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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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Die Zeit der Staufer.
deutsche Geschichte. Fürstlicher Sonderpolitik und päpstlichen Ein-
mischungen in die Thronfolge wäre damit für alle Zukunft der
Boden entzogen. Von einem Staatsmanne wie Heinrich dürfen wir
voraussetzen, daß er solche Folgen klug erwog. Aber so despotisch
dachte doch auch er nicht von seiner Machtstellung, daß er eine
derart grundstürzende Verfassungsänderung einfach von sich aus
hätte anordnen können; dazu bedurfte er der Zustimmung der
deutschen Fürsten oder des Papstes. Er hat es mit beiden versucht.

Die Zugeständnisse, die er den Fürsten bot, waren unzu-
reichend. Der Erblichkeit der Krone sollte eine über die direkte
männliche Deszendenz hinaus auch auf weibliche Glieder und Seiten-
linien ausgedehnte Erblichkeit der weltlichen Reichslehen entsprechen,
-- aber einzelne Fürsten besaßen derartige Rechte schon durch
Sonderprivilegien, und die andern hofften sie wohl im Laufe der
Entwickelung leichteren Kaufs zu erlangen. Den geistlichen Fürsten
wurde die Preisgabe des lästigen Spolienrechts angeboten, aber dies
Recht wurde in kirchlichen Kreisen als ein Mißbrauch empfunden,
dessen Abstellung man ohne so hohen Entgelt glaubte erwarten zu
dürfen. Für so dürftige Zugeständnisse sollte man also verzichten
auf das wertvollste Recht zur Stärkung der Fürstenmacht, auf alle
eignen Thronhoffnungen, sollte wohl gar zum Range sizilischer
Barone herabsinken und die eignen Mittel und Kräfte im Dienste
sizilischer Unternehmungen vergeuden?

Heinrichs Machtstellung war furchtgebietend. Als er damals
(1195) die Mark Meißen in Ermangelung eines direkten männlichen
Erben als erledigtes Reichslehen einzog und gegen das geltende Ge-
wohnheitsrecht auch nach Jahr und Tag nicht wieder austat, da
wagte sich kein Widerspruch hervor gegen die neue Übung, die,
folgerichtig weitergehandhabt, nach Art des französischen Königtums,
zu einer gewaltigen dauernden Kräftigung der deutschen Krone
hätte führen müssen. Auch gegenüber dem Erbkaiserplan trat zu-
nächst kein offner Widerstand zu Tage, sondern nach einem schüch-
ternen Verschleppungsversuche gelang es Heinrich, auf einem neuen
Reichstage (1196) unter Druck und Drohungen die Stimmen der
Anwesenden auf das Projekt festzulegen. Aber noch fehlten ange-
sehene Fürsten, wie der neue Kölner Erzbischof Adolf, das Haupt
einer rheinischen Opposition. Um auch ihr Widerstreben zu brechen,
scheint nun Heinrich, der sich aufs neue nach Italien begab, an
den Papst unter ungewöhnlich vorteilhaften Bedingungen das An-
sinnen gestellt zu haben, seinen noch im frühesten Kindesalter
stehenden Sohn Friedrich zum Caesar oder Mitkaiser zu krönen.1)

1) Diese Nachricht der sog. Marbacher Annalen ("et quod in regem
ungeret") ist in ihrer Deutung viel umstritten. Die Möglichkeit ihrer Aus-

Die Zeit der Staufer.
deutsche Geschichte. Fürstlicher Sonderpolitik und päpstlichen Ein-
mischungen in die Thronfolge wäre damit für alle Zukunft der
Boden entzogen. Von einem Staatsmanne wie Heinrich dürfen wir
voraussetzen, daß er solche Folgen klug erwog. Aber so despotisch
dachte doch auch er nicht von seiner Machtstellung, daß er eine
derart grundstürzende Verfassungsänderung einfach von sich aus
hätte anordnen können; dazu bedurfte er der Zustimmung der
deutschen Fürsten oder des Papstes. Er hat es mit beiden versucht.

Die Zugeständnisse, die er den Fürsten bot, waren unzu-
reichend. Der Erblichkeit der Krone sollte eine über die direkte
männliche Deszendenz hinaus auch auf weibliche Glieder und Seiten-
linien ausgedehnte Erblichkeit der weltlichen Reichslehen entsprechen,
— aber einzelne Fürsten besaßen derartige Rechte schon durch
Sonderprivilegien, und die andern hofften sie wohl im Laufe der
Entwickelung leichteren Kaufs zu erlangen. Den geistlichen Fürsten
wurde die Preisgabe des lästigen Spolienrechts angeboten, aber dies
Recht wurde in kirchlichen Kreisen als ein Mißbrauch empfunden,
dessen Abstellung man ohne so hohen Entgelt glaubte erwarten zu
dürfen. Für so dürftige Zugeständnisse sollte man also verzichten
auf das wertvollste Recht zur Stärkung der Fürstenmacht, auf alle
eignen Thronhoffnungen, sollte wohl gar zum Range sizilischer
Barone herabsinken und die eignen Mittel und Kräfte im Dienste
sizilischer Unternehmungen vergeuden?

Heinrichs Machtstellung war furchtgebietend. Als er damals
(1195) die Mark Meißen in Ermangelung eines direkten männlichen
Erben als erledigtes Reichslehen einzog und gegen das geltende Ge-
wohnheitsrecht auch nach Jahr und Tag nicht wieder austat, da
wagte sich kein Widerspruch hervor gegen die neue Übung, die,
folgerichtig weitergehandhabt, nach Art des französischen Königtums,
zu einer gewaltigen dauernden Kräftigung der deutschen Krone
hätte führen müssen. Auch gegenüber dem Erbkaiserplan trat zu-
nächst kein offner Widerstand zu Tage, sondern nach einem schüch-
ternen Verschleppungsversuche gelang es Heinrich, auf einem neuen
Reichstage (1196) unter Druck und Drohungen die Stimmen der
Anwesenden auf das Projekt festzulegen. Aber noch fehlten ange-
sehene Fürsten, wie der neue Kölner Erzbischof Adolf, das Haupt
einer rheinischen Opposition. Um auch ihr Widerstreben zu brechen,
scheint nun Heinrich, der sich aufs neue nach Italien begab, an
den Papst unter ungewöhnlich vorteilhaften Bedingungen das An-
sinnen gestellt zu haben, seinen noch im frühesten Kindesalter
stehenden Sohn Friedrich zum Caesar oder Mitkaiser zu krönen.1)

1) Diese Nachricht der sog. Marbacher Annalen („et quod in regem
ungeret“) ist in ihrer Deutung viel umstritten. Die Möglichkeit ihrer Aus-
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[178/0186] Die Zeit der Staufer. deutsche Geschichte. Fürstlicher Sonderpolitik und päpstlichen Ein- mischungen in die Thronfolge wäre damit für alle Zukunft der Boden entzogen. Von einem Staatsmanne wie Heinrich dürfen wir voraussetzen, daß er solche Folgen klug erwog. Aber so despotisch dachte doch auch er nicht von seiner Machtstellung, daß er eine derart grundstürzende Verfassungsänderung einfach von sich aus hätte anordnen können; dazu bedurfte er der Zustimmung der deutschen Fürsten oder des Papstes. Er hat es mit beiden versucht. Die Zugeständnisse, die er den Fürsten bot, waren unzu- reichend. Der Erblichkeit der Krone sollte eine über die direkte männliche Deszendenz hinaus auch auf weibliche Glieder und Seiten- linien ausgedehnte Erblichkeit der weltlichen Reichslehen entsprechen, — aber einzelne Fürsten besaßen derartige Rechte schon durch Sonderprivilegien, und die andern hofften sie wohl im Laufe der Entwickelung leichteren Kaufs zu erlangen. Den geistlichen Fürsten wurde die Preisgabe des lästigen Spolienrechts angeboten, aber dies Recht wurde in kirchlichen Kreisen als ein Mißbrauch empfunden, dessen Abstellung man ohne so hohen Entgelt glaubte erwarten zu dürfen. Für so dürftige Zugeständnisse sollte man also verzichten auf das wertvollste Recht zur Stärkung der Fürstenmacht, auf alle eignen Thronhoffnungen, sollte wohl gar zum Range sizilischer Barone herabsinken und die eignen Mittel und Kräfte im Dienste sizilischer Unternehmungen vergeuden? Heinrichs Machtstellung war furchtgebietend. Als er damals (1195) die Mark Meißen in Ermangelung eines direkten männlichen Erben als erledigtes Reichslehen einzog und gegen das geltende Ge- wohnheitsrecht auch nach Jahr und Tag nicht wieder austat, da wagte sich kein Widerspruch hervor gegen die neue Übung, die, folgerichtig weitergehandhabt, nach Art des französischen Königtums, zu einer gewaltigen dauernden Kräftigung der deutschen Krone hätte führen müssen. Auch gegenüber dem Erbkaiserplan trat zu- nächst kein offner Widerstand zu Tage, sondern nach einem schüch- ternen Verschleppungsversuche gelang es Heinrich, auf einem neuen Reichstage (1196) unter Druck und Drohungen die Stimmen der Anwesenden auf das Projekt festzulegen. Aber noch fehlten ange- sehene Fürsten, wie der neue Kölner Erzbischof Adolf, das Haupt einer rheinischen Opposition. Um auch ihr Widerstreben zu brechen, scheint nun Heinrich, der sich aufs neue nach Italien begab, an den Papst unter ungewöhnlich vorteilhaften Bedingungen das An- sinnen gestellt zu haben, seinen noch im frühesten Kindesalter stehenden Sohn Friedrich zum Caesar oder Mitkaiser zu krönen. 1) 1) Diese Nachricht der sog. Marbacher Annalen („et quod in regem ungeret“) ist in ihrer Deutung viel umstritten. Die Möglichkeit ihrer Aus-

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/186>, abgerufen am 25.11.2024.