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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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natürlicher Weise so lang in der
Seelen bleiben müssen/ als die Er-
innerung der bösen Thaten/ dar-
aus solche den Ursprung genom-
men/ dauret?

Erläuterung.

So lang die Ursache eines Dinges in ihrer
völligen Kraft ist/ so lang muß auch die Wir-
ckung darin bleiben. Die Zeit ist nur ein äuserli-
cher Umstand der Dinge. Was an sich böse ist/
kan durch die Länge der Zeit nicht gut werden.
Eine lasterhafte That bleibt ewig eine lasterhafte
That. Da nun der Begriff davon das böse Ge-
wissen macht (quaest. 23.) so muß dieses in der See-
len bleiben/ so lang jener nicht ausgelöscht. Daß
aber dieser natürlicher Weise nicht ausgelöschet
werde/ davon überzeuget uns die Erfahrung.
Zwar ist nicht alles/ was der Mensch begangen/
allezeit in würcklichen Vorstellungen der Seelen
gegenwärtig: doch kommt bey gewissen Gelegen-
heiten bald dieses/ bald jenes in unsere Erinnerung/
daß wir keine Ursache haben/ uns zu überreden/
es werde dasjenige/ was einmahl in unserm Geist
ist/ sich iemals aus demselben verlieren. Es ver-
leuret sich die Erinnerung eines Dinges um desto-
weniger/ je mehr Merckmahle solches hat: da
nun die lasterhaffte Thaten Stuffen haben/ so
müssen die gröbsten Sünden die mercklichsten

seyn:


natuͤrlicher Weiſe ſo lang in der
Seelen bleiben muͤſſen/ als die Er-
innerung der boͤſen Thaten/ dar-
aus ſolche den Urſprung genom-
men/ dauret?

Erlaͤuterung.

So lang die Urſache eines Dinges in ihrer
voͤlligen Kraft iſt/ ſo lang muß auch die Wir-
ckung darin bleiben. Die Zeit iſt nur ein aͤuſerli-
cher Umſtand der Dinge. Was an ſich boͤſe iſt/
kan durch die Laͤnge der Zeit nicht gut werden.
Eine laſterhafte That bleibt ewig eine laſterhafte
That. Da nun der Begriff davon das boͤſe Ge-
wiſſen macht (quæſt. 23.) ſo muß dieſes in der See-
len bleiben/ ſo lang jener nicht ausgeloͤſcht. Daß
aber dieſer natuͤrlicher Weiſe nicht ausgeloͤſchet
werde/ davon uͤberzeuget uns die Erfahrung.
Zwar iſt nicht alles/ was der Menſch begangen/
allezeit in wuͤrcklichen Vorſtellungen der Seelen
gegenwaͤrtig: doch kommt bey gewiſſen Gelegen-
heiten bald dieſes/ bald jenes in unſere Erinnerung/
daß wir keine Urſache haben/ uns zu uͤberreden/
es werde dasjenige/ was einmahl in unſerm Geiſt
iſt/ ſich iemals aus demſelben verlieren. Es ver-
leuret ſich die Erinnerung eines Dinges um deſto-
weniger/ je mehr Merckmahle ſolches hat: da
nun die laſterhaffte Thaten Stuffen haben/ ſo
muͤſſen die groͤbſten Suͤnden die mercklichſten

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[58/0110] natuͤrlicher Weiſe ſo lang in der Seelen bleiben muͤſſen/ als die Er- innerung der boͤſen Thaten/ dar- aus ſolche den Urſprung genom- men/ dauret? Erlaͤuterung. So lang die Urſache eines Dinges in ihrer voͤlligen Kraft iſt/ ſo lang muß auch die Wir- ckung darin bleiben. Die Zeit iſt nur ein aͤuſerli- cher Umſtand der Dinge. Was an ſich boͤſe iſt/ kan durch die Laͤnge der Zeit nicht gut werden. Eine laſterhafte That bleibt ewig eine laſterhafte That. Da nun der Begriff davon das boͤſe Ge- wiſſen macht (quæſt. 23.) ſo muß dieſes in der See- len bleiben/ ſo lang jener nicht ausgeloͤſcht. Daß aber dieſer natuͤrlicher Weiſe nicht ausgeloͤſchet werde/ davon uͤberzeuget uns die Erfahrung. Zwar iſt nicht alles/ was der Menſch begangen/ allezeit in wuͤrcklichen Vorſtellungen der Seelen gegenwaͤrtig: doch kommt bey gewiſſen Gelegen- heiten bald dieſes/ bald jenes in unſere Erinnerung/ daß wir keine Urſache haben/ uns zu uͤberreden/ es werde dasjenige/ was einmahl in unſerm Geiſt iſt/ ſich iemals aus demſelben verlieren. Es ver- leuret ſich die Erinnerung eines Dinges um deſto- weniger/ je mehr Merckmahle ſolches hat: da nun die laſterhaffte Thaten Stuffen haben/ ſo muͤſſen die groͤbſten Suͤnden die mercklichſten ſeyn:

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/110>, abgerufen am 21.11.2024.