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Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690.

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Romans II. Buch.
Magd hält gedultig auß/ und saget kein Wort darzu.
Endlich aber reisset ihr der Kauffmann die Haube
vom Kopff/ langet auß der Taschen eine Scheere her-
für/ und schneidet ihr die meisten Haare im Tunckeln
vom Kopff hinweg. Hernach gibt er ihr noch etliche
gute Maulschellen/ und gehet darmit zum Hauß hin-
auß. Er eylet aber zuforderst nach ihrer Mutter Be-
hausung/ und klopffet so lange und ungestümmig lich/
biß man ihm aufthut/ da er dann auf seine Frau gar
greulich schmählet/ und sie für die leichtfertigste Ehe-
brecherin außschilt. Er erzehlet darneben den gantzen
Handel/ zeiget ihnen die Haare/ die er ihr abgeschnit-
ten/ und bedeutet ihnen/ wie er sie zerschlagen/ daß sie
keinem Menschen ähnlich sey. Bittet endlich/ ihre
Brüder möchten mit ihm kommen/ und die Schand-
Vettel selber anschauen. Sie auch wieder zu sich neh-
men/ inmassen er ihrer weiter nicht begehre/ sondern
von ihr wolle geschieden seyn/ und hinführo einsam
leben.

Die Brüder fassen gleich hierauß einen grossen
Grimm auf ihre Schwester/ als wordurch ihr gan-
tzer Adelicher Stamm beschmitzet werde/ bewaffnen
sich/ und wollen mit dem Schwager gehen. Die
Mutter aber weinet/ und saget: Jhr lieben Söhne/
vernehmet zuvor eurer Schwester Rede/ vielleicht ist
ihr der Mann um einer andern Ursache willen gehäs-
sig worden/ und brauchet sein Fürwenden nur zu ei-
nem Deckel. Sie versprechen solches zu thun/ und ge-
hen also mit einander hin/ die alte Mutter kleidet
sich unterdessen an/ und folget sachte nach. Mittler
Zeit hatte sich die Magd auf die Seite gemacht/ und
verstecket/ die Constantina aber hatte sich in ihr klei-
nes Kämmerlein in ihren täglichen Kleidern gesetzet/
da sie ein Gewebe für sich genommen/ daran sie arbei-

tete.
S s 2

Romans II. Buch.
Magd haͤlt gedultig auß/ und ſaget kein Wort darzu.
Endlich aber reiſſet ihr der Kauffmann die Haube
vom Kopff/ langet auß der Taſchen eine Scheere her-
fuͤr/ und ſchneidet ihr die meiſten Haare im Tunckeln
vom Kopff hinweg. Hernach gibt er ihr noch etliche
gute Maulſchellen/ und gehet darmit zum Hauß hin-
auß. Er eylet aber zuforderſt nach ihrer Mutter Be-
hauſung/ und klopffet ſo lange und ungeſtuͤmmig lich/
biß man ihm aufthut/ da er dann auf ſeine Frau gar
greulich ſchmaͤhlet/ und ſie fuͤr die leichtfertigſte Ehe-
brecherin außſchilt. Er erzehlet darneben den gantzen
Handel/ zeiget ihnen die Haare/ die er ihr abgeſchnit-
ten/ und bedeutet ihnen/ wie er ſie zerſchlagen/ daß ſie
keinem Menſchen aͤhnlich ſey. Bittet endlich/ ihre
Bruͤder moͤchten mit ihm kommen/ und die Schand-
Vettel ſelber anſchauen. Sie auch wieder zu ſich neh-
men/ inmaſſen er ihrer weiter nicht begehre/ ſondern
von ihr wolle geſchieden ſeyn/ und hinfuͤhro einſam
leben.

Die Bruͤder faſſen gleich hierauß einen groſſen
Grimm auf ihre Schweſter/ als wordurch ihr gan-
tzer Adelicher Stamm beſchmitzet werde/ bewaffnen
ſich/ und wollen mit dem Schwager gehen. Die
Mutter aber weinet/ und ſaget: Jhr lieben Soͤhne/
vernehmet zuvor eurer Schweſter Rede/ vielleicht iſt
ihr der Mann um einer andern Urſache willen gehaͤſ-
ſig worden/ und brauchet ſein Fuͤrwenden nur zu ei-
nem Deckel. Sie verſprechen ſolches zu thun/ und ge-
hen alſo mit einander hin/ die alte Mutter kleidet
ſich unterdeſſen an/ und folget ſachte nach. Mittler
Zeit hatte ſich die Magd auf die Seite gemacht/ und
verſtecket/ die Conſtantina aber hatte ſich in ihr klei-
nes Kaͤmmerlein in ihren taͤglichen Kleidern geſetzet/
da ſie ein Gewebe fuͤr ſich genommen/ daran ſie arbei-

tete.
S ſ 2
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[643/0661] Romans II. Buch. Magd haͤlt gedultig auß/ und ſaget kein Wort darzu. Endlich aber reiſſet ihr der Kauffmann die Haube vom Kopff/ langet auß der Taſchen eine Scheere her- fuͤr/ und ſchneidet ihr die meiſten Haare im Tunckeln vom Kopff hinweg. Hernach gibt er ihr noch etliche gute Maulſchellen/ und gehet darmit zum Hauß hin- auß. Er eylet aber zuforderſt nach ihrer Mutter Be- hauſung/ und klopffet ſo lange und ungeſtuͤmmig lich/ biß man ihm aufthut/ da er dann auf ſeine Frau gar greulich ſchmaͤhlet/ und ſie fuͤr die leichtfertigſte Ehe- brecherin außſchilt. Er erzehlet darneben den gantzen Handel/ zeiget ihnen die Haare/ die er ihr abgeſchnit- ten/ und bedeutet ihnen/ wie er ſie zerſchlagen/ daß ſie keinem Menſchen aͤhnlich ſey. Bittet endlich/ ihre Bruͤder moͤchten mit ihm kommen/ und die Schand- Vettel ſelber anſchauen. Sie auch wieder zu ſich neh- men/ inmaſſen er ihrer weiter nicht begehre/ ſondern von ihr wolle geſchieden ſeyn/ und hinfuͤhro einſam leben. Die Bruͤder faſſen gleich hierauß einen groſſen Grimm auf ihre Schweſter/ als wordurch ihr gan- tzer Adelicher Stamm beſchmitzet werde/ bewaffnen ſich/ und wollen mit dem Schwager gehen. Die Mutter aber weinet/ und ſaget: Jhr lieben Soͤhne/ vernehmet zuvor eurer Schweſter Rede/ vielleicht iſt ihr der Mann um einer andern Urſache willen gehaͤſ- ſig worden/ und brauchet ſein Fuͤrwenden nur zu ei- nem Deckel. Sie verſprechen ſolches zu thun/ und ge- hen alſo mit einander hin/ die alte Mutter kleidet ſich unterdeſſen an/ und folget ſachte nach. Mittler Zeit hatte ſich die Magd auf die Seite gemacht/ und verſtecket/ die Conſtantina aber hatte ſich in ihr klei- nes Kaͤmmerlein in ihren taͤglichen Kleidern geſetzet/ da ſie ein Gewebe fuͤr ſich genommen/ daran ſie arbei- tete. S ſ 2

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Zitationshilfe: Happel, Eberhard Werner: Der Academische Roman. Ulm, 1690, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/happel_roman_1690/661>, abgerufen am 22.11.2024.