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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178-1190).

Dieser Entschluß zur persönlichen Leitung des gewaltigen
Unternehmens, während Frankreich und England noch durch ihren
Hader gehemmt waren, und das Papsttum in Schwäche zur Seite
stand, entsprang bei Friedrich ebensowohl religiösen Antrieben, als
dem Bewußtsein der aus seiner universalen Stellung hervorgehenden
Pflichten. In der Überzeugung, daß er nach einer abermaligen
Verbannung Heinrichs des Löwen das Reich in der energischen
Obhut seines demnächst mit der Kaiserkrone zu schmückenden Sohnes
und Mitregenten beruhigt zurücklassen könne, ja, daß die heilige Fahrt
den Frieden nur noch mehr verbürge, griff er für das Kaisertum
nach höheren Zielen und rückte es wieder an den Platz, von dem
es seit den Tagen Urbans II. verdrängt war, an die leitende Stelle
in den gemeineuropäischen Angelegenheiten. Wenn es gelang, die
Sehnsucht der Christenheit zu stillen und das heilige Grab noch
einmal den Ungläubigen zu entreißen, wie unermeßlich mußte das
Ansehen des Imperiums steigen! Die kühne Inangriffnahme dieser
Riesenaufgabe durch den von der Last der Jahre ungebeugten
Helden und ihre großartige Durchführung bis zu dem Augenblick
seines Todes bildeten den letzten seiner Erfolge1).

Wie einst gerade die Spaltungen des Orients die Erfolge der
Kreuzfahrer ermöglicht und den Bestand ihrer staatlichen Gründungen
gewährleistet hatten, so drohte ihnen jetzt die Vereinigung Ägyptens
und Syriens unter dem an Kraft, Schwung und sittlicher Energie
so unendlich überlegenen Sultan Saladin den Untergang. Leicht-
fertig herausgefordert, hatte er die lateinischen Streitkräfte bei Hittin
geschlagen (1187) und einen festen Platz nach dem andern, auch
Jerusalem, erobert. Der Zweifel, ob nicht auch die letzten See-
städte, wie Tyrus, bis zur Ankunft der Kreuzfahrer gefallen sein
würden, wirkte bei Friedrich neben den allzu geringen Beziehungen

1) Der bedeutende Eindruck der Kreuzfahrt auf die Zeitgenossen spiegelt
sich in einer reichen Literatur. Am besten unterrichtet darüber Simson bei
Giesebrecht VI, 313 ff. Außer wertvollen Briefen sind namentlich hervor-
zuheben: die Tagebuchaufzeichnungen des Domdechanten Tageno von Passau
(aufgenommen in die Chronik des Priesters Magnus von Reichersberg, M. G.
SS. XVII); die Historia de expeditione Friderici imperatoris von einem öster-
reichischen Kleriker (Ansbert?), gedruckt in den Fontes rer. Austriac. I, 5,
aufgenommen in die Annalen des Gerlach v. Mühlhausen, vergl. oben S. 86;
die Historia Peregrinorum bei Canisius, Lectiones antiquae V, 2. Über die
verwickelten Beziehungen zwischen diesen drei Quellen hat zuletzt Chroust
(1892) eingehend gehandelt. Daneben ist das etwas später niedergeschriebene
Werk des Griechen Nicetas trotz vieler Irrtümer bemerkenswert (Corp. script.
hist. Byz. 1835). -- Die grundlegende neuere Darstellung ist die von Riezler
in Forsch. z. deutsch. Gesch. 10. Ergänzungen dazu in der Arbeit von
Fischer (1870) und mehreren Abhandlungen von Röhricht. Alle Ergebnisse
sind zuletzt zusammengefaßt von Simson.
§ 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190).

Dieser Entschluß zur persönlichen Leitung des gewaltigen
Unternehmens, während Frankreich und England noch durch ihren
Hader gehemmt waren, und das Papsttum in Schwäche zur Seite
stand, entsprang bei Friedrich ebensowohl religiösen Antrieben, als
dem Bewußtsein der aus seiner universalen Stellung hervorgehenden
Pflichten. In der Überzeugung, daß er nach einer abermaligen
Verbannung Heinrichs des Löwen das Reich in der energischen
Obhut seines demnächst mit der Kaiserkrone zu schmückenden Sohnes
und Mitregenten beruhigt zurücklassen könne, ja, daß die heilige Fahrt
den Frieden nur noch mehr verbürge, griff er für das Kaisertum
nach höheren Zielen und rückte es wieder an den Platz, von dem
es seit den Tagen Urbans II. verdrängt war, an die leitende Stelle
in den gemeineuropäischen Angelegenheiten. Wenn es gelang, die
Sehnsucht der Christenheit zu stillen und das heilige Grab noch
einmal den Ungläubigen zu entreißen, wie unermeßlich mußte das
Ansehen des Imperiums steigen! Die kühne Inangriffnahme dieser
Riesenaufgabe durch den von der Last der Jahre ungebeugten
Helden und ihre großartige Durchführung bis zu dem Augenblick
seines Todes bildeten den letzten seiner Erfolge1).

Wie einst gerade die Spaltungen des Orients die Erfolge der
Kreuzfahrer ermöglicht und den Bestand ihrer staatlichen Gründungen
gewährleistet hatten, so drohte ihnen jetzt die Vereinigung Ägyptens
und Syriens unter dem an Kraft, Schwung und sittlicher Energie
so unendlich überlegenen Sultan Saladin den Untergang. Leicht-
fertig herausgefordert, hatte er die lateinischen Streitkräfte bei Hittin
geschlagen (1187) und einen festen Platz nach dem andern, auch
Jerusalem, erobert. Der Zweifel, ob nicht auch die letzten See-
städte, wie Tyrus, bis zur Ankunft der Kreuzfahrer gefallen sein
würden, wirkte bei Friedrich neben den allzu geringen Beziehungen

1) Der bedeutende Eindruck der Kreuzfahrt auf die Zeitgenossen spiegelt
sich in einer reichen Literatur. Am besten unterrichtet darüber Simson bei
Giesebrecht VI, 313 ff. Außer wertvollen Briefen sind namentlich hervor-
zuheben: die Tagebuchaufzeichnungen des Domdechanten Tageno von Passau
(aufgenommen in die Chronik des Priesters Magnus von Reichersberg, M. G.
SS. XVII); die Historia de expeditione Friderici imperatoris von einem öster-
reichischen Kleriker (Ansbert?), gedruckt in den Fontes rer. Austriac. I, 5,
aufgenommen in die Annalen des Gerlach v. Mühlhausen, vergl. oben S. 86;
die Historia Peregrinorum bei Canisius, Lectiones antiquae V, 2. Über die
verwickelten Beziehungen zwischen diesen drei Quellen hat zuletzt Chroust
(1892) eingehend gehandelt. Daneben ist das etwas später niedergeschriebene
Werk des Griechen Nicetas trotz vieler Irrtümer bemerkenswert (Corp. script.
hist. Byz. 1835). — Die grundlegende neuere Darstellung ist die von Riezler
in Forsch. z. deutsch. Gesch. 10. Ergänzungen dazu in der Arbeit von
Fischer (1870) und mehreren Abhandlungen von Röhricht. Alle Ergebnisse
sind zuletzt zusammengefaßt von Simson.
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[169/0177] § 13. Die Zeit der letzten großen Erfolge Friedrichs I. (1178‒1190). Dieser Entschluß zur persönlichen Leitung des gewaltigen Unternehmens, während Frankreich und England noch durch ihren Hader gehemmt waren, und das Papsttum in Schwäche zur Seite stand, entsprang bei Friedrich ebensowohl religiösen Antrieben, als dem Bewußtsein der aus seiner universalen Stellung hervorgehenden Pflichten. In der Überzeugung, daß er nach einer abermaligen Verbannung Heinrichs des Löwen das Reich in der energischen Obhut seines demnächst mit der Kaiserkrone zu schmückenden Sohnes und Mitregenten beruhigt zurücklassen könne, ja, daß die heilige Fahrt den Frieden nur noch mehr verbürge, griff er für das Kaisertum nach höheren Zielen und rückte es wieder an den Platz, von dem es seit den Tagen Urbans II. verdrängt war, an die leitende Stelle in den gemeineuropäischen Angelegenheiten. Wenn es gelang, die Sehnsucht der Christenheit zu stillen und das heilige Grab noch einmal den Ungläubigen zu entreißen, wie unermeßlich mußte das Ansehen des Imperiums steigen! Die kühne Inangriffnahme dieser Riesenaufgabe durch den von der Last der Jahre ungebeugten Helden und ihre großartige Durchführung bis zu dem Augenblick seines Todes bildeten den letzten seiner Erfolge 1). Wie einst gerade die Spaltungen des Orients die Erfolge der Kreuzfahrer ermöglicht und den Bestand ihrer staatlichen Gründungen gewährleistet hatten, so drohte ihnen jetzt die Vereinigung Ägyptens und Syriens unter dem an Kraft, Schwung und sittlicher Energie so unendlich überlegenen Sultan Saladin den Untergang. Leicht- fertig herausgefordert, hatte er die lateinischen Streitkräfte bei Hittin geschlagen (1187) und einen festen Platz nach dem andern, auch Jerusalem, erobert. Der Zweifel, ob nicht auch die letzten See- städte, wie Tyrus, bis zur Ankunft der Kreuzfahrer gefallen sein würden, wirkte bei Friedrich neben den allzu geringen Beziehungen 1) Der bedeutende Eindruck der Kreuzfahrt auf die Zeitgenossen spiegelt sich in einer reichen Literatur. Am besten unterrichtet darüber Simson bei Giesebrecht VI, 313 ff. Außer wertvollen Briefen sind namentlich hervor- zuheben: die Tagebuchaufzeichnungen des Domdechanten Tageno von Passau (aufgenommen in die Chronik des Priesters Magnus von Reichersberg, M. G. SS. XVII); die Historia de expeditione Friderici imperatoris von einem öster- reichischen Kleriker (Ansbert?), gedruckt in den Fontes rer. Austriac. I, 5, aufgenommen in die Annalen des Gerlach v. Mühlhausen, vergl. oben S. 86; die Historia Peregrinorum bei Canisius, Lectiones antiquae V, 2. Über die verwickelten Beziehungen zwischen diesen drei Quellen hat zuletzt Chroust (1892) eingehend gehandelt. Daneben ist das etwas später niedergeschriebene Werk des Griechen Nicetas trotz vieler Irrtümer bemerkenswert (Corp. script. hist. Byz. 1835). — Die grundlegende neuere Darstellung ist die von Riezler in Forsch. z. deutsch. Gesch. 10. Ergänzungen dazu in der Arbeit von Fischer (1870) und mehreren Abhandlungen von Röhricht. Alle Ergebnisse sind zuletzt zusammengefaßt von Simson.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/177>, abgerufen am 26.11.2024.