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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Deß Academischen
Thal ein schönes Adeliches Schloß ligen/ dahero le-
gete er sich auf dem Berg nieder/ und ruhete biß ge-
gen den Abend/ da er alsdann sich zu diesem Hauß er-
heben wolte/ und würde man ihm ja ein Nacht-Lager
nicht abschlagen. Endlich machte er sich in seinem al-
ten zerlappeten Kleid wieder auf die Füsse/ gieng nach
dem Edelhof/ und klopffete an/ alsobald erschien der
Verwalter selber/ welchem er mit Wincken und Zei-
chen zu erkennen gab/ daß er stumm sey/ und ein All-
mosen verlange. Der Verwalter/ der eines guten
Knechts zum höchsten benöthiget/ winckete ihm/ und
fragete dardurch gleichsam/ ob er wol arbeiten wolle/
und als er deßfalls von Venereo eine vergnügliche
Antwort erlanget/ nahm er ihn in die Küche/ und ließ
ihm satt zu essen und zu trincken geben/ hernach ließ er
ihn nach dem Heu-Boden führen/ um darauf zu
schlaffen/ dann er besorgete sich/ dieser Lumpen-Hund
stecke voll Unzieffer/ mochte ihn deßwegen zu den an-
dern Dienst-Botten nicht legen.

Am folgenden Tag muste er in den Garten wan-
dern/ da reichete man ihm allerhand Gereitschafften/
und wiese ihm die Arbeit an. Er legete seine Hand an/
und weil er annoch ziemlich bey Kräfften/ arbeitete er
sehr fleissig/ daß ihn der Verwalter deßwegen mit
freundlichem Zuwincken preisete. Also hatte er nun-
mehro gnug zu thun/ und war alle Tage an seinen
Geschäfften. Es begab sich aber am dritten Tag nach
seiner Ankunfft/ daß er nach eingenommenem Mit-
tags-Mahl sich hinter eine Hasel-Hecke an den
Schatten schlaffen legete/ und weil eben darauf ein
kühles Lüfftlein entstunde/ warff ihm solches das zer-
rissene Kleid von einander/ und entdeckete das Je-
nige/ welches die Natur gern im Verborgenen hält.
Nicht lange hernach kam die Adeliche Tochter in den

Garten/

Deß Academiſchen
Thal ein ſchoͤnes Adeliches Schloß ligen/ dahero le-
gete er ſich auf dem Berg nieder/ und ruhete biß ge-
gen den Abend/ da er alsdann ſich zu dieſem Hauß er-
heben wolte/ und wuͤrde man ihm ja ein Nacht-Lager
nicht abſchlagen. Endlich machte er ſich in ſeinem al-
ten zerlappeten Kleid wieder auf die Fuͤſſe/ gieng nach
dem Edelhof/ und klopffete an/ alſobald erſchien der
Verwalter ſelber/ welchem er mit Wincken und Zei-
chen zu erkennen gab/ daß er ſtumm ſey/ und ein All-
moſen verlange. Der Verwalter/ der eines guten
Knechts zum hoͤchſten benoͤthiget/ winckete ihm/ und
fragete dardurch gleichſam/ ob er wol arbeiten wolle/
und als er deßfalls von Venereo eine vergnuͤgliche
Antwort erlanget/ nahm er ihn in die Kuͤche/ und ließ
ihm ſatt zu eſſen und zu trincken geben/ hernach ließ er
ihn nach dem Heu-Boden fuͤhren/ um darauf zu
ſchlaffen/ dann er beſorgete ſich/ dieſer Lumpen-Hund
ſtecke voll Unzieffer/ mochte ihn deßwegen zu den an-
dern Dienſt-Botten nicht legen.

Am folgenden Tag muſte er in den Garten wan-
dern/ da reichete man ihm allerhand Gereitſchafften/
und wieſe ihm die Arbeit an. Er legete ſeine Hand an/
und weil er annoch ziemlich bey Kraͤfften/ arbeitete er
ſehr fleiſſig/ daß ihn der Verwalter deßwegen mit
freundlichem Zuwincken preiſete. Alſo hatte er nun-
mehro gnug zu thun/ und war alle Tage an ſeinen
Geſchaͤfften. Es begab ſich aber am dritten Tag nach
ſeiner Ankunfft/ daß er nach eingenommenem Mit-
tags-Mahl ſich hinter eine Haſel-Hecke an den
Schatten ſchlaffen legete/ und weil eben darauf ein
kuͤhles Luͤfftlein entſtunde/ warff ihm ſolches das zer-
riſſene Kleid von einander/ und entdeckete das Je-
nige/ welches die Natur gern im Verborgenen haͤlt.
Nicht lange hernach kam die Adeliche Tochter in den

Garten/
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[634/0652] Deß Academiſchen Thal ein ſchoͤnes Adeliches Schloß ligen/ dahero le- gete er ſich auf dem Berg nieder/ und ruhete biß ge- gen den Abend/ da er alsdann ſich zu dieſem Hauß er- heben wolte/ und wuͤrde man ihm ja ein Nacht-Lager nicht abſchlagen. Endlich machte er ſich in ſeinem al- ten zerlappeten Kleid wieder auf die Fuͤſſe/ gieng nach dem Edelhof/ und klopffete an/ alſobald erſchien der Verwalter ſelber/ welchem er mit Wincken und Zei- chen zu erkennen gab/ daß er ſtumm ſey/ und ein All- moſen verlange. Der Verwalter/ der eines guten Knechts zum hoͤchſten benoͤthiget/ winckete ihm/ und fragete dardurch gleichſam/ ob er wol arbeiten wolle/ und als er deßfalls von Venereo eine vergnuͤgliche Antwort erlanget/ nahm er ihn in die Kuͤche/ und ließ ihm ſatt zu eſſen und zu trincken geben/ hernach ließ er ihn nach dem Heu-Boden fuͤhren/ um darauf zu ſchlaffen/ dann er beſorgete ſich/ dieſer Lumpen-Hund ſtecke voll Unzieffer/ mochte ihn deßwegen zu den an- dern Dienſt-Botten nicht legen. Am folgenden Tag muſte er in den Garten wan- dern/ da reichete man ihm allerhand Gereitſchafften/ und wieſe ihm die Arbeit an. Er legete ſeine Hand an/ und weil er annoch ziemlich bey Kraͤfften/ arbeitete er ſehr fleiſſig/ daß ihn der Verwalter deßwegen mit freundlichem Zuwincken preiſete. Alſo hatte er nun- mehro gnug zu thun/ und war alle Tage an ſeinen Geſchaͤfften. Es begab ſich aber am dritten Tag nach ſeiner Ankunfft/ daß er nach eingenommenem Mit- tags-Mahl ſich hinter eine Haſel-Hecke an den Schatten ſchlaffen legete/ und weil eben darauf ein kuͤhles Luͤfftlein entſtunde/ warff ihm ſolches das zer- riſſene Kleid von einander/ und entdeckete das Je- nige/ welches die Natur gern im Verborgenen haͤlt. Nicht lange hernach kam die Adeliche Tochter in den Garten/

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/652>, abgerufen am 22.11.2024.