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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075-1085).

Neben dem Absagebriefe der deutschen Bischöfe, denen sich bald die
lombardischen anschlossen, ging ein Schreiben Heinrichs1) nach Rom an
"Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch", welches
ihm die Mißhandlungen der Bischöfe, das Buhlen um die Gunst des Pöbels,
die anmaßende Drohung gegen das Königtum vorhielt und wirkungsvoll endigte:
"Du also, -- durch das Urteil aller unserer Bischöfe und das unsrige ver-
dammt, steige herab, verlasse den angemaßten apostolischen Sitz. Ein anderer
besteige den Thron des sel. Petrus, der nicht unter der Hülle heiliger Satzung
Gewalttat üben, sondern die unverfälschte Lehre des sel. Petrus lehren möge.
Denn wir, Heinrich, König von Gottes Gnaden, mit allen unseren Bischöfen
sagen dir: steige herab, steige herab!"

Wenn frühere deutsche Herrscher einen Papst entsetzten, hatten
sie mit Heeresgewalt in Italien gestanden und das Heft in der
Hand gehabt. Welche Verblendung, wenn Heinrich jetzt glaubte,
das seitdem machtvoll erwachsene Papsttum mit einem Stück Per-
gament entwurzeln zu können!

Gregor beantwortete den Schlag von Worms sofort mit dem
stärksten Gegenschlage. In der feierlichen Form eines Gebetes an
den Apostelfürsten Petrus2) verkündete er auf der römischen
Fastensynode von 1076 über Heinrich den Bann, widersagte ihm
die Leitung des Reiches und entband seine Untertanen vom Eid
der Treue. "Und so fessle ich ihn," endigte er, "im Vertrauen
auf Dich, damit die Völker es erfahren und erproben, daß du
Petrus bist, und auf deinem Felsen der Sohn des lebendigen Gottes
seine Kirche erbaut hat, und die Pforten der Hölle nichts gegen
sie vermögen."

Trotz allem, was das Vorgehen Gregors aus der allgemeinen
Lage heraus begreiflich machte, blieb diese Absetzung des für die
Kaiserkrone bestimmten deutschen Herrschers, -- denn das war
es, nicht nur eine zeitweilige Suspension, wie man wohl gemeint
hat,3) -- und seine Ausstoßung aus der Kirche ein schlechthin
unerhörter, welterschütternder Akt. War das bisherige Verhältnis
zwischen Kaisertum und Papsttum völlig auf den Kopf gestellt?
Welche der beiden Mächte würde den Sieg behaupten?

Nur zu bald trat die Hohlheit von Heinrichs Machtstellung
zutage. Bei der Erschütterung von außen brachen die kaum ge-
heilten inneren Wunden Deutschlands wieder auf. Die Sachsen
sannen auf neue Empörung, die Laienfürsten suchten den Konflikt
für ihre Sonderinteressen auszubeuten, die Bischöfe wurden von

1) M. G. Const. I, 110. Die vorwiegende Meinung der neueren Forscher,
diese sog. schärfere Fassung sei erst zu Ostern von Utrecht aus abgesandt,
teile ich nicht (so auch R. Friedrich a. a. O.), halte vielmehr die in das
Manifest an die Römer aufgenommene Fassung (Bruno, De bello Sax. c. 67)
nur für eine kürzere freie Umarbeitung.
2) Jaffe, Bibl. II, 224.
3) So Ranke.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 4
§ 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075‒1085).

Neben dem Absagebriefe der deutschen Bischöfe, denen sich bald die
lombardischen anschlossen, ging ein Schreiben Heinrichs1) nach Rom an
„Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch“, welches
ihm die Mißhandlungen der Bischöfe, das Buhlen um die Gunst des Pöbels,
die anmaßende Drohung gegen das Königtum vorhielt und wirkungsvoll endigte:
„Du also, — durch das Urteil aller unserer Bischöfe und das unsrige ver-
dammt, steige herab, verlasse den angemaßten apostolischen Sitz. Ein anderer
besteige den Thron des sel. Petrus, der nicht unter der Hülle heiliger Satzung
Gewalttat üben, sondern die unverfälschte Lehre des sel. Petrus lehren möge.
Denn wir, Heinrich, König von Gottes Gnaden, mit allen unseren Bischöfen
sagen dir: steige herab, steige herab!“

Wenn frühere deutsche Herrscher einen Papst entsetzten, hatten
sie mit Heeresgewalt in Italien gestanden und das Heft in der
Hand gehabt. Welche Verblendung, wenn Heinrich jetzt glaubte,
das seitdem machtvoll erwachsene Papsttum mit einem Stück Per-
gament entwurzeln zu können!

Gregor beantwortete den Schlag von Worms sofort mit dem
stärksten Gegenschlage. In der feierlichen Form eines Gebetes an
den Apostelfürsten Petrus2) verkündete er auf der römischen
Fastensynode von 1076 über Heinrich den Bann, widersagte ihm
die Leitung des Reiches und entband seine Untertanen vom Eid
der Treue. „Und so fessle ich ihn,“ endigte er, „im Vertrauen
auf Dich, damit die Völker es erfahren und erproben, daß du
Petrus bist, und auf deinem Felsen der Sohn des lebendigen Gottes
seine Kirche erbaut hat, und die Pforten der Hölle nichts gegen
sie vermögen.“

Trotz allem, was das Vorgehen Gregors aus der allgemeinen
Lage heraus begreiflich machte, blieb diese Absetzung des für die
Kaiserkrone bestimmten deutschen Herrschers, — denn das war
es, nicht nur eine zeitweilige Suspension, wie man wohl gemeint
hat,3) — und seine Ausstoßung aus der Kirche ein schlechthin
unerhörter, welterschütternder Akt. War das bisherige Verhältnis
zwischen Kaisertum und Papsttum völlig auf den Kopf gestellt?
Welche der beiden Mächte würde den Sieg behaupten?

Nur zu bald trat die Hohlheit von Heinrichs Machtstellung
zutage. Bei der Erschütterung von außen brachen die kaum ge-
heilten inneren Wunden Deutschlands wieder auf. Die Sachsen
sannen auf neue Empörung, die Laienfürsten suchten den Konflikt
für ihre Sonderinteressen auszubeuten, die Bischöfe wurden von

1) M. G. Const. I, 110. Die vorwiegende Meinung der neueren Forscher,
diese sog. schärfere Fassung sei erst zu Ostern von Utrecht aus abgesandt,
teile ich nicht (so auch R. Friedrich a. a. O.), halte vielmehr die in das
Manifest an die Römer aufgenommene Fassung (Bruno, De bello Sax. c. 67)
nur für eine kürzere freie Umarbeitung.
2) Jaffé, Bibl. II, 224.
3) So Ranke.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 4
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[49/0057] § 5. Der Kampf zwischen Heinrich IV. und Gregor VII. (1075‒1085). Neben dem Absagebriefe der deutschen Bischöfe, denen sich bald die lombardischen anschlossen, ging ein Schreiben Heinrichs 1) nach Rom an „Hildebrand, nicht mehr den Papst, sondern den falschen Mönch“, welches ihm die Mißhandlungen der Bischöfe, das Buhlen um die Gunst des Pöbels, die anmaßende Drohung gegen das Königtum vorhielt und wirkungsvoll endigte: „Du also, — durch das Urteil aller unserer Bischöfe und das unsrige ver- dammt, steige herab, verlasse den angemaßten apostolischen Sitz. Ein anderer besteige den Thron des sel. Petrus, der nicht unter der Hülle heiliger Satzung Gewalttat üben, sondern die unverfälschte Lehre des sel. Petrus lehren möge. Denn wir, Heinrich, König von Gottes Gnaden, mit allen unseren Bischöfen sagen dir: steige herab, steige herab!“ Wenn frühere deutsche Herrscher einen Papst entsetzten, hatten sie mit Heeresgewalt in Italien gestanden und das Heft in der Hand gehabt. Welche Verblendung, wenn Heinrich jetzt glaubte, das seitdem machtvoll erwachsene Papsttum mit einem Stück Per- gament entwurzeln zu können! Gregor beantwortete den Schlag von Worms sofort mit dem stärksten Gegenschlage. In der feierlichen Form eines Gebetes an den Apostelfürsten Petrus 2) verkündete er auf der römischen Fastensynode von 1076 über Heinrich den Bann, widersagte ihm die Leitung des Reiches und entband seine Untertanen vom Eid der Treue. „Und so fessle ich ihn,“ endigte er, „im Vertrauen auf Dich, damit die Völker es erfahren und erproben, daß du Petrus bist, und auf deinem Felsen der Sohn des lebendigen Gottes seine Kirche erbaut hat, und die Pforten der Hölle nichts gegen sie vermögen.“ Trotz allem, was das Vorgehen Gregors aus der allgemeinen Lage heraus begreiflich machte, blieb diese Absetzung des für die Kaiserkrone bestimmten deutschen Herrschers, — denn das war es, nicht nur eine zeitweilige Suspension, wie man wohl gemeint hat, 3) — und seine Ausstoßung aus der Kirche ein schlechthin unerhörter, welterschütternder Akt. War das bisherige Verhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum völlig auf den Kopf gestellt? Welche der beiden Mächte würde den Sieg behaupten? Nur zu bald trat die Hohlheit von Heinrichs Machtstellung zutage. Bei der Erschütterung von außen brachen die kaum ge- heilten inneren Wunden Deutschlands wieder auf. Die Sachsen sannen auf neue Empörung, die Laienfürsten suchten den Konflikt für ihre Sonderinteressen auszubeuten, die Bischöfe wurden von 1) M. G. Const. I, 110. Die vorwiegende Meinung der neueren Forscher, diese sog. schärfere Fassung sei erst zu Ostern von Utrecht aus abgesandt, teile ich nicht (so auch R. Friedrich a. a. O.), halte vielmehr die in das Manifest an die Römer aufgenommene Fassung (Bruno, De bello Sax. c. 67) nur für eine kürzere freie Umarbeitung. 2) Jaffé, Bibl. II, 224. 3) So Ranke. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 4

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/57>, abgerufen am 21.11.2024.