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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
fortdauernden Stellung an der Spitze des Bundes wegen seiner letzt-
weiligen vorsichtigen Zurückhaltung von beiden Parteien gewisser-
maßen als eine neutrale Macht angesehen wurde. Diesen Fest-
setzungen entsprach es, daß Friedrich sogleich einen großen Teil
seines Heeres, namentlich die kostspieligen Söldner, entließ, und daß
auch die städtischen Truppen sich auflösten.

Bei ehrlichem Einhalten der Vertragsbestimmungen schien nun
in der Tat ein beiderseits annehmbarer Friede möglich. Denn mit
einer jener für seine spätere persönliche Politik so charakteristischen
plötzlichen Schwenkungen verzichtete Friedrich jetzt auf die Durch-
führung der roncalischen Beschlüsse, d. h. vor allem auf ein über
das Lehenswesen hinausgreifendes direktes Reichsbeamtenregiment
in Oberitalien. Er gedachte sich bei Anerkennung der Bundes-
organisation mit einem Maße kaiserlicher Hoheitsrechte zufrieden-
zugeben, wie es die früheren deutschen Herrscher vor den großen
Verlusten seit Heinrichs V. Tod besessen hatten. Das Kompromiß,
wie es in dem Spruche der Cremoneser Konsuln schließlich aus
den Verhandlungen hervorging, steht den späteren Konstanzer Fest-
setzungen nicht allzu fern: warum mußten erst neue Kämpfe dahin
führen? Weil Friedrich bei seiner Schwenkung nur den einen
Gegner abfinden wollte, um gegen den andern freie Hand zu be-
halten. Der Kampf gegen Alexander III., zu dem die Lombarden
sich kirchlich auch künftig bekennen mochten, sollte fortgeführt
werden; die seiner Schutzherrschaft unterstellte Bundesfestung
Alessandria als solche nicht anerkannt, ja als städtisches Gemein-
wesen aufgelöst werden. Das aber widersprach der kirchlichen
Überzeugung der Lombarden ebenso wie ihrem Bewußtsein engster
Interessengemeinschaft mit dem Papste. Sie haben sogleich durch
einen starken Druck auf den truppenentblößten Kaiser durchgesetzt,
daß auch päpstliche Bevollmächtigte zu den Verhandlungen zuge-
zogen wurden, ohne daß freilich dadurch die Beilegung des Schismas
gefördert worden wäre. Das Ansinnen einer Preisgabe des helden-
mütigen Alessandria aber mußte geradezu als eine Schmach für den
Bund empfunden werden. Wenn die Cremoneser Konsuln sich in
beiden Punkten den Wünschen des Kaisers anschlossen, so hat
es fast den Anschein, als ob sie um kommunaler Sondervorteile
willen die Interessen des Bundes preisgegeben und den von dieser
Seite auf sie gesetzten Erwartungen nicht entsprochen hätten. So
brach auf die Verkündigung ihres Spruches hin eine von den
Bischöfen geschürte Volksbewegung in der Lombardei los und
führte zur offenen Verletzung des Vertrages von Montebello 1), die

1) F. Güterbock, D. Friede von Montebello und die Weiterentwickelung
des Lombardenbundes, Berl. Diss. 1895, ist in einigen Punkten über die

II. Die Zeit der Staufer.
fortdauernden Stellung an der Spitze des Bundes wegen seiner letzt-
weiligen vorsichtigen Zurückhaltung von beiden Parteien gewisser-
maßen als eine neutrale Macht angesehen wurde. Diesen Fest-
setzungen entsprach es, daß Friedrich sogleich einen großen Teil
seines Heeres, namentlich die kostspieligen Söldner, entließ, und daß
auch die städtischen Truppen sich auflösten.

Bei ehrlichem Einhalten der Vertragsbestimmungen schien nun
in der Tat ein beiderseits annehmbarer Friede möglich. Denn mit
einer jener für seine spätere persönliche Politik so charakteristischen
plötzlichen Schwenkungen verzichtete Friedrich jetzt auf die Durch-
führung der roncalischen Beschlüsse, d. h. vor allem auf ein über
das Lehenswesen hinausgreifendes direktes Reichsbeamtenregiment
in Oberitalien. Er gedachte sich bei Anerkennung der Bundes-
organisation mit einem Maße kaiserlicher Hoheitsrechte zufrieden-
zugeben, wie es die früheren deutschen Herrscher vor den großen
Verlusten seit Heinrichs V. Tod besessen hatten. Das Kompromiß,
wie es in dem Spruche der Cremoneser Konsuln schließlich aus
den Verhandlungen hervorging, steht den späteren Konstanzer Fest-
setzungen nicht allzu fern: warum mußten erst neue Kämpfe dahin
führen? Weil Friedrich bei seiner Schwenkung nur den einen
Gegner abfinden wollte, um gegen den andern freie Hand zu be-
halten. Der Kampf gegen Alexander III., zu dem die Lombarden
sich kirchlich auch künftig bekennen mochten, sollte fortgeführt
werden; die seiner Schutzherrschaft unterstellte Bundesfestung
Alessandria als solche nicht anerkannt, ja als städtisches Gemein-
wesen aufgelöst werden. Das aber widersprach der kirchlichen
Überzeugung der Lombarden ebenso wie ihrem Bewußtsein engster
Interessengemeinschaft mit dem Papste. Sie haben sogleich durch
einen starken Druck auf den truppenentblößten Kaiser durchgesetzt,
daß auch päpstliche Bevollmächtigte zu den Verhandlungen zuge-
zogen wurden, ohne daß freilich dadurch die Beilegung des Schismas
gefördert worden wäre. Das Ansinnen einer Preisgabe des helden-
mütigen Alessandria aber mußte geradezu als eine Schmach für den
Bund empfunden werden. Wenn die Cremoneser Konsuln sich in
beiden Punkten den Wünschen des Kaisers anschlossen, so hat
es fast den Anschein, als ob sie um kommunaler Sondervorteile
willen die Interessen des Bundes preisgegeben und den von dieser
Seite auf sie gesetzten Erwartungen nicht entsprochen hätten. So
brach auf die Verkündigung ihres Spruches hin eine von den
Bischöfen geschürte Volksbewegung in der Lombardei los und
führte zur offenen Verletzung des Vertrages von Montebello 1), die

1) F. Güterbock, D. Friede von Montebello und die Weiterentwickelung
des Lombardenbundes, Berl. Diss. 1895, ist in einigen Punkten über die
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[150/0158] II. Die Zeit der Staufer. fortdauernden Stellung an der Spitze des Bundes wegen seiner letzt- weiligen vorsichtigen Zurückhaltung von beiden Parteien gewisser- maßen als eine neutrale Macht angesehen wurde. Diesen Fest- setzungen entsprach es, daß Friedrich sogleich einen großen Teil seines Heeres, namentlich die kostspieligen Söldner, entließ, und daß auch die städtischen Truppen sich auflösten. Bei ehrlichem Einhalten der Vertragsbestimmungen schien nun in der Tat ein beiderseits annehmbarer Friede möglich. Denn mit einer jener für seine spätere persönliche Politik so charakteristischen plötzlichen Schwenkungen verzichtete Friedrich jetzt auf die Durch- führung der roncalischen Beschlüsse, d. h. vor allem auf ein über das Lehenswesen hinausgreifendes direktes Reichsbeamtenregiment in Oberitalien. Er gedachte sich bei Anerkennung der Bundes- organisation mit einem Maße kaiserlicher Hoheitsrechte zufrieden- zugeben, wie es die früheren deutschen Herrscher vor den großen Verlusten seit Heinrichs V. Tod besessen hatten. Das Kompromiß, wie es in dem Spruche der Cremoneser Konsuln schließlich aus den Verhandlungen hervorging, steht den späteren Konstanzer Fest- setzungen nicht allzu fern: warum mußten erst neue Kämpfe dahin führen? Weil Friedrich bei seiner Schwenkung nur den einen Gegner abfinden wollte, um gegen den andern freie Hand zu be- halten. Der Kampf gegen Alexander III., zu dem die Lombarden sich kirchlich auch künftig bekennen mochten, sollte fortgeführt werden; die seiner Schutzherrschaft unterstellte Bundesfestung Alessandria als solche nicht anerkannt, ja als städtisches Gemein- wesen aufgelöst werden. Das aber widersprach der kirchlichen Überzeugung der Lombarden ebenso wie ihrem Bewußtsein engster Interessengemeinschaft mit dem Papste. Sie haben sogleich durch einen starken Druck auf den truppenentblößten Kaiser durchgesetzt, daß auch päpstliche Bevollmächtigte zu den Verhandlungen zuge- zogen wurden, ohne daß freilich dadurch die Beilegung des Schismas gefördert worden wäre. Das Ansinnen einer Preisgabe des helden- mütigen Alessandria aber mußte geradezu als eine Schmach für den Bund empfunden werden. Wenn die Cremoneser Konsuln sich in beiden Punkten den Wünschen des Kaisers anschlossen, so hat es fast den Anschein, als ob sie um kommunaler Sondervorteile willen die Interessen des Bundes preisgegeben und den von dieser Seite auf sie gesetzten Erwartungen nicht entsprochen hätten. So brach auf die Verkündigung ihres Spruches hin eine von den Bischöfen geschürte Volksbewegung in der Lombardei los und führte zur offenen Verletzung des Vertrages von Montebello 1), die 1) F. Güterbock, D. Friede von Montebello und die Weiterentwickelung des Lombardenbundes, Berl. Diss. 1895, ist in einigen Punkten über die

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/158>, abgerufen am 25.11.2024.