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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168-1177).
Kaisers. Außer mit den Lombarden sollte auch mit Sizilien nur
ein Waffenstillstand geschlossen werden, der aber bei fünfzehn-
jähriger Dauer einem Frieden nahezu gleichkam und dazu diente,
freundliche Beziehungen zwischen dem Imperium und dem König-
reiche nach langer Feindschaft einzuleiten.

Das war nun im wesentlichen die Grundlage, auf der nach
mühseligen Verhandlungen, um die sich die deutschen Erzbischöfe
Christian von Mainz und Wichmann von Magdeburg besonders
verdient gemacht haben, im Sommer 1177 der Friede von Venedig
abgeschlossen wurde. Eine ewig denkwürdige Szene, als nun der
Kaiser auf der Galeere des Dogen in der Nähe des prunkvoll
geschmückten Markusplatzes landete, als er zu dem vor den Por-
talen des Domes errichteten Thron des Papstes hinanstieg, sich
beugte und dem lange befehdeten Gegner die Füße küßte, von
Alexander aber mit dem Friedenskusse aufgehoben wurde. In
diesen und anderen Zeremonien jener festlichen Tage lag für
Friedrich an sich gewiß keine persönliche Demütigung, aber sie
brachten den prinzipiellen Sieg des Papsttums zu sichtbarem Aus-
druck. Die Reaktionspolitik Reinalds von Dassel war endgültig
gescheitert. Im Kampfe gegen den Versuch, die Kurie durch eine
Beeinflussung der Papstwahl in die alte Abhängigkeit vom Kaiser-
tum zurückzuzwingen, hatte die Selbständigkeit der römischen Kirche
die Feuerprobe bestanden. Als Alexander bald nach dem Frieden-
schluß, -- ähnlich wie Kalixt II. nach dem Investiturstreit und
Innozenz II. nach Beendigung des Schismas, -- in Rom das dritte
lateranische Konzil (1179) versammelte, eine glänzende Vertretung
der lateinischen Christenheit, da wurden nicht nur die letzten
Trümmer des Schismas aus dem Wege geräumt, und der von den
Stürmen durchschütterte Bau der Kirche neu gefestigt, sondern auch
durch ein Dekret, das die Papstwahl unter Ausschluß aller fremden
Elemente an die Zweidrittelmehrheit der Kardinäle knüpfte, die
Spitze der Kirche in Zukunft vor ähnlichen Gefährdungen nach
Möglichkeit gesichert.

Aber dieser Sieg des Papsttums war doch nur dadurch errungen,
daß Alexander in kluger Mäßigung die weitergehenden gregoriani-
schen Herrschaftsziele einstweilen völlig zurückgestellt hatte. Die
Anerkennung der kirchlichen Selbständigkeit durch Friedrich bedeu-
tete nicht entfernt eine Unterordnung des Imperiums! Vielmehr
trat es, wennschon es auf die Obergewalt verzichten mußte, doch
als ebenbürtige Macht aus eignem Rechte neben das Papsttum,
und unter dem politischen Gesichtspunkte betrachtet, darf der Friede
von Venedig keineswegs als eine Niederlage des Kaisers gelten.
Die völlig unbestrittene Herrschaft in Deutschland bildete das

§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168‒1177).
Kaisers. Außer mit den Lombarden sollte auch mit Sizilien nur
ein Waffenstillstand geschlossen werden, der aber bei fünfzehn-
jähriger Dauer einem Frieden nahezu gleichkam und dazu diente,
freundliche Beziehungen zwischen dem Imperium und dem König-
reiche nach langer Feindschaft einzuleiten.

Das war nun im wesentlichen die Grundlage, auf der nach
mühseligen Verhandlungen, um die sich die deutschen Erzbischöfe
Christian von Mainz und Wichmann von Magdeburg besonders
verdient gemacht haben, im Sommer 1177 der Friede von Venedig
abgeschlossen wurde. Eine ewig denkwürdige Szene, als nun der
Kaiser auf der Galeere des Dogen in der Nähe des prunkvoll
geschmückten Markusplatzes landete, als er zu dem vor den Por-
talen des Domes errichteten Thron des Papstes hinanstieg, sich
beugte und dem lange befehdeten Gegner die Füße küßte, von
Alexander aber mit dem Friedenskusse aufgehoben wurde. In
diesen und anderen Zeremonien jener festlichen Tage lag für
Friedrich an sich gewiß keine persönliche Demütigung, aber sie
brachten den prinzipiellen Sieg des Papsttums zu sichtbarem Aus-
druck. Die Reaktionspolitik Reinalds von Dassel war endgültig
gescheitert. Im Kampfe gegen den Versuch, die Kurie durch eine
Beeinflussung der Papstwahl in die alte Abhängigkeit vom Kaiser-
tum zurückzuzwingen, hatte die Selbständigkeit der römischen Kirche
die Feuerprobe bestanden. Als Alexander bald nach dem Frieden-
schluß, — ähnlich wie Kalixt II. nach dem Investiturstreit und
Innozenz II. nach Beendigung des Schismas, — in Rom das dritte
lateranische Konzil (1179) versammelte, eine glänzende Vertretung
der lateinischen Christenheit, da wurden nicht nur die letzten
Trümmer des Schismas aus dem Wege geräumt, und der von den
Stürmen durchschütterte Bau der Kirche neu gefestigt, sondern auch
durch ein Dekret, das die Papstwahl unter Ausschluß aller fremden
Elemente an die Zweidrittelmehrheit der Kardinäle knüpfte, die
Spitze der Kirche in Zukunft vor ähnlichen Gefährdungen nach
Möglichkeit gesichert.

Aber dieser Sieg des Papsttums war doch nur dadurch errungen,
daß Alexander in kluger Mäßigung die weitergehenden gregoriani-
schen Herrschaftsziele einstweilen völlig zurückgestellt hatte. Die
Anerkennung der kirchlichen Selbständigkeit durch Friedrich bedeu-
tete nicht entfernt eine Unterordnung des Imperiums! Vielmehr
trat es, wennschon es auf die Obergewalt verzichten mußte, doch
als ebenbürtige Macht aus eignem Rechte neben das Papsttum,
und unter dem politischen Gesichtspunkte betrachtet, darf der Friede
von Venedig keineswegs als eine Niederlage des Kaisers gelten.
Die völlig unbestrittene Herrschaft in Deutschland bildete das

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[155/0163] § 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168‒1177). Kaisers. Außer mit den Lombarden sollte auch mit Sizilien nur ein Waffenstillstand geschlossen werden, der aber bei fünfzehn- jähriger Dauer einem Frieden nahezu gleichkam und dazu diente, freundliche Beziehungen zwischen dem Imperium und dem König- reiche nach langer Feindschaft einzuleiten. Das war nun im wesentlichen die Grundlage, auf der nach mühseligen Verhandlungen, um die sich die deutschen Erzbischöfe Christian von Mainz und Wichmann von Magdeburg besonders verdient gemacht haben, im Sommer 1177 der Friede von Venedig abgeschlossen wurde. Eine ewig denkwürdige Szene, als nun der Kaiser auf der Galeere des Dogen in der Nähe des prunkvoll geschmückten Markusplatzes landete, als er zu dem vor den Por- talen des Domes errichteten Thron des Papstes hinanstieg, sich beugte und dem lange befehdeten Gegner die Füße küßte, von Alexander aber mit dem Friedenskusse aufgehoben wurde. In diesen und anderen Zeremonien jener festlichen Tage lag für Friedrich an sich gewiß keine persönliche Demütigung, aber sie brachten den prinzipiellen Sieg des Papsttums zu sichtbarem Aus- druck. Die Reaktionspolitik Reinalds von Dassel war endgültig gescheitert. Im Kampfe gegen den Versuch, die Kurie durch eine Beeinflussung der Papstwahl in die alte Abhängigkeit vom Kaiser- tum zurückzuzwingen, hatte die Selbständigkeit der römischen Kirche die Feuerprobe bestanden. Als Alexander bald nach dem Frieden- schluß, — ähnlich wie Kalixt II. nach dem Investiturstreit und Innozenz II. nach Beendigung des Schismas, — in Rom das dritte lateranische Konzil (1179) versammelte, eine glänzende Vertretung der lateinischen Christenheit, da wurden nicht nur die letzten Trümmer des Schismas aus dem Wege geräumt, und der von den Stürmen durchschütterte Bau der Kirche neu gefestigt, sondern auch durch ein Dekret, das die Papstwahl unter Ausschluß aller fremden Elemente an die Zweidrittelmehrheit der Kardinäle knüpfte, die Spitze der Kirche in Zukunft vor ähnlichen Gefährdungen nach Möglichkeit gesichert. Aber dieser Sieg des Papsttums war doch nur dadurch errungen, daß Alexander in kluger Mäßigung die weitergehenden gregoriani- schen Herrschaftsziele einstweilen völlig zurückgestellt hatte. Die Anerkennung der kirchlichen Selbständigkeit durch Friedrich bedeu- tete nicht entfernt eine Unterordnung des Imperiums! Vielmehr trat es, wennschon es auf die Obergewalt verzichten mußte, doch als ebenbürtige Macht aus eignem Rechte neben das Papsttum, und unter dem politischen Gesichtspunkte betrachtet, darf der Friede von Venedig keineswegs als eine Niederlage des Kaisers gelten. Die völlig unbestrittene Herrschaft in Deutschland bildete das

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/163>, abgerufen am 25.11.2024.