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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
weide seine Poetenlaufbahn, formte sich das Nibelungenlied zu
seiner heutigen Gestalt, reifte Wolfram von Eschenbach zum Dichter
und Denker heran. Erst als unter Friedrich II. die politische Vor-
machtstellung Deutschlands allmählich sank, setzte auch im deutschen
Ritterstande eine kulturelle Erschlaffung ein, begannen Empfindelei,
Schematismus und Frivolität hervorzutreten, und sklavische Nach-
ahmung des fremden Wesens sich breitzumachen. Je kürzer aber
die Dauer der reichen Blüte, desto leuchtender ihr Glanz! Und er
ist es nicht zum wenigsten, der auf die letzten Jahre Barbarossas
strahlt. Minnesangs Frühling verklärt mit romantischem Schimmer
das greise Haupt des Kaisers, der sich auf jenem "Feste ohne
Gleichen" noch als ein rüstiger Sechziger in das Getümmel des
Riesenturniers stürzte und von den anwesenden Dichtern einem
König Artus, Alexander und Caesar verglichen wurde.

Schon hatte ihm damals die durch den Sturz des Löwen ge-
festigte deutsche Machtstellung einen weiteren Erfolg in Italien ein-
getragen. Die Lombarden mochten, als der sechsjährige Stillstand
seinem Ende entgegenging, jetzt erst recht nicht einen neuen
Waffengang wagen. Die eröffneten Unterhandlungen führten zum
Abschluß des Konstanzer Friedens (Juni 1183). Er ist früher
wohl einem Zusammenbruch der kaiserlichen Herrschaft in Ober-
italien gleich erachtet worden, aber nichts wäre verkehrter als
das. Denn die Undurchführbarkeit der roncalischen Beschlüsse
hatte sich schon vor der Niederlage von Legnano herausgestellt.
Den damals bereits angebotenen Zugeständnissen gegenüber aber
bedeuteten die Konstanzer Bestimmungen eine erneute Steigerung
der kaiserlichen Rechte, die dem Wachstum seiner Macht entsprach,
aber daneben doch auch der hier ähnlich wie in Venedig bewähr-
ten diplomatischen Kunst Friedrichs verdankt wurde. Noch größer
war natürlich der Abstand des jetzt Erreichten von den Verhält-
nissen Oberitaliens unter der ohnmächtigen Herrschaft Konrads III.

Es erleichterte die Verständigung ungemein, daß ein Haupt-
streitpunkt durch ein Sonderabkommen vorher aus dem Wege ge-
räumt wurde. Alessandria hielt es für geraten, sich durch Unter-
werfung unter die Gnade des Kaisers seine Existenz als Stadt zu
sichern. Es wurde als solche formell neu begründet, auf den
Namen Caesarea umgetauft und schützte künftig als kaiserliche Feste
das Machtgebiet des Reiches in der westlichen Lombardei: also
ein voller moralischer und sachlicher Erfolg Friedrichs, der seine
Stärke verriet. Der Konstanzer Friede selbst suchte die Aner-
kennung des Bundes und des gegenwärtigen Besitzstandes zu ver-
binden mit einer Befestigung und Nutzbarmachung der kaiserlichen
Oberhoheit.

II. Die Zeit der Staufer.
weide seine Poetenlaufbahn, formte sich das Nibelungenlied zu
seiner heutigen Gestalt, reifte Wolfram von Eschenbach zum Dichter
und Denker heran. Erst als unter Friedrich II. die politische Vor-
machtstellung Deutschlands allmählich sank, setzte auch im deutschen
Ritterstande eine kulturelle Erschlaffung ein, begannen Empfindelei,
Schematismus und Frivolität hervorzutreten, und sklavische Nach-
ahmung des fremden Wesens sich breitzumachen. Je kürzer aber
die Dauer der reichen Blüte, desto leuchtender ihr Glanz! Und er
ist es nicht zum wenigsten, der auf die letzten Jahre Barbarossas
strahlt. Minnesangs Frühling verklärt mit romantischem Schimmer
das greise Haupt des Kaisers, der sich auf jenem „Feste ohne
Gleichen“ noch als ein rüstiger Sechziger in das Getümmel des
Riesenturniers stürzte und von den anwesenden Dichtern einem
König Artus, Alexander und Caesar verglichen wurde.

Schon hatte ihm damals die durch den Sturz des Löwen ge-
festigte deutsche Machtstellung einen weiteren Erfolg in Italien ein-
getragen. Die Lombarden mochten, als der sechsjährige Stillstand
seinem Ende entgegenging, jetzt erst recht nicht einen neuen
Waffengang wagen. Die eröffneten Unterhandlungen führten zum
Abschluß des Konstanzer Friedens (Juni 1183). Er ist früher
wohl einem Zusammenbruch der kaiserlichen Herrschaft in Ober-
italien gleich erachtet worden, aber nichts wäre verkehrter als
das. Denn die Undurchführbarkeit der roncalischen Beschlüsse
hatte sich schon vor der Niederlage von Legnano herausgestellt.
Den damals bereits angebotenen Zugeständnissen gegenüber aber
bedeuteten die Konstanzer Bestimmungen eine erneute Steigerung
der kaiserlichen Rechte, die dem Wachstum seiner Macht entsprach,
aber daneben doch auch der hier ähnlich wie in Venedig bewähr-
ten diplomatischen Kunst Friedrichs verdankt wurde. Noch größer
war natürlich der Abstand des jetzt Erreichten von den Verhält-
nissen Oberitaliens unter der ohnmächtigen Herrschaft Konrads III.

Es erleichterte die Verständigung ungemein, daß ein Haupt-
streitpunkt durch ein Sonderabkommen vorher aus dem Wege ge-
räumt wurde. Alessandria hielt es für geraten, sich durch Unter-
werfung unter die Gnade des Kaisers seine Existenz als Stadt zu
sichern. Es wurde als solche formell neu begründet, auf den
Namen Caesarea umgetauft und schützte künftig als kaiserliche Feste
das Machtgebiet des Reiches in der westlichen Lombardei: also
ein voller moralischer und sachlicher Erfolg Friedrichs, der seine
Stärke verriet. Der Konstanzer Friede selbst suchte die Aner-
kennung des Bundes und des gegenwärtigen Besitzstandes zu ver-
binden mit einer Befestigung und Nutzbarmachung der kaiserlichen
Oberhoheit.

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[162/0170] II. Die Zeit der Staufer. weide seine Poetenlaufbahn, formte sich das Nibelungenlied zu seiner heutigen Gestalt, reifte Wolfram von Eschenbach zum Dichter und Denker heran. Erst als unter Friedrich II. die politische Vor- machtstellung Deutschlands allmählich sank, setzte auch im deutschen Ritterstande eine kulturelle Erschlaffung ein, begannen Empfindelei, Schematismus und Frivolität hervorzutreten, und sklavische Nach- ahmung des fremden Wesens sich breitzumachen. Je kürzer aber die Dauer der reichen Blüte, desto leuchtender ihr Glanz! Und er ist es nicht zum wenigsten, der auf die letzten Jahre Barbarossas strahlt. Minnesangs Frühling verklärt mit romantischem Schimmer das greise Haupt des Kaisers, der sich auf jenem „Feste ohne Gleichen“ noch als ein rüstiger Sechziger in das Getümmel des Riesenturniers stürzte und von den anwesenden Dichtern einem König Artus, Alexander und Caesar verglichen wurde. Schon hatte ihm damals die durch den Sturz des Löwen ge- festigte deutsche Machtstellung einen weiteren Erfolg in Italien ein- getragen. Die Lombarden mochten, als der sechsjährige Stillstand seinem Ende entgegenging, jetzt erst recht nicht einen neuen Waffengang wagen. Die eröffneten Unterhandlungen führten zum Abschluß des Konstanzer Friedens (Juni 1183). Er ist früher wohl einem Zusammenbruch der kaiserlichen Herrschaft in Ober- italien gleich erachtet worden, aber nichts wäre verkehrter als das. Denn die Undurchführbarkeit der roncalischen Beschlüsse hatte sich schon vor der Niederlage von Legnano herausgestellt. Den damals bereits angebotenen Zugeständnissen gegenüber aber bedeuteten die Konstanzer Bestimmungen eine erneute Steigerung der kaiserlichen Rechte, die dem Wachstum seiner Macht entsprach, aber daneben doch auch der hier ähnlich wie in Venedig bewähr- ten diplomatischen Kunst Friedrichs verdankt wurde. Noch größer war natürlich der Abstand des jetzt Erreichten von den Verhält- nissen Oberitaliens unter der ohnmächtigen Herrschaft Konrads III. Es erleichterte die Verständigung ungemein, daß ein Haupt- streitpunkt durch ein Sonderabkommen vorher aus dem Wege ge- räumt wurde. Alessandria hielt es für geraten, sich durch Unter- werfung unter die Gnade des Kaisers seine Existenz als Stadt zu sichern. Es wurde als solche formell neu begründet, auf den Namen Caesarea umgetauft und schützte künftig als kaiserliche Feste das Machtgebiet des Reiches in der westlichen Lombardei: also ein voller moralischer und sachlicher Erfolg Friedrichs, der seine Stärke verriet. Der Konstanzer Friede selbst suchte die Aner- kennung des Bundes und des gegenwärtigen Besitzstandes zu ver- binden mit einer Befestigung und Nutzbarmachung der kaiserlichen Oberhoheit.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/170>, abgerufen am 26.11.2024.