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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239-1250).
andern Staaten, jede Eigenberechtigung bestritt und unter Berufung
auf göttliche Sendung und die konstantinische Schenkung die Ober-
leitung für sich in Anspruch nahm. Dem gegenüber war Friedrich,
der an die Aufstellung eines Gegenpapstes niemals gedacht hat,
stets mit der Nebenordnung der beiden Gewalten zufrieden, und
es war ein kluges Zurückweichen hinter den höchstgespannten
staufischen Reichsbegriff seiner Vorgänger, daß er von den andern
Staaten für das Kaisertum wohl einen gewissen Vorrang, aber keine
Überordnung in Anspruch nahm, vielmehr den Königen und Fürsten
Europas auf das eindringlichste zurief, er kämpfe für ihrer aller
Ehre, für das Recht des weltlichen Staates schlechthin, wenn er
mit seinem Schilde die ersten Stöße des gemeinsamen Feindes auf-
fange. In der Tat ist es seiner geschickten Diplomatie gelungen,
wenigstens die Neutralität dieser Mächte, die ihn vor der Bannung
in seinem Kampfe gegen die Lombarden größtenteils geradezu
durch Hilfstruppen unterstützt hatten, aufrechtzuerhalten.

In leidenschaftlichen Manifesten, die aber diesmal, anders als
im Investiturstreit, fast ausschließlich den beteiligten Kanzleien ent-
stammten1), wurden solche Ansichten hüben und drüben verfochten.
Die gehässigeren Anschuldigungen, die unverantwortlicheren, bis zur
Mordanklage gegen den Kaiser sich steigernden Verdächtigungen
waren auch hier auf päpstlicher Seite zu finden, worauf dann Friedrich
natürlich schroffe und feindselige Antworten nicht schuldig blieb.
Die alten kirchlichen Disziplinarmittel: Bann, Lösung vom Unter-
taneneid, Interdikt, übten jetzt nicht mehr die einstige Wirkung,
wenn auch dem Papsttum in den neuen Bettelorden eine furcht-
bare Agitationsarmee erstanden war. Man bedurfte noch schär-
ferer Abschreckungsmittel. Da haben die Päpste und kurialen
Publizisten miteinander gewetteifert, das Grauen der abergläubischen
Massen vor dem Kaiser wachzurufen, indem sie ihn als die Bestie
der Apokalypse, den leibhaftigen Antichrist schilderten, der, vom
Glauben abgefallen, an der Zerstörung der Christenheit arbeite.
Denn seine Ketzerei, so behauptete Gregor IX., werde erwiesen
durch seine Äußerung: "Die Welt sei durch drei Schwindler, Moses,
Christus und Mohammed betrogen, und es sei einfältig, zu glauben,
daß von einer Jungfrau der Gott hätte geboren werden können,
der die Natur und alles geschaffen habe." Friedrich hat diese
berühmt gewordene Anklage (1239) sofort zurückgewiesen, und er
hat die Äußerung so schwerlich getan. 2) Trotz seiner skeptischen

1) Über die Publizistik dieser Kampfzeit wird demnächst einer meiner
Schüler, F. Graefe, eine umfassendere Arbeit veröffentlichen.
2) Der Satz von den drei Betrügern ist schon 1201 von Simon
von Tournay, Professor der Theologie in Paris, als Schulbeispiel ver-
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 16

§ 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239‒1250).
andern Staaten, jede Eigenberechtigung bestritt und unter Berufung
auf göttliche Sendung und die konstantinische Schenkung die Ober-
leitung für sich in Anspruch nahm. Dem gegenüber war Friedrich,
der an die Aufstellung eines Gegenpapstes niemals gedacht hat,
stets mit der Nebenordnung der beiden Gewalten zufrieden, und
es war ein kluges Zurückweichen hinter den höchstgespannten
staufischen Reichsbegriff seiner Vorgänger, daß er von den andern
Staaten für das Kaisertum wohl einen gewissen Vorrang, aber keine
Überordnung in Anspruch nahm, vielmehr den Königen und Fürsten
Europas auf das eindringlichste zurief, er kämpfe für ihrer aller
Ehre, für das Recht des weltlichen Staates schlechthin, wenn er
mit seinem Schilde die ersten Stöße des gemeinsamen Feindes auf-
fange. In der Tat ist es seiner geschickten Diplomatie gelungen,
wenigstens die Neutralität dieser Mächte, die ihn vor der Bannung
in seinem Kampfe gegen die Lombarden größtenteils geradezu
durch Hilfstruppen unterstützt hatten, aufrechtzuerhalten.

In leidenschaftlichen Manifesten, die aber diesmal, anders als
im Investiturstreit, fast ausschließlich den beteiligten Kanzleien ent-
stammten1), wurden solche Ansichten hüben und drüben verfochten.
Die gehässigeren Anschuldigungen, die unverantwortlicheren, bis zur
Mordanklage gegen den Kaiser sich steigernden Verdächtigungen
waren auch hier auf päpstlicher Seite zu finden, worauf dann Friedrich
natürlich schroffe und feindselige Antworten nicht schuldig blieb.
Die alten kirchlichen Disziplinarmittel: Bann, Lösung vom Unter-
taneneid, Interdikt, übten jetzt nicht mehr die einstige Wirkung,
wenn auch dem Papsttum in den neuen Bettelorden eine furcht-
bare Agitationsarmee erstanden war. Man bedurfte noch schär-
ferer Abschreckungsmittel. Da haben die Päpste und kurialen
Publizisten miteinander gewetteifert, das Grauen der abergläubischen
Massen vor dem Kaiser wachzurufen, indem sie ihn als die Bestie
der Apokalypse, den leibhaftigen Antichrist schilderten, der, vom
Glauben abgefallen, an der Zerstörung der Christenheit arbeite.
Denn seine Ketzerei, so behauptete Gregor IX., werde erwiesen
durch seine Äußerung: „Die Welt sei durch drei Schwindler, Moses,
Christus und Mohammed betrogen, und es sei einfältig, zu glauben,
daß von einer Jungfrau der Gott hätte geboren werden können,
der die Natur und alles geschaffen habe.“ Friedrich hat diese
berühmt gewordene Anklage (1239) sofort zurückgewiesen, und er
hat die Äußerung so schwerlich getan. 2) Trotz seiner skeptischen

1) Über die Publizistik dieser Kampfzeit wird demnächst einer meiner
Schüler, F. Graefe, eine umfassendere Arbeit veröffentlichen.
2) Der Satz von den drei Betrügern ist schon 1201 von Simon
von Tournay, Professor der Theologie in Paris, als Schulbeispiel ver-
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 16
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[241/0249] § 18. Entscheidungskampf zwischen Kaisertum u. Papsttum (1239‒1250). andern Staaten, jede Eigenberechtigung bestritt und unter Berufung auf göttliche Sendung und die konstantinische Schenkung die Ober- leitung für sich in Anspruch nahm. Dem gegenüber war Friedrich, der an die Aufstellung eines Gegenpapstes niemals gedacht hat, stets mit der Nebenordnung der beiden Gewalten zufrieden, und es war ein kluges Zurückweichen hinter den höchstgespannten staufischen Reichsbegriff seiner Vorgänger, daß er von den andern Staaten für das Kaisertum wohl einen gewissen Vorrang, aber keine Überordnung in Anspruch nahm, vielmehr den Königen und Fürsten Europas auf das eindringlichste zurief, er kämpfe für ihrer aller Ehre, für das Recht des weltlichen Staates schlechthin, wenn er mit seinem Schilde die ersten Stöße des gemeinsamen Feindes auf- fange. In der Tat ist es seiner geschickten Diplomatie gelungen, wenigstens die Neutralität dieser Mächte, die ihn vor der Bannung in seinem Kampfe gegen die Lombarden größtenteils geradezu durch Hilfstruppen unterstützt hatten, aufrechtzuerhalten. In leidenschaftlichen Manifesten, die aber diesmal, anders als im Investiturstreit, fast ausschließlich den beteiligten Kanzleien ent- stammten 1), wurden solche Ansichten hüben und drüben verfochten. Die gehässigeren Anschuldigungen, die unverantwortlicheren, bis zur Mordanklage gegen den Kaiser sich steigernden Verdächtigungen waren auch hier auf päpstlicher Seite zu finden, worauf dann Friedrich natürlich schroffe und feindselige Antworten nicht schuldig blieb. Die alten kirchlichen Disziplinarmittel: Bann, Lösung vom Unter- taneneid, Interdikt, übten jetzt nicht mehr die einstige Wirkung, wenn auch dem Papsttum in den neuen Bettelorden eine furcht- bare Agitationsarmee erstanden war. Man bedurfte noch schär- ferer Abschreckungsmittel. Da haben die Päpste und kurialen Publizisten miteinander gewetteifert, das Grauen der abergläubischen Massen vor dem Kaiser wachzurufen, indem sie ihn als die Bestie der Apokalypse, den leibhaftigen Antichrist schilderten, der, vom Glauben abgefallen, an der Zerstörung der Christenheit arbeite. Denn seine Ketzerei, so behauptete Gregor IX., werde erwiesen durch seine Äußerung: „Die Welt sei durch drei Schwindler, Moses, Christus und Mohammed betrogen, und es sei einfältig, zu glauben, daß von einer Jungfrau der Gott hätte geboren werden können, der die Natur und alles geschaffen habe.“ Friedrich hat diese berühmt gewordene Anklage (1239) sofort zurückgewiesen, und er hat die Äußerung so schwerlich getan. 2) Trotz seiner skeptischen 1) Über die Publizistik dieser Kampfzeit wird demnächst einer meiner Schüler, F. Graefe, eine umfassendere Arbeit veröffentlichen. 2) Der Satz von den drei Betrügern ist schon 1201 von Simon von Tournay, Professor der Theologie in Paris, als Schulbeispiel ver- Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 16

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/249>, abgerufen am 21.11.2024.