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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 2. Heinrich III. (1039-1056).
zuverlässig erwiesen. Möglicherweise waren es die engen Beziehungen
des Kaisers zum bayrischen Episkopat, die Herzog Konrad schon
1052 zur Empörung getrieben hatten. Er ward abgesetzt und
flüchtete nach Ungarn, um von dort aus den Kampf fortzuführen.

Wie wenig hatte doch hier im Südosten die scheinbar so
glänzende Machtausdehnung des Reiches um die Mitte der vierziger
Jahre in Wirklichkeit bedeutet! Schon 1046 war König Peter, der
Schützling und Vasall Heinrichs, durch eine deutschfeindliche Re-
aktion gestürzt worden, und mit dem Nachfolger Andreas begann
bald wieder der alte Grenzkrieg (1050). Als schon ein für das
Reich günstiger Friede in Aussicht stand (1053), entfachte der
flüchtige Bayernherzog die Kriegsgluten aufs neue, in denen nun
die ganzen Errungenschaften aus den ersten Jahren von Heinrichs
Regierung zu Asche verbrannten.

Der Herzog selbst aber zettelte während des Kaisers Romzug
eine weitverzweigte Verschwörung an, die Heinrich Thron und Leben
kosten und ihn selbst auf dessen Platz heben sollte (1055). Die
Kunde davon zwang den Kaiser zu sofortiger Rückkehr, und nun
lächelte ihm noch einmal das Glück. Der unvermutete Tod der
beiden Hauptverschworenen Welf und Konrad vernichtete die
Machenschaften seiner Feinde. Auch Gottfried von Lothringen
unterwarf sich, und trotz allem, was geschehen, begnadigte ihn
Heinrich und entließ auch seine Gemahlin aus der Haft. Gegen
ein Treueversprechen, das nach den bisherigen Erfahrungen im
Ernstfalle federleicht wog, erkannte er jetzt die bedenkliche lothrin-
gisch-tuszische Verbindung an. War es eine Vorahnung des Todes,
die ihm die Notwendigkeit eines Entgegenkommens nahelegte?1)
War es ein Gefühl der Schwäche, das von durchgreifender Strenge
nur neue Unruhen befürchten ließ? Im Grunde war doch auch
dieser Entschluß nur ein Ausfluß der ureigensten Natur Heinrichs
und seiner christlichen Lebensanschauung. Feindlichen Trotz zu
brechen, aber dann durch überreiche Gnade die Herzen zu ge-
winnen, das war hier, wie so oft, sein menschlich großes, aber
staatsmännisch überaus bedenkliches Bestreben.

So war er, obwohl er manchem sich zu seinen Ungunsten
entwickelt zu haben schien, doch wohl derselbe geblieben, der er
im Anfang gewesen war; aber das Reich war nicht mehr ganz das

1) Die Beschaffenheit unsrer Quellen läßt hier, wie auch sonst in
Heinrichs Regierung, so manches dunkel. Daß die Entscheidung zu den
letztwilligen Verfügungen des Kaisers gehörte, möchte ich um deswillen nicht
annehmen, weil die Begnadigung Gottfrieds noch am Rhein erfolgt zu sein
scheint, und die Entlassung seiner Gemahlin doch wohl im Zusammenhang
mit ihr stand.

§ 2. Heinrich III. (1039‒1056).
zuverlässig erwiesen. Möglicherweise waren es die engen Beziehungen
des Kaisers zum bayrischen Episkopat, die Herzog Konrad schon
1052 zur Empörung getrieben hatten. Er ward abgesetzt und
flüchtete nach Ungarn, um von dort aus den Kampf fortzuführen.

Wie wenig hatte doch hier im Südosten die scheinbar so
glänzende Machtausdehnung des Reiches um die Mitte der vierziger
Jahre in Wirklichkeit bedeutet! Schon 1046 war König Peter, der
Schützling und Vasall Heinrichs, durch eine deutschfeindliche Re-
aktion gestürzt worden, und mit dem Nachfolger Andreas begann
bald wieder der alte Grenzkrieg (1050). Als schon ein für das
Reich günstiger Friede in Aussicht stand (1053), entfachte der
flüchtige Bayernherzog die Kriegsgluten aufs neue, in denen nun
die ganzen Errungenschaften aus den ersten Jahren von Heinrichs
Regierung zu Asche verbrannten.

Der Herzog selbst aber zettelte während des Kaisers Romzug
eine weitverzweigte Verschwörung an, die Heinrich Thron und Leben
kosten und ihn selbst auf dessen Platz heben sollte (1055). Die
Kunde davon zwang den Kaiser zu sofortiger Rückkehr, und nun
lächelte ihm noch einmal das Glück. Der unvermutete Tod der
beiden Hauptverschworenen Welf und Konrad vernichtete die
Machenschaften seiner Feinde. Auch Gottfried von Lothringen
unterwarf sich, und trotz allem, was geschehen, begnadigte ihn
Heinrich und entließ auch seine Gemahlin aus der Haft. Gegen
ein Treueversprechen, das nach den bisherigen Erfahrungen im
Ernstfalle federleicht wog, erkannte er jetzt die bedenkliche lothrin-
gisch-tuszische Verbindung an. War es eine Vorahnung des Todes,
die ihm die Notwendigkeit eines Entgegenkommens nahelegte?1)
War es ein Gefühl der Schwäche, das von durchgreifender Strenge
nur neue Unruhen befürchten ließ? Im Grunde war doch auch
dieser Entschluß nur ein Ausfluß der ureigensten Natur Heinrichs
und seiner christlichen Lebensanschauung. Feindlichen Trotz zu
brechen, aber dann durch überreiche Gnade die Herzen zu ge-
winnen, das war hier, wie so oft, sein menschlich großes, aber
staatsmännisch überaus bedenkliches Bestreben.

So war er, obwohl er manchem sich zu seinen Ungunsten
entwickelt zu haben schien, doch wohl derselbe geblieben, der er
im Anfang gewesen war; aber das Reich war nicht mehr ganz das

1) Die Beschaffenheit unsrer Quellen läßt hier, wie auch sonst in
Heinrichs Regierung, so manches dunkel. Daß die Entscheidung zu den
letztwilligen Verfügungen des Kaisers gehörte, möchte ich um deswillen nicht
annehmen, weil die Begnadigung Gottfrieds noch am Rhein erfolgt zu sein
scheint, und die Entlassung seiner Gemahlin doch wohl im Zusammenhang
mit ihr stand.
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[29/0037] § 2. Heinrich III. (1039‒1056). zuverlässig erwiesen. Möglicherweise waren es die engen Beziehungen des Kaisers zum bayrischen Episkopat, die Herzog Konrad schon 1052 zur Empörung getrieben hatten. Er ward abgesetzt und flüchtete nach Ungarn, um von dort aus den Kampf fortzuführen. Wie wenig hatte doch hier im Südosten die scheinbar so glänzende Machtausdehnung des Reiches um die Mitte der vierziger Jahre in Wirklichkeit bedeutet! Schon 1046 war König Peter, der Schützling und Vasall Heinrichs, durch eine deutschfeindliche Re- aktion gestürzt worden, und mit dem Nachfolger Andreas begann bald wieder der alte Grenzkrieg (1050). Als schon ein für das Reich günstiger Friede in Aussicht stand (1053), entfachte der flüchtige Bayernherzog die Kriegsgluten aufs neue, in denen nun die ganzen Errungenschaften aus den ersten Jahren von Heinrichs Regierung zu Asche verbrannten. Der Herzog selbst aber zettelte während des Kaisers Romzug eine weitverzweigte Verschwörung an, die Heinrich Thron und Leben kosten und ihn selbst auf dessen Platz heben sollte (1055). Die Kunde davon zwang den Kaiser zu sofortiger Rückkehr, und nun lächelte ihm noch einmal das Glück. Der unvermutete Tod der beiden Hauptverschworenen Welf und Konrad vernichtete die Machenschaften seiner Feinde. Auch Gottfried von Lothringen unterwarf sich, und trotz allem, was geschehen, begnadigte ihn Heinrich und entließ auch seine Gemahlin aus der Haft. Gegen ein Treueversprechen, das nach den bisherigen Erfahrungen im Ernstfalle federleicht wog, erkannte er jetzt die bedenkliche lothrin- gisch-tuszische Verbindung an. War es eine Vorahnung des Todes, die ihm die Notwendigkeit eines Entgegenkommens nahelegte? 1) War es ein Gefühl der Schwäche, das von durchgreifender Strenge nur neue Unruhen befürchten ließ? Im Grunde war doch auch dieser Entschluß nur ein Ausfluß der ureigensten Natur Heinrichs und seiner christlichen Lebensanschauung. Feindlichen Trotz zu brechen, aber dann durch überreiche Gnade die Herzen zu ge- winnen, das war hier, wie so oft, sein menschlich großes, aber staatsmännisch überaus bedenkliches Bestreben. So war er, obwohl er manchem sich zu seinen Ungunsten entwickelt zu haben schien, doch wohl derselbe geblieben, der er im Anfang gewesen war; aber das Reich war nicht mehr ganz das 1) Die Beschaffenheit unsrer Quellen läßt hier, wie auch sonst in Heinrichs Regierung, so manches dunkel. Daß die Entscheidung zu den letztwilligen Verfügungen des Kaisers gehörte, möchte ich um deswillen nicht annehmen, weil die Begnadigung Gottfrieds noch am Rhein erfolgt zu sein scheint, und die Entlassung seiner Gemahlin doch wohl im Zusammenhang mit ihr stand.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/37>, abgerufen am 23.11.2024.