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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans I. Buch.
diren kommen sind/ gehen uns weit bevor. Ortelius fieng erst im
30. Jahr seines Alters an/ Latein zu lernen/ und ward ein solcher
grosser Sternseher. Viel Leute wollen nicht lernen/ weil sie nicht
frühe gnug angefangen haben. Aber diese müssen beschämet
werden/ durch das schöne Exempel der Frau Euridices: Diese
fieng in ihren alten Tagen an/ lesen und schreiben zu lernen/ da-
mit sie solches ihre Kinder gleichfalls lehren könte. Thäten dieses
viel Eltern auch in der Religion, ihre Kinder solten besser leben.

Der Printz: Därauf zielet das Wort Socrates. Er lernete
in seinen alten Jahren auf der Cyther spielen; Als man sich nun
darüber verwunderte/ so sagte er: Es ist besser etwas spät/ als
nimmer lernen. So lang man lebet/ so ist man bequem/ etwas
zu lernen/ wann man nur fleissig ist.

Der Podesta: Das schickt sich gleichfalls auf die Religion,
aber es ist mit dem Fleiß allein nicht außgerichtet. Wer Weiß-
heit vonnöthen hat/ sagt Jacobus/ der muß darum bitten/ und
alsdann soll sie ihm gegeben werden. Das Beten ist ein gesegne-
tes Mittel. Didyinus Alexandrinus war blind/ und zu dem Stu-
di
ren unbequem/ doch studirte er eben wol/ und ward durch viel
Beten ein gelehrter Mann. Salomon erlangete auch grosse
Weißheit durchs Gebet. Avicenna, der Mahometaner/ hatte
diese Gewonheit/ wann ihm etwas Dunckels vorkam/ so gieng er
in den Tempel/ und bathe GOtt um Verstand. Wie viel mehr
solten wir GOtt um die Göttliche Weißheit dancken/ und un-
sern Lehrmeister JEsum darfür preisen.

Der Printz: Gute Meister sind grossen Dancks und Eh-
ren würdig. Quirinus bauete für seinen Meister ein Marmor-
nes Grab/ welches die Studenten offtmahls besahen/ um dar-
durch zu dergleichen Danckbarkeit aufgemuntert zu werden.
Crito ließ seinen Meister Socratem niemahls Mangel leyden.
Dionysius sagte zu dem Platoni: Es soll dir Jemand den Kopff
abschlagen. Xenocrates, sein Jünger/ der darbey stunde/ ant-
wortete: Den Meinigen vorher. Er war bereit/ seinen Meister
mit seinem Tod zu beschirmen. Aristoteles richtete seinem Lehr-
meister Platoni ein Bild/ und einen Altar auf/ und ließ diese
Worte darauf setzen: Diesem Mann müssen alle Gute nach-
folgen. Was ist es Wunder/ Alexander, als er seinen Lehrmeister
Aristotelem sehr verehrete/ gab darvon die Ursach: Von mei-
mem Vatter/ sagte er/ habe ich das Leben/ von meinem Lehrmei-
ster aber das Wol-Leben.

Der Podesta: Alle diese Dinge schicken sich mit besserm

Recht
B b 5

Romans I. Buch.
diren kommen ſind/ gehen uns weit bevor. Ortelius fieng erſt im
30. Jahr ſeines Alters an/ Latein zu lernen/ und ward ein ſolcher
groſſer Sternſeher. Viel Leute wollen nicht lernen/ weil ſie nicht
fruͤhe gnug angefangen haben. Aber dieſe muͤſſen beſchaͤmet
werden/ durch das ſchoͤne Exempel der Frau Euridices: Dieſe
fieng in ihren alten Tagen an/ leſen und ſchreiben zu lernen/ da-
mit ſie ſolches ihre Kinder gleichfalls lehren koͤnte. Thaͤten dieſes
viel Eltern auch in der Religion, ihre Kinder ſolten beſſer leben.

Der Printz: Daͤrauf zielet das Wort Socrates. Er lernete
in ſeinen alten Jahren auf der Cyther ſpielen; Als man ſich nun
daruͤber verwunderte/ ſo ſagte er: Es iſt beſſer etwas ſpaͤt/ als
nimmer lernen. So lang man lebet/ ſo iſt man bequem/ etwas
zu lernen/ wann man nur fleiſſig iſt.

Der Podeſtà: Das ſchickt ſich gleichfalls auf die Religion,
aber es iſt mit dem Fleiß allein nicht außgerichtet. Wer Weiß-
heit vonnoͤthen hat/ ſagt Jacobus/ der muß darum bitten/ und
alsdann ſoll ſie ihm gegeben werden. Das Beten iſt ein geſegne-
tes Mittel. Didyinus Alexandrinus war blind/ und zu dem Stu-
di
ren unbequem/ doch ſtudirte er eben wol/ und ward durch viel
Beten ein gelehrter Mann. Salomon erlangete auch groſſe
Weißheit durchs Gebet. Avicenna, der Mahometaner/ hatte
dieſe Gewonheit/ wann ihm etwas Dunckels vorkam/ ſo gieng er
in den Tempel/ und bathe GOtt um Verſtand. Wie viel mehr
ſolten wir GOtt um die Goͤttliche Weißheit dancken/ und un-
ſern Lehrmeiſter JEſum darfuͤr preiſen.

Der Printz: Gute Meiſter ſind groſſen Dancks und Eh-
ren wuͤrdig. Quirinus bauete fuͤr ſeinen Meiſter ein Marmor-
nes Grab/ welches die Studenten offtmahls beſahen/ um dar-
durch zu dergleichen Danckbarkeit aufgemuntert zu werden.
Crito ließ ſeinen Meiſter Socratem niemahls Mangel leyden.
Dionyſius ſagte zu dem Platoni: Es ſoll dir Jemand den Kopff
abſchlagen. Xenocrates, ſein Juͤnger/ der darbey ſtunde/ ant-
wortete: Den Meinigen vorher. Er war bereit/ ſeinen Meiſter
mit ſeinem Tod zu beſchirmen. Ariſtoteles richtete ſeinem Lehr-
meiſter Platoni ein Bild/ und einen Altar auf/ und ließ dieſe
Worte darauf ſetzen: Dieſem Mann muͤſſen alle Gute nach-
folgen. Was iſt es Wunder/ Alexander, als er ſeinen Lehrmeiſter
Ariſtotelem ſehr verehrete/ gab darvon die Urſach: Von mei-
mem Vatter/ ſagte er/ habe ich das Leben/ von meinem Lehrmei-
ſter aber das Wol-Leben.

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Recht
B b 5
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[393/0407] Romans I. Buch. diren kommen ſind/ gehen uns weit bevor. Ortelius fieng erſt im 30. Jahr ſeines Alters an/ Latein zu lernen/ und ward ein ſolcher groſſer Sternſeher. Viel Leute wollen nicht lernen/ weil ſie nicht fruͤhe gnug angefangen haben. Aber dieſe muͤſſen beſchaͤmet werden/ durch das ſchoͤne Exempel der Frau Euridices: Dieſe fieng in ihren alten Tagen an/ leſen und ſchreiben zu lernen/ da- mit ſie ſolches ihre Kinder gleichfalls lehren koͤnte. Thaͤten dieſes viel Eltern auch in der Religion, ihre Kinder ſolten beſſer leben. Der Printz: Daͤrauf zielet das Wort Socrates. Er lernete in ſeinen alten Jahren auf der Cyther ſpielen; Als man ſich nun daruͤber verwunderte/ ſo ſagte er: Es iſt beſſer etwas ſpaͤt/ als nimmer lernen. So lang man lebet/ ſo iſt man bequem/ etwas zu lernen/ wann man nur fleiſſig iſt. Der Podeſtà: Das ſchickt ſich gleichfalls auf die Religion, aber es iſt mit dem Fleiß allein nicht außgerichtet. Wer Weiß- heit vonnoͤthen hat/ ſagt Jacobus/ der muß darum bitten/ und alsdann ſoll ſie ihm gegeben werden. Das Beten iſt ein geſegne- tes Mittel. Didyinus Alexandrinus war blind/ und zu dem Stu- diren unbequem/ doch ſtudirte er eben wol/ und ward durch viel Beten ein gelehrter Mann. Salomon erlangete auch groſſe Weißheit durchs Gebet. Avicenna, der Mahometaner/ hatte dieſe Gewonheit/ wann ihm etwas Dunckels vorkam/ ſo gieng er in den Tempel/ und bathe GOtt um Verſtand. Wie viel mehr ſolten wir GOtt um die Goͤttliche Weißheit dancken/ und un- ſern Lehrmeiſter JEſum darfuͤr preiſen. Der Printz: Gute Meiſter ſind groſſen Dancks und Eh- ren wuͤrdig. Quirinus bauete fuͤr ſeinen Meiſter ein Marmor- nes Grab/ welches die Studenten offtmahls beſahen/ um dar- durch zu dergleichen Danckbarkeit aufgemuntert zu werden. Crito ließ ſeinen Meiſter Socratem niemahls Mangel leyden. Dionyſius ſagte zu dem Platoni: Es ſoll dir Jemand den Kopff abſchlagen. Xenocrates, ſein Juͤnger/ der darbey ſtunde/ ant- wortete: Den Meinigen vorher. Er war bereit/ ſeinen Meiſter mit ſeinem Tod zu beſchirmen. Ariſtoteles richtete ſeinem Lehr- meiſter Platoni ein Bild/ und einen Altar auf/ und ließ dieſe Worte darauf ſetzen: Dieſem Mann muͤſſen alle Gute nach- folgen. Was iſt es Wunder/ Alexander, als er ſeinen Lehrmeiſter Ariſtotelem ſehr verehrete/ gab darvon die Urſach: Von mei- mem Vatter/ ſagte er/ habe ich das Leben/ von meinem Lehrmei- ſter aber das Wol-Leben. Der Podeſtà: Alle dieſe Dinge ſchicken ſich mit beſſerm Recht B b 5

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/407>, abgerufen am 22.11.2024.