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Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731.

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welche die Vollenkommenheit der Geschöpffe aus
dem unumgeschrenckten und unbedingten Wil-
len des Schöpffers herleiten/ und die Fähigkeit
der Creatur niemahls in Betracht ziehen. Wenn
etliche sich nicht scheuen zu fragen: solte nicht
die höchste Macht/ wenn sie mit einer unendlichen
Gütigkeit verknüpfft ist/ ihr Werck mit Gütern
erfüllen und überschütten? vid. Leibnitz Theodic.
P. II. §. CLI. p.
386. so kommt es mir vor/ als
wenn sie sprechen: solte nicht GOtt lauter Ge-
schöpffe/ die alle Vollenkommenheiten auf die vol-
lenkommenste Art besitzen/ d. i. lauter Götter her-
vor gebracht haben? Auf solche Art könte eine jeg-
liche Creatur sich einbilden/ sie wäre befugt/ zu be-
gehren/ GOtt gleich zu seyn. Es war dieß der
erste Jrrthum/ darin der Verführer unsere Eltern
stürtzte. Gen. III. 5. Kein vernünftiger Mensch
wird sich also überreden/ daß GOtt einer Crea-
tur unbegrentzte Vollenkommenheiten hätte bey-
legen können/ wenn er nur gewollt. Hat aber
eine jegliche derselben ihre Grentzen/ so muß ja eine
Richtschnur seyn/ wornach seine Weißheit und
Güte dieselbe bestimmt und abmißt/ und wo kön-
nen diese anders als in dem Wesen der Dinge
und der darin gegründeten Fähigkeit gesetzet wer-
den. Jndeß ist es doch lediglich auf den Willen
GOttes angekommen/ die Dinge/ von deren
Natur und Wesen sein Verstand von Ewigkeit
her Begriffe gehabt/ in der Zeit zur Existentz zu
bringen und sie zu seine Creaturen zu machen.

Sei-
B 2



welche die Vollenkommenheit der Geſchoͤpffe aus
dem unumgeſchrenckten und unbedingten Wil-
len des Schoͤpffers herleiten/ und die Faͤhigkeit
der Creatur niemahls in Betracht ziehen. Wenn
etliche ſich nicht ſcheuen zu fragen: ſolte nicht
die hoͤchſte Macht/ wenn ſie mit einer unendlichen
Guͤtigkeit verknuͤpfft iſt/ ihr Werck mit Guͤtern
erfuͤllen und uͤberſchuͤtten? vid. Leibnitz Theodic.
P. II. §. CLI. p.
386. ſo kommt es mir vor/ als
wenn ſie ſprechen: ſolte nicht GOtt lauter Ge-
ſchoͤpffe/ die alle Vollenkommenheiten auf die vol-
lenkommenſte Art beſitzen/ d. i. lauter Goͤtter her-
vor gebracht haben? Auf ſolche Art koͤnte eine jeg-
liche Creatur ſich einbilden/ ſie waͤre befugt/ zu be-
gehren/ GOtt gleich zu ſeyn. Es war dieß der
erſte Jrrthum/ darin der Verfuͤhrer unſere Eltern
ſtuͤrtzte. Gen. III. 5. Kein vernuͤnftiger Menſch
wird ſich alſo uͤberreden/ daß GOtt einer Crea-
tur unbegrentzte Vollenkommenheiten haͤtte bey-
legen koͤnnen/ wenn er nur gewollt. Hat aber
eine jegliche derſelben ihre Grentzen/ ſo muß ja eine
Richtſchnur ſeyn/ wornach ſeine Weißheit und
Guͤte dieſelbe beſtimmt und abmißt/ und wo koͤn-
nen dieſe anders als in dem Weſen der Dinge
und der darin gegruͤndeten Faͤhigkeit geſetzet wer-
den. Jndeß iſt es doch lediglich auf den Willen
GOttes angekommen/ die Dinge/ von deren
Natur und Weſen ſein Verſtand von Ewigkeit
her Begriffe gehabt/ in der Zeit zur Exiſtentz zu
bringen und ſie zu ſeine Creaturen zu machen.

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B 2
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[19/0071] welche die Vollenkommenheit der Geſchoͤpffe aus dem unumgeſchrenckten und unbedingten Wil- len des Schoͤpffers herleiten/ und die Faͤhigkeit der Creatur niemahls in Betracht ziehen. Wenn etliche ſich nicht ſcheuen zu fragen: ſolte nicht die hoͤchſte Macht/ wenn ſie mit einer unendlichen Guͤtigkeit verknuͤpfft iſt/ ihr Werck mit Guͤtern erfuͤllen und uͤberſchuͤtten? vid. Leibnitz Theodic. P. II. §. CLI. p. 386. ſo kommt es mir vor/ als wenn ſie ſprechen: ſolte nicht GOtt lauter Ge- ſchoͤpffe/ die alle Vollenkommenheiten auf die vol- lenkommenſte Art beſitzen/ d. i. lauter Goͤtter her- vor gebracht haben? Auf ſolche Art koͤnte eine jeg- liche Creatur ſich einbilden/ ſie waͤre befugt/ zu be- gehren/ GOtt gleich zu ſeyn. Es war dieß der erſte Jrrthum/ darin der Verfuͤhrer unſere Eltern ſtuͤrtzte. Gen. III. 5. Kein vernuͤnftiger Menſch wird ſich alſo uͤberreden/ daß GOtt einer Crea- tur unbegrentzte Vollenkommenheiten haͤtte bey- legen koͤnnen/ wenn er nur gewollt. Hat aber eine jegliche derſelben ihre Grentzen/ ſo muß ja eine Richtſchnur ſeyn/ wornach ſeine Weißheit und Guͤte dieſelbe beſtimmt und abmißt/ und wo koͤn- nen dieſe anders als in dem Weſen der Dinge und der darin gegruͤndeten Faͤhigkeit geſetzet wer- den. Jndeß iſt es doch lediglich auf den Willen GOttes angekommen/ die Dinge/ von deren Natur und Weſen ſein Verſtand von Ewigkeit her Begriffe gehabt/ in der Zeit zur Exiſtentz zu bringen und ſie zu ſeine Creaturen zu machen. Sei- B 2

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Zitationshilfe: Hanssen, Petrus: Achtzig erläuterte Grund-Fragen. Lübeck u. a., 1731, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hanssen_grundfragen_1731/71>, abgerufen am 25.11.2024.