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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
Riß durch die deutsche Welt. "O beklagenswertes Antlitz des
Reiches," schrieb damals der Augsburger Annalist, "wie man bei
einem gewissen Komiker (Plautus) liest: ""Alle sind wir gedoppelt"",
so sind die Päpste gedoppelt, die Bischöfe gedoppelt, die Könige
gedoppelt, die Herzoge gedoppelt."

Als Heinrich sich nach Deutschland zurückwandte und mit
neuem Heere in Thüringen bis zur Elster vorrückte, lächelte ihm
einmal auch das sonst so neidische Glück. Er selbst erlitt zwar
abermals eine Niederlage, aber sein Gegner Rudolf erlag seinen
Kampfeswunden (1080). So eigenartig ging Gregors Prophezeihung
in Erfüllung, und daß dem Rebellen, der seinem König den Treu-
eid gebrochen hatte, gerade die rechte Schwurhand abgehauen war,
verstärkte noch den Eindruck eines Gottesgerichtes. Heinrichs Herrschaft
in Deutschland war, wenn auch eine Verständigung mit den Gegnern
nicht erreicht wurde, vorderhand so wenig mehr gefährdet, daß er
sich gegen seinen Hauptfeind, den Papst, wenden konnte. Diesmal
sollte dem Absetzungsbeschluß die bewaffnete Vollstreckung folgen.

Gregors Lage war wenig beneidenswert. Zwar hatte er gleich
bei dem erneuten Bruche mit dem Kaiser sich eines kraftvollen
Helfers in Süditalien zu versichern gesucht, indem er die eigen-
mächtigen, auch die päpstlichen Rechtsansprüche einschränkenden
Gebietserweiterungen des Herzogs Robert Guiscard anerkannt und
dafür von jenem den Lehenseid genommen hatte, aber der trotzige
Vasall war doch allzusehr mit seinen eignen Eroberungsplänen, die
ihn ebendamals gegen Byzanz nach Griechenland hinüberführten,
beschäftigt, als daß vorerst auf seine tatkräftige Unterstützung zu
rechnen gewesen wäre. -- In der Lombardei war auf die Er-
hebung Wiberts zum Gegenpapst ein neuer Aufschwung der An-
hänger Heinrichs gefolgt. Unbedingt konnte sich Gregor nur auf
seine allzeit getreue Helferin die Gräfin Mathilde verlassen. Eben
hatte sie ihre Ergebenheit aufs neue glänzend bewährt, indem sie
die gewaltige Masse ihrer Eigengüter, die sich, abgesehen von den
lothringischen Besitzungen, in Streulage von dem östlichen Ober-
italien und der Romagna über die Landschaften an der Nordseite
des Apennin nach Lucca und weiter südlich bis nach Siena und
Perugia erstreckten, und die in der Reichsgeschichte des folgenden
Jahrhunderts eine so bedeutsame Rolle spielen sollten, der römi-
schen Kirche zu Obereigentum vermacht und als freiverfügbares
Lehen zurückerhalten hatte.1) Unermüdlich und opferbereit hat sie

1) Diese frühe Schenkung ist gegen Giesebrechts Zweifel von Scheffer-
Boichorst, Gesammelte Schriften I S. 87 ff. gesichert. Über Mathilde und die
weitere Geschichte ihres Gutes unterrichtet am besten das Buch von Over-
mann, Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895.

I. Die Zeit der Salier.
Riß durch die deutsche Welt. „O beklagenswertes Antlitz des
Reiches,“ schrieb damals der Augsburger Annalist, „wie man bei
einem gewissen Komiker (Plautus) liest: „„Alle sind wir gedoppelt““,
so sind die Päpste gedoppelt, die Bischöfe gedoppelt, die Könige
gedoppelt, die Herzoge gedoppelt.“

Als Heinrich sich nach Deutschland zurückwandte und mit
neuem Heere in Thüringen bis zur Elster vorrückte, lächelte ihm
einmal auch das sonst so neidische Glück. Er selbst erlitt zwar
abermals eine Niederlage, aber sein Gegner Rudolf erlag seinen
Kampfeswunden (1080). So eigenartig ging Gregors Prophezeihung
in Erfüllung, und daß dem Rebellen, der seinem König den Treu-
eid gebrochen hatte, gerade die rechte Schwurhand abgehauen war,
verstärkte noch den Eindruck eines Gottesgerichtes. Heinrichs Herrschaft
in Deutschland war, wenn auch eine Verständigung mit den Gegnern
nicht erreicht wurde, vorderhand so wenig mehr gefährdet, daß er
sich gegen seinen Hauptfeind, den Papst, wenden konnte. Diesmal
sollte dem Absetzungsbeschluß die bewaffnete Vollstreckung folgen.

Gregors Lage war wenig beneidenswert. Zwar hatte er gleich
bei dem erneuten Bruche mit dem Kaiser sich eines kraftvollen
Helfers in Süditalien zu versichern gesucht, indem er die eigen-
mächtigen, auch die päpstlichen Rechtsansprüche einschränkenden
Gebietserweiterungen des Herzogs Robert Guiscard anerkannt und
dafür von jenem den Lehenseid genommen hatte, aber der trotzige
Vasall war doch allzusehr mit seinen eignen Eroberungsplänen, die
ihn ebendamals gegen Byzanz nach Griechenland hinüberführten,
beschäftigt, als daß vorerst auf seine tatkräftige Unterstützung zu
rechnen gewesen wäre. — In der Lombardei war auf die Er-
hebung Wiberts zum Gegenpapst ein neuer Aufschwung der An-
hänger Heinrichs gefolgt. Unbedingt konnte sich Gregor nur auf
seine allzeit getreue Helferin die Gräfin Mathilde verlassen. Eben
hatte sie ihre Ergebenheit aufs neue glänzend bewährt, indem sie
die gewaltige Masse ihrer Eigengüter, die sich, abgesehen von den
lothringischen Besitzungen, in Streulage von dem östlichen Ober-
italien und der Romagna über die Landschaften an der Nordseite
des Apennin nach Lucca und weiter südlich bis nach Siena und
Perugia erstreckten, und die in der Reichsgeschichte des folgenden
Jahrhunderts eine so bedeutsame Rolle spielen sollten, der römi-
schen Kirche zu Obereigentum vermacht und als freiverfügbares
Lehen zurückerhalten hatte.1) Unermüdlich und opferbereit hat sie

1) Diese frühe Schenkung ist gegen Giesebrechts Zweifel von Scheffer-
Boichorst, Gesammelte Schriften I S. 87 ff. gesichert. Über Mathilde und die
weitere Geschichte ihres Gutes unterrichtet am besten das Buch von Over-
mann, Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895.
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[58/0066] I. Die Zeit der Salier. Riß durch die deutsche Welt. „O beklagenswertes Antlitz des Reiches,“ schrieb damals der Augsburger Annalist, „wie man bei einem gewissen Komiker (Plautus) liest: „„Alle sind wir gedoppelt““, so sind die Päpste gedoppelt, die Bischöfe gedoppelt, die Könige gedoppelt, die Herzoge gedoppelt.“ Als Heinrich sich nach Deutschland zurückwandte und mit neuem Heere in Thüringen bis zur Elster vorrückte, lächelte ihm einmal auch das sonst so neidische Glück. Er selbst erlitt zwar abermals eine Niederlage, aber sein Gegner Rudolf erlag seinen Kampfeswunden (1080). So eigenartig ging Gregors Prophezeihung in Erfüllung, und daß dem Rebellen, der seinem König den Treu- eid gebrochen hatte, gerade die rechte Schwurhand abgehauen war, verstärkte noch den Eindruck eines Gottesgerichtes. Heinrichs Herrschaft in Deutschland war, wenn auch eine Verständigung mit den Gegnern nicht erreicht wurde, vorderhand so wenig mehr gefährdet, daß er sich gegen seinen Hauptfeind, den Papst, wenden konnte. Diesmal sollte dem Absetzungsbeschluß die bewaffnete Vollstreckung folgen. Gregors Lage war wenig beneidenswert. Zwar hatte er gleich bei dem erneuten Bruche mit dem Kaiser sich eines kraftvollen Helfers in Süditalien zu versichern gesucht, indem er die eigen- mächtigen, auch die päpstlichen Rechtsansprüche einschränkenden Gebietserweiterungen des Herzogs Robert Guiscard anerkannt und dafür von jenem den Lehenseid genommen hatte, aber der trotzige Vasall war doch allzusehr mit seinen eignen Eroberungsplänen, die ihn ebendamals gegen Byzanz nach Griechenland hinüberführten, beschäftigt, als daß vorerst auf seine tatkräftige Unterstützung zu rechnen gewesen wäre. — In der Lombardei war auf die Er- hebung Wiberts zum Gegenpapst ein neuer Aufschwung der An- hänger Heinrichs gefolgt. Unbedingt konnte sich Gregor nur auf seine allzeit getreue Helferin die Gräfin Mathilde verlassen. Eben hatte sie ihre Ergebenheit aufs neue glänzend bewährt, indem sie die gewaltige Masse ihrer Eigengüter, die sich, abgesehen von den lothringischen Besitzungen, in Streulage von dem östlichen Ober- italien und der Romagna über die Landschaften an der Nordseite des Apennin nach Lucca und weiter südlich bis nach Siena und Perugia erstreckten, und die in der Reichsgeschichte des folgenden Jahrhunderts eine so bedeutsame Rolle spielen sollten, der römi- schen Kirche zu Obereigentum vermacht und als freiverfügbares Lehen zurückerhalten hatte. 1) Unermüdlich und opferbereit hat sie 1) Diese frühe Schenkung ist gegen Giesebrechts Zweifel von Scheffer- Boichorst, Gesammelte Schriften I S. 87 ff. gesichert. Über Mathilde und die weitere Geschichte ihres Gutes unterrichtet am besten das Buch von Over- mann, Gräfin Mathilde von Tuszien, 1895.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/66>, abgerufen am 21.11.2024.