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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
ihn eben so sehr liebe/ als meinen alten Mann. Jch
habe es nicht um Gewinstes oder Geldes willen ge-
than/ sondern auß purer Affection, so bedencket dann
nun selber/ ob man mich mit derselbigen Straffe be-
legen könne/ welche uns das unrechtfertige Gesetz
dictiret?

Der Land-Vogt muste in seinem Hertzen lachen/
er aber fragete jetzo den Burgermeister: Ob er bey
suner Frauen allemahl sein Verlangen erhalten?
Ja/ sprach dieser/ und mehr/ als ich offt verlanget ha-
be. Wolan dann/ fuhr Jener fort/ so hat eure Frau
w[i]der euch nichts gesündiget/ sondern nur das Jeni-
ge| was ihr verschmähet/ wol anzubringen sich beflies-
sen/ und weil auch nicht erwiesen ist/ daß sie Geld dar-
vorempfangen/ welches das Gesetz erfordert/ so gehet
mit ihr wieder in euer Hauß/ und lebet hinführo in
Einigkeit/ und dieses spreche ich von Amtswegen.
Der Burgermeister war froh/ daß die hohe Obrig-
keit seine Frau loßgesprochen hatte/ dann er missete
sie nicht gerne/ gieng demnach mit diesem Urtheil
nach Hauß/ und ward seine Frau/ als eine Amazonin
gleichsam in einem Triumph von den andern Frauen
nach Hauß begleitet. Aber Venereus muste das Ge-
lach bezahlen/ weil dieser ein Fremdling/ und sich er-
kühnet hatte/ in eines andern Hahns Nest seine Eyer
zu legen/ so ward er ohne Verhörung verurtheilet/ in
deß gehangenen Juden Kleidern auß der Stadt ver-
wiesen zu werden/ sein Pferd solte verfallen seyn/ und
der Gehenckte solte hinführo seine Kleider am liechten
Galgen tragen. Dieses Urtheil ward auch stehendes
Fusses an ihm vollzogen/ ohngeachtet er hefftig dar-
wider protestirte/ und eine gleiche Straffe begehrte/
wie die Burgermeisterin/ weil sie ihn zu sich beruffen/
und er auch nicht mehr gesündiget hätte/ als sie/ aber

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Romans II. Buch.
ihn eben ſo ſehr liebe/ als meinen alten Mann. Jch
habe es nicht um Gewinſtes oder Geldes willen ge-
than/ ſondern auß purer Affection, ſo bedencket dann
nun ſelber/ ob man mich mit derſelbigen Straffe be-
legen koͤnne/ welche uns das unrechtfertige Geſetz
dictiret?

Der Land-Vogt muſte in ſeinem Hertzen lachen/
er aber fragete jetzo den Burgermeiſter: Ob er bey
ſuner Frauen allemahl ſein Verlangen erhalten?
Ja/ ſprach dieſer/ und mehr/ als ich offt verlanget ha-
be. Wolan dann/ fuhr Jener fort/ ſo hat eure Frau
w[i]der euch nichts geſuͤndiget/ ſondern nur das Jeni-
ge| was ihr verſchmaͤhet/ wol anzubringen ſich beflieſ-
ſen/ und weil auch nicht erwieſen iſt/ daß ſie Geld dar-
vorempfangen/ welches das Geſetz erfordert/ ſo gehet
mit ihr wieder in euer Hauß/ und lebet hinfuͤhro in
Einigkeit/ und dieſes ſpreche ich von Amtswegen.
Der Burgermeiſter war froh/ daß die hohe Obrig-
keit ſeine Frau loßgeſprochen hatte/ dann er miſſete
ſie nicht gerne/ gieng demnach mit dieſem Urtheil
nach Hauß/ und ward ſeine Frau/ als eine Amazonin
gleichſam in einem Triumph von den andern Frauen
nach Hauß begleitet. Aber Venereus muſte das Ge-
lach bezahlen/ weil dieſer ein Fremdling/ und ſich er-
kuͤhnet hatte/ in eines andern Hahns Neſt ſeine Eyer
zu legen/ ſo ward er ohne Verhoͤrung verurtheilet/ in
deß gehangenen Juden Kleidern auß der Stadt ver-
wieſen zu werden/ ſein Pferd ſolte verfallen ſeyn/ und
der Gehenckte ſolte hinfuͤhro ſeine Kleider am liechten
Galgen tragen. Dieſes Urtheil ward auch ſtehendes
Fuſſes an ihm vollzogen/ ohngeachtet er hefftig dar-
wider proteſtirte/ und eine gleiche Straffe begehrte/
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[599/0617] Romans II. Buch. ihn eben ſo ſehr liebe/ als meinen alten Mann. Jch habe es nicht um Gewinſtes oder Geldes willen ge- than/ ſondern auß purer Affection, ſo bedencket dann nun ſelber/ ob man mich mit derſelbigen Straffe be- legen koͤnne/ welche uns das unrechtfertige Geſetz dictiret? Der Land-Vogt muſte in ſeinem Hertzen lachen/ er aber fragete jetzo den Burgermeiſter: Ob er bey ſuner Frauen allemahl ſein Verlangen erhalten? Ja/ ſprach dieſer/ und mehr/ als ich offt verlanget ha- be. Wolan dann/ fuhr Jener fort/ ſo hat eure Frau wider euch nichts geſuͤndiget/ ſondern nur das Jeni- ge| was ihr verſchmaͤhet/ wol anzubringen ſich beflieſ- ſen/ und weil auch nicht erwieſen iſt/ daß ſie Geld dar- vorempfangen/ welches das Geſetz erfordert/ ſo gehet mit ihr wieder in euer Hauß/ und lebet hinfuͤhro in Einigkeit/ und dieſes ſpreche ich von Amtswegen. Der Burgermeiſter war froh/ daß die hohe Obrig- keit ſeine Frau loßgeſprochen hatte/ dann er miſſete ſie nicht gerne/ gieng demnach mit dieſem Urtheil nach Hauß/ und ward ſeine Frau/ als eine Amazonin gleichſam in einem Triumph von den andern Frauen nach Hauß begleitet. Aber Venereus muſte das Ge- lach bezahlen/ weil dieſer ein Fremdling/ und ſich er- kuͤhnet hatte/ in eines andern Hahns Neſt ſeine Eyer zu legen/ ſo ward er ohne Verhoͤrung verurtheilet/ in deß gehangenen Juden Kleidern auß der Stadt ver- wieſen zu werden/ ſein Pferd ſolte verfallen ſeyn/ und der Gehenckte ſolte hinfuͤhro ſeine Kleider am liechten Galgen tragen. Dieſes Urtheil ward auch ſtehendes Fuſſes an ihm vollzogen/ ohngeachtet er hefftig dar- wider proteſtirte/ und eine gleiche Straffe begehrte/ wie die Burgermeiſterin/ weil ſie ihn zu ſich beruffen/ und er auch nicht mehr geſuͤndiget haͤtte/ als ſie/ aber es P p 4

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 599. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/617>, abgerufen am 22.11.2024.