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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Verschwörungen, offenen Verbindungen und kriegerischen Angriffen
gegen den Löwen gekommen, und wiederholt hatte der Kaiser zu
dessen Gunsten vermittelnd eingegriffen. Wir sahen schon, wie
dies freundvetterliche Verhältnis in Chiavenna den ersten Stoß
erhielt. Heinrich glaubte sich um das Reich und die Bedürfnisse
seiner großen Politik nicht weiter kümmern zu brauchen, und
indem er mit leidenschaftlicher Hast an dem Ausbau seiner deut-
schen Machtstellung arbeitete und jene mittleren fürstlichen Gewalten,
auf deren Hilfe der Kaiser ebendamals mehr als je angewiesen
war, zurückzudrängen suchte, zog die Gefahr drohend herauf, daß
er das Reich zersprengen und sich für einen großen Teil an dessen
Stelle setzen könne.

Selbst wenn wir vom Standpunkte der modernen nationalen
Betrachtungsweise zugestehen wollten, daß das für die Entwicklung
Deutschlands keineswegs ein Unglück gewesen wäre, würden wir
es begreiflich finden, daß das Oberhaupt des Reiches solchen Be-
strebungen entgegentrat. Aber man wird sich überhaupt hüten
müssen, in dem großen Gegensatze jener Tage den Welfen als den
eigentlich nationalen Helden gegen den universalgerichteten Staufer
auszuspielen und so als einen Unterschied der politischen Über-
zeugungen hinzustellen, was doch nur ein Ausfluß der verschieden-
artigen Stellung war. Wir haben gewiß alle Ursache, anzunehmen,
daß Heinrich, der als Herzog und von der kaiserlichen Macht stets
gedeckt, sich auf die näherliegenden Herrschaftsziele beschränken
konnte, an der Spitze des Reiches durch die sachliche Notwendig-
keit ganz ebenso in die Bahnen der imperialen Politik getrieben
wäre, wie ein Otto I., Lothar und Otto IV., und dann vielleicht
noch gewalttätiger und rücksichtsloser jeden Anspruch verfolgt
hätte, als sein Gegner. Denn vergleicht man die beiden Persön-
lichkeiten, so heben sich gerade in dieser letzten Auseinander-
setzung die schwungvolle Größe, vornehme Sachlichkeit und reife
Sicherheit Friedrichs vorteilhaft genug ab von der gewinnsüchtigen,
hochmütigen, leidenschaftlichen Art des Vetters, der durch blinden
Eigenwillen und unbändigen Trotz seinen Sturz nicht zum wenigsten
selbst verschuldet hat. Denn des Kaisers Vorgehen war langsam
und bedächtig, die Erinnerung an den alten, mühsam von ihm
selbst beigelegten staufisch-welfischen Bruderzwist noch allzu leb-
haft, als daß er an eine Erneuerung desselben oder gar an einen
Vernichtungskampf gegen den mächtigen Vetter von vornherein
auch nur hätte denken mögen. Erst Schritt für Schritt, unter
dem Antrieb der fürstlichen Gegner Heinrichs und befördert durch
dessen eigenen Starrsinn, ist aus der Erkaltung der Beziehungen
ein Rechtsverfahren und schließlich eine Achtvollstreckung geworden.

II. Die Zeit der Staufer.
Verschwörungen, offenen Verbindungen und kriegerischen Angriffen
gegen den Löwen gekommen, und wiederholt hatte der Kaiser zu
dessen Gunsten vermittelnd eingegriffen. Wir sahen schon, wie
dies freundvetterliche Verhältnis in Chiavenna den ersten Stoß
erhielt. Heinrich glaubte sich um das Reich und die Bedürfnisse
seiner großen Politik nicht weiter kümmern zu brauchen, und
indem er mit leidenschaftlicher Hast an dem Ausbau seiner deut-
schen Machtstellung arbeitete und jene mittleren fürstlichen Gewalten,
auf deren Hilfe der Kaiser ebendamals mehr als je angewiesen
war, zurückzudrängen suchte, zog die Gefahr drohend herauf, daß
er das Reich zersprengen und sich für einen großen Teil an dessen
Stelle setzen könne.

Selbst wenn wir vom Standpunkte der modernen nationalen
Betrachtungsweise zugestehen wollten, daß das für die Entwicklung
Deutschlands keineswegs ein Unglück gewesen wäre, würden wir
es begreiflich finden, daß das Oberhaupt des Reiches solchen Be-
strebungen entgegentrat. Aber man wird sich überhaupt hüten
müssen, in dem großen Gegensatze jener Tage den Welfen als den
eigentlich nationalen Helden gegen den universalgerichteten Staufer
auszuspielen und so als einen Unterschied der politischen Über-
zeugungen hinzustellen, was doch nur ein Ausfluß der verschieden-
artigen Stellung war. Wir haben gewiß alle Ursache, anzunehmen,
daß Heinrich, der als Herzog und von der kaiserlichen Macht stets
gedeckt, sich auf die näherliegenden Herrschaftsziele beschränken
konnte, an der Spitze des Reiches durch die sachliche Notwendig-
keit ganz ebenso in die Bahnen der imperialen Politik getrieben
wäre, wie ein Otto I., Lothar und Otto IV., und dann vielleicht
noch gewalttätiger und rücksichtsloser jeden Anspruch verfolgt
hätte, als sein Gegner. Denn vergleicht man die beiden Persön-
lichkeiten, so heben sich gerade in dieser letzten Auseinander-
setzung die schwungvolle Größe, vornehme Sachlichkeit und reife
Sicherheit Friedrichs vorteilhaft genug ab von der gewinnsüchtigen,
hochmütigen, leidenschaftlichen Art des Vetters, der durch blinden
Eigenwillen und unbändigen Trotz seinen Sturz nicht zum wenigsten
selbst verschuldet hat. Denn des Kaisers Vorgehen war langsam
und bedächtig, die Erinnerung an den alten, mühsam von ihm
selbst beigelegten staufisch-welfischen Bruderzwist noch allzu leb-
haft, als daß er an eine Erneuerung desselben oder gar an einen
Vernichtungskampf gegen den mächtigen Vetter von vornherein
auch nur hätte denken mögen. Erst Schritt für Schritt, unter
dem Antrieb der fürstlichen Gegner Heinrichs und befördert durch
dessen eigenen Starrsinn, ist aus der Erkaltung der Beziehungen
ein Rechtsverfahren und schließlich eine Achtvollstreckung geworden.

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[158/0166] II. Die Zeit der Staufer. Verschwörungen, offenen Verbindungen und kriegerischen Angriffen gegen den Löwen gekommen, und wiederholt hatte der Kaiser zu dessen Gunsten vermittelnd eingegriffen. Wir sahen schon, wie dies freundvetterliche Verhältnis in Chiavenna den ersten Stoß erhielt. Heinrich glaubte sich um das Reich und die Bedürfnisse seiner großen Politik nicht weiter kümmern zu brauchen, und indem er mit leidenschaftlicher Hast an dem Ausbau seiner deut- schen Machtstellung arbeitete und jene mittleren fürstlichen Gewalten, auf deren Hilfe der Kaiser ebendamals mehr als je angewiesen war, zurückzudrängen suchte, zog die Gefahr drohend herauf, daß er das Reich zersprengen und sich für einen großen Teil an dessen Stelle setzen könne. Selbst wenn wir vom Standpunkte der modernen nationalen Betrachtungsweise zugestehen wollten, daß das für die Entwicklung Deutschlands keineswegs ein Unglück gewesen wäre, würden wir es begreiflich finden, daß das Oberhaupt des Reiches solchen Be- strebungen entgegentrat. Aber man wird sich überhaupt hüten müssen, in dem großen Gegensatze jener Tage den Welfen als den eigentlich nationalen Helden gegen den universalgerichteten Staufer auszuspielen und so als einen Unterschied der politischen Über- zeugungen hinzustellen, was doch nur ein Ausfluß der verschieden- artigen Stellung war. Wir haben gewiß alle Ursache, anzunehmen, daß Heinrich, der als Herzog und von der kaiserlichen Macht stets gedeckt, sich auf die näherliegenden Herrschaftsziele beschränken konnte, an der Spitze des Reiches durch die sachliche Notwendig- keit ganz ebenso in die Bahnen der imperialen Politik getrieben wäre, wie ein Otto I., Lothar und Otto IV., und dann vielleicht noch gewalttätiger und rücksichtsloser jeden Anspruch verfolgt hätte, als sein Gegner. Denn vergleicht man die beiden Persön- lichkeiten, so heben sich gerade in dieser letzten Auseinander- setzung die schwungvolle Größe, vornehme Sachlichkeit und reife Sicherheit Friedrichs vorteilhaft genug ab von der gewinnsüchtigen, hochmütigen, leidenschaftlichen Art des Vetters, der durch blinden Eigenwillen und unbändigen Trotz seinen Sturz nicht zum wenigsten selbst verschuldet hat. Denn des Kaisers Vorgehen war langsam und bedächtig, die Erinnerung an den alten, mühsam von ihm selbst beigelegten staufisch-welfischen Bruderzwist noch allzu leb- haft, als daß er an eine Erneuerung desselben oder gar an einen Vernichtungskampf gegen den mächtigen Vetter von vornherein auch nur hätte denken mögen. Erst Schritt für Schritt, unter dem Antrieb der fürstlichen Gegner Heinrichs und befördert durch dessen eigenen Starrsinn, ist aus der Erkaltung der Beziehungen ein Rechtsverfahren und schließlich eine Achtvollstreckung geworden.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/166>, abgerufen am 25.11.2024.