfallen und gefangen gehalten. In einem Beschwerde-
schreiben Hadrians, das dem Kaiser in Besançon von zwei päpst-
lichen Kardinallegaten, darunter Roland, überreicht wurde, war die
Wendung gebraucht, der Papst bereue trotzdem die Übertragung
der Kaiserkrone an Friedrich nicht und würde sich sogar freuen,
wenn er ihm noch größere Benefizien verliehen hätte. Man kannte
bei Hofe zur Genüge die seit Gregor VII. auf Lehenshoheit über
das Kaisertum gerichteten Weltherrschaftswünsche der Kurie, wie
sie auch in jenem Lateranbilde ihren Ausdruck fanden, das Kaiser
Lothar als Lehnsmann des Papstes darstellte. Die Gespanntheit
der Lage und das selbstbewußte Auftreten der Legaten schienen
keinen Zweifel daran zu lassen, daß die Zweideutigkeit des Aus-
drucks „Benefizien“ beabsichtigt war. So verdeutschte ihn der
Kanzler Reinald nicht mit dem harmlosen Worte „Wohltaten“,
sondern mit dem inhaltschweren Begriff „Lehen“ und erregte da-
durch auf dem Reichstage einen Sturm nationaler Entrüstung, in
dem nur das Eingreifen des Kaisers das Leben der Legaten schützte.2)
Anstatt Reinalds Übersetzung sofort als irrtümlich zurückzuweisen,
machte der Papst den Versuch, die deutschen Bischöfe in dem be-

1) Vgl. für das folgende die in einigen Punkten zu überholende Studie
von Ribbeck, F. I. u. d. röm. Kurie 1157‒59 (1881).
2) Mit Ficker nehmen auch Nitzsch und Lamprecht an, Reinald habe
durch entstellende Auslegung diesen Streit vom Zaun gebrochen, während
etwa Reuter (s. S. 136) und Hauck der Kurie die offne Absicht des Bruches zu-
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[127/0135] § 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167). die Gegenwirkung immer mächtiger anschwoll, das gregorianische Papsttum in der Verteidigung seiner Unabhängigkeit an der natio- nalen Empfindlichkeit Westeuropas und dem Freiheitsdrang der lombardischen Städte die kräftigsten Stützen fand, hat er Friedrich, der ohne ihn in seiner maßvolleren Weise vielleicht eingelenkt haben würde, mit seinem zähen, niederdeutschen Starrsinn bis an sein Ende in der Bahn festzuhalten verstanden. Niemand weiß, welch' neue Mittel der erfindungsreiche Geist des Kanzlers noch ersonnen hätte, um aus der bedenklichen Lage, die durch die römische Katastrophe von 1167 plötzlich enthüllt wurde, heraus- zukommen; aber die Erbschaft, die er seinem kaiserlichen Herrn hinterließ, war nicht beneidenswert. Bei dem allen ist freilich scharf zu betonen, daß Reinalds Politik ebensowohl Abwehr wie Angriff war, daß zwei Offensiven aufeinander stießen. Schon im Jahre 1157 kam es auf dem Reichstage zu Be- sançon zu einem hitzigen Vorgefecht. 1) Erzbischof Eskil von Lund, der sich in Rom unter Verletzung der älteren bremischen Ansprüche den Primat über Dänemark und Schweden hatte übertragen lassen, war bei seiner Rückkehr auf burgundischem Reichsgebiet von Übel- tätern überfallen und gefangen gehalten. In einem Beschwerde- schreiben Hadrians, das dem Kaiser in Besançon von zwei päpst- lichen Kardinallegaten, darunter Roland, überreicht wurde, war die Wendung gebraucht, der Papst bereue trotzdem die Übertragung der Kaiserkrone an Friedrich nicht und würde sich sogar freuen, wenn er ihm noch größere Benefizien verliehen hätte. Man kannte bei Hofe zur Genüge die seit Gregor VII. auf Lehenshoheit über das Kaisertum gerichteten Weltherrschaftswünsche der Kurie, wie sie auch in jenem Lateranbilde ihren Ausdruck fanden, das Kaiser Lothar als Lehnsmann des Papstes darstellte. Die Gespanntheit der Lage und das selbstbewußte Auftreten der Legaten schienen keinen Zweifel daran zu lassen, daß die Zweideutigkeit des Aus- drucks „Benefizien“ beabsichtigt war. So verdeutschte ihn der Kanzler Reinald nicht mit dem harmlosen Worte „Wohltaten“, sondern mit dem inhaltschweren Begriff „Lehen“ und erregte da- durch auf dem Reichstage einen Sturm nationaler Entrüstung, in dem nur das Eingreifen des Kaisers das Leben der Legaten schützte. 2) Anstatt Reinalds Übersetzung sofort als irrtümlich zurückzuweisen, machte der Papst den Versuch, die deutschen Bischöfe in dem be- 1) Vgl. für das folgende die in einigen Punkten zu überholende Studie von Ribbeck, F. I. u. d. röm. Kurie 1157‒59 (1881). 2) Mit Ficker nehmen auch Nitzsch und Lamprecht an, Reinald habe durch entstellende Auslegung diesen Streit vom Zaun gebrochen, während etwa Reuter (s. S. 136) und Hauck der Kurie die offne Absicht des Bruches zu-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/135>, abgerufen am 21.11.2024.