Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

Bild:
<< vorherige Seite


ständen der Argwohn von selbst
entstehen müsse/ daß
J. C. Dippel ü-
berall mit der Religion nur ein Ge-
spött treibe/ und daß er die durch ihn
entstandene Unruhe und Aergernis-
se aus fleischlicher und sündlicher
Abstcht in der Kirchen erreget habe?

Erläuterung.

Man erfähret es leyder! gar zu oft/ daß Leute
eine unzeitige Achtung für sich selbst kriegen/ und sich
von der Schärffe ihres Verstandes und denen be-
sonderen Gaben ihrer Tiefsinnigkeit eine grosse Mey-
nung machen. Wann sie aber doch dabey mer-
cken/ daß sie zu schwach in andern Wissenschaften/
die über das Ziel der Windmacherey gesetzet sind/
etwas rechtes auszurichten; so machen sie sich ge-
meiniglich an die Religion/ und dieß um destomehr/
weil jederman an derselben Theil nimmt und man
dadurch am ersten eine Aufmercksamkeit in der
Welt erwecken kan. Was sind nicht vor vieler-
ley Gattungen von lasterhaften Empfindungen/
wornach sich die Absichten der Menschen richten?
Darum gehen viele auch selbst mit der Religion
boßhaft um. Etliche wollen ihrem hungernden
Ehrgeitz auf solche Art Nahrung schaffen: Etliche
Kitzeln sich daran/ daß sie mit denen blöden Gei-
stern/ dergleichen es viele in der Welt gibt/ können

ihr


ſtaͤnden der Argwohn von ſelbſt
entſtehen muͤſſe/ daß
J. C. Dippel uͤ-
berall mit der Religion nur ein Ge-
ſpoͤtt treibe/ und daß er die durch ihn
entſtandene Unruhe und Aergerniſ-
ſe aus fleiſchlicher und ſuͤndlicher
Abſtcht in der Kirchen erreget habe?

Erlaͤuterung.

Man erfaͤhret es leyder! gar zu oft/ daß Leute
eine unzeitige Achtung fuͤr ſich ſelbſt kriegen/ und ſich
von der Schaͤrffe ihres Verſtandes und denen be-
ſonderen Gaben ihrer Tiefſinnigkeit eine groſſe Mey-
nung machen. Wann ſie aber doch dabey mer-
cken/ daß ſie zu ſchwach in andern Wiſſenſchaften/
die uͤber das Ziel der Windmacherey geſetzet ſind/
etwas rechtes auszurichten; ſo machen ſie ſich ge-
meiniglich an die Religion/ und dieß um deſtomehr/
weil jederman an derſelben Theil nimmt und man
dadurch am erſten eine Aufmerckſamkeit in der
Welt erwecken kan. Was ſind nicht vor vieler-
ley Gattungen von laſterhaften Empfindungen/
wornach ſich die Abſichten der Menſchen richten?
Darum gehen viele auch ſelbſt mit der Religion
boßhaft um. Etliche wollen ihrem hungernden
Ehrgeitz auf ſolche Art Nahrung ſchaffen: Etliche
Kitzeln ſich daran/ daß ſie mit denen bloͤden Gei-
ſtern/ dergleichen es viele in der Welt gibt/ koͤnnen

ihr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <head>
            <pb facs="#f0242" n="190"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <hi rendition="#b">&#x017F;ta&#x0364;nden der Argwohn von &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
ent&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ daß</hi> <hi rendition="#aq">J. C. Dippel</hi> <hi rendition="#b">u&#x0364;-<lb/>
berall mit der Religion nur ein Ge-<lb/>
&#x017F;po&#x0364;tt treibe/ und daß er die durch ihn<lb/>
ent&#x017F;tandene Unruhe und Aergerni&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e aus flei&#x017F;chlicher und &#x017F;u&#x0364;ndlicher<lb/>
Ab&#x017F;tcht in der Kirchen erreget habe?</hi> </head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Erla&#x0364;uterung.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Man erfa&#x0364;hret es leyder! gar zu oft/ daß Leute<lb/>
eine unzeitige Achtung fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t kriegen/ und &#x017F;ich<lb/>
von der Scha&#x0364;rffe ihres Ver&#x017F;tandes und denen be-<lb/>
&#x017F;onderen Gaben ihrer Tief&#x017F;innigkeit eine gro&#x017F;&#x017F;e Mey-<lb/>
nung machen. Wann &#x017F;ie aber doch dabey mer-<lb/>
cken/ daß &#x017F;ie zu &#x017F;chwach in andern Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften/<lb/>
die u&#x0364;ber das Ziel der Windmacherey ge&#x017F;etzet &#x017F;ind/<lb/>
etwas rechtes auszurichten; &#x017F;o machen &#x017F;ie &#x017F;ich ge-<lb/>
meiniglich an die Religion/ und dieß um de&#x017F;tomehr/<lb/>
weil jederman an der&#x017F;elben Theil nimmt und man<lb/>
dadurch am er&#x017F;ten eine Aufmerck&#x017F;amkeit in der<lb/>
Welt erwecken kan. Was &#x017F;ind nicht vor vieler-<lb/>
ley Gattungen von la&#x017F;terhaften Empfindungen/<lb/>
wornach &#x017F;ich die Ab&#x017F;ichten der Men&#x017F;chen richten?<lb/>
Darum gehen viele auch &#x017F;elb&#x017F;t mit der Religion<lb/>
boßhaft um. Etliche wollen ihrem hungernden<lb/>
Ehrgeitz auf &#x017F;olche Art Nahrung &#x017F;chaffen: Etliche<lb/>
Kitzeln &#x017F;ich daran/ daß &#x017F;ie mit denen blo&#x0364;den Gei-<lb/>
&#x017F;tern/ dergleichen es viele in der Welt gibt/ ko&#x0364;nnen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ihr</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0242] ſtaͤnden der Argwohn von ſelbſt entſtehen muͤſſe/ daß J. C. Dippel uͤ- berall mit der Religion nur ein Ge- ſpoͤtt treibe/ und daß er die durch ihn entſtandene Unruhe und Aergerniſ- ſe aus fleiſchlicher und ſuͤndlicher Abſtcht in der Kirchen erreget habe? Erlaͤuterung. Man erfaͤhret es leyder! gar zu oft/ daß Leute eine unzeitige Achtung fuͤr ſich ſelbſt kriegen/ und ſich von der Schaͤrffe ihres Verſtandes und denen be- ſonderen Gaben ihrer Tiefſinnigkeit eine groſſe Mey- nung machen. Wann ſie aber doch dabey mer- cken/ daß ſie zu ſchwach in andern Wiſſenſchaften/ die uͤber das Ziel der Windmacherey geſetzet ſind/ etwas rechtes auszurichten; ſo machen ſie ſich ge- meiniglich an die Religion/ und dieß um deſtomehr/ weil jederman an derſelben Theil nimmt und man dadurch am erſten eine Aufmerckſamkeit in der Welt erwecken kan. Was ſind nicht vor vieler- ley Gattungen von laſterhaften Empfindungen/ wornach ſich die Abſichten der Menſchen richten? Darum gehen viele auch ſelbſt mit der Religion boßhaft um. Etliche wollen ihrem hungernden Ehrgeitz auf ſolche Art Nahrung ſchaffen: Etliche Kitzeln ſich daran/ daß ſie mit denen bloͤden Gei- ſtern/ dergleichen es viele in der Welt gibt/ koͤnnen ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/242
Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/242>, abgerufen am 21.11.2024.