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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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Seneca mercket an/ daß wir die Laster eben
darum verthädigen/ weil wir sie lieb haben/ und
solche viel lieber entschuldigen als uns davon loß
machen. vitia nostra, quia amamus, defendimus
& malumus excusare illa, quam excutere. Epist. CXVI.
Plutarchus
hat gar erkannt/ daß die Laster tief in dem
menschl. Gemüht eingewurtzelt und daß es schwer-
lich in unsern Kräften stehe/ sich davon loß zumachen.
facile mala se exoneret muliere, qui quidem vir fit,
non mancipium. Vitiis vero tuis non licet remisso
nuncio jussisque suas res habere, seorsim vivere li-
beratum iis & quiete frui. Vitium enim in ipsis ha-
bitans visceribus atque inhaerens noctesque diesque
Absque face exurit, crudae mandatque Senectae. libell.
de virt. & vitiis.
Dergleichen Zeugnüsse finden
sich in denen Schriften der Heyden in solcher Men-
ge/ daß man zur Gnüge erkennen kan/ es sey die
Meynung unter den Meisten gewesen/ daß alle
Menschen von Natur zum Bösen geneigt/ und daß/
wo sonst eine Besserung möglich/ doch sehr viel
Fleiß/ Arbeit und Mühe erfordert werde/ das
menschliche Gemüht zur Tugend zu neigen/ und
zur Ausübung des Guten geschickt zu machen. Wir
finden die Menschen noch so beschaffen/ wie sie uns
von denen Alten beschrieben worden: und der be-
treugt gewiß sich selbst und andere/ der anders leh-
ret/ und würde der H. Schrift ins Angesicht wi-
dersprechen. 1 Reg. VI. 46. Prov. XX. 9. Pred. VII.
21. Rom. III. 23. 1 Joh. I.
8. Die gantze Welt
liegt im Argen. 1 Joh. V. 19.

XXVIII.


Seneca mercket an/ daß wir die Laſter eben
darum verthaͤdigen/ weil wir ſie lieb haben/ und
ſolche viel lieber entſchuldigen als uns davon loß
machen. vitia noſtra, quia amamus, defendimus
& malumus excuſare illa, quam excutere. Epiſt. CXVI.
Plutarchus
hat gar erkannt/ daß die Laſter tief in dem
menſchl. Gemuͤht eingewurtzelt und daß es ſchwer-
lich in unſern Kraͤften ſtehe/ ſich davon loß zumachen.
facile mala ſe exoneret muliere, qui quidem vir fit,
non mancipium. Vitiis vero tuis non licet remiſſo
nuncio juſſisque ſuas res habere, ſeorſim vivere li-
beratum iis & quiete frui. Vitium enim in ipſis ha-
bitans viſceribus atque inhærens noctesque diesque
Absque face exurit, crudæ mandatque Senectæ. libell.
de virt. & vitiis.
Dergleichen Zeugnuͤſſe finden
ſich in denen Schriften der Heyden in ſolcher Men-
ge/ daß man zur Gnuͤge erkennen kan/ es ſey die
Meynung unter den Meiſten geweſen/ daß alle
Menſchen von Natur zum Boͤſen geneigt/ und daß/
wo ſonſt eine Beſſerung moͤglich/ doch ſehr viel
Fleiß/ Arbeit und Muͤhe erfordert werde/ das
menſchliche Gemuͤht zur Tugend zu neigen/ und
zur Ausuͤbung des Guten geſchickt zu machen. Wir
finden die Menſchen noch ſo beſchaffen/ wie ſie uns
von denen Alten beſchrieben worden: und der be-
treugt gewiß ſich ſelbſt und andere/ der anders leh-
ret/ und wuͤrde der H. Schrift ins Angeſicht wi-
derſprechen. 1 Reg. VI. 46. Prov. XX. 9. Pred. VII.
21. Rom. III. 23. 1 Joh. I.
8. Die gantze Welt
liegt im Argen. 1 Joh. V. 19.

XXVIII.
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[64/0116] Seneca mercket an/ daß wir die Laſter eben darum verthaͤdigen/ weil wir ſie lieb haben/ und ſolche viel lieber entſchuldigen als uns davon loß machen. vitia noſtra, quia amamus, defendimus & malumus excuſare illa, quam excutere. Epiſt. CXVI. Plutarchus hat gar erkannt/ daß die Laſter tief in dem menſchl. Gemuͤht eingewurtzelt und daß es ſchwer- lich in unſern Kraͤften ſtehe/ ſich davon loß zumachen. facile mala ſe exoneret muliere, qui quidem vir fit, non mancipium. Vitiis vero tuis non licet remiſſo nuncio juſſisque ſuas res habere, ſeorſim vivere li- beratum iis & quiete frui. Vitium enim in ipſis ha- bitans viſceribus atque inhærens noctesque diesque Absque face exurit, crudæ mandatque Senectæ. libell. de virt. & vitiis. Dergleichen Zeugnuͤſſe finden ſich in denen Schriften der Heyden in ſolcher Men- ge/ daß man zur Gnuͤge erkennen kan/ es ſey die Meynung unter den Meiſten geweſen/ daß alle Menſchen von Natur zum Boͤſen geneigt/ und daß/ wo ſonſt eine Beſſerung moͤglich/ doch ſehr viel Fleiß/ Arbeit und Muͤhe erfordert werde/ das menſchliche Gemuͤht zur Tugend zu neigen/ und zur Ausuͤbung des Guten geſchickt zu machen. Wir finden die Menſchen noch ſo beſchaffen/ wie ſie uns von denen Alten beſchrieben worden: und der be- treugt gewiß ſich ſelbſt und andere/ der anders leh- ret/ und wuͤrde der H. Schrift ins Angeſicht wi- derſprechen. 1 Reg. VI. 46. Prov. XX. 9. Pred. VII. 21. Rom. III. 23. 1 Joh. I. 8. Die gantze Welt liegt im Argen. 1 Joh. V. 19. XXVIII.

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/116>, abgerufen am 21.11.2024.